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Afrika
Mehr Fachwissen für Kleinbauern

Weil viele afrikanische Bauern den Nährstoffgehalt ihrer Ackerflächen nicht bewerten könnten, verwendeten sie zu viel Dünger, kritisiert Lindiwe Sibanda vom afrikanischen Forschungsnetzwerk FANRPAN im Deutschlandfunk. Sie fordert, dass Forschungslabore ihr Wissen an die Landwirte weitergeben.

Lindiwe Sibanda im Gespräch mit Jule Reimer | 10.01.2014
    Jule Reimer: Kommende Woche lädt Berlin wieder zur Grünen Woche ein. Unbemerkt hat sich am Rande dieser internationalen Lebensmittelmesse eine Art G20-Gipfel für die Agrarpolitik etabliert, der zudem als Tauschbörse für weltweite Agrargeschäfte wirkt. Mit dabei sind, anders als beim normalen G20-Gipfel, auch viele Minister aus Afrika. Der Kontinent leidet unter niedrigen Agrarerträgen, andererseits gibt es einen Run auf afrikanische Ackerflächen. Bodenwissenschaftler warnen allerdings auch, dass mittlerweile weltweit viele Böden von Erosion betroffen sind. Vor dieser Sendung fragte ich Lindiwe Sibanda vom afrikanischen Agrarforschungsnetzwerk FANRPAN, wie es um die Böden in Afrika steht.
    Lindiwe Sibanda: Die Aufgabe, die vor uns steht, liegt darin, dass wir den Grad der Fruchtbarkeit unserer Böden nicht kennen. Diejenigen, die darüber Bescheid wissen, sind die Wissenschaftler und Fachleute in den Labors. Deren Sachkunde wird aber zu den Bauern nicht weitergegeben. Also hört man tagein, tagaus: Werft mehr Dünger in die Böden, gebt mehr organisches Material in die Böden. Aber woher bekommt man diesen Dünger? Oft muss man ja Dünger kaufen, chemischen Dünger, und dafür braucht man Geld, das aber die Bauern in den meisten Fällen nicht haben. Wenn wir die Bodenfruchtbarkeit erhalten wollen, brauchen wir einen landesweiten Plan, und um das durchzuführen, müssen wir die Karte zusammenfassen, denn es geht um die Ernährung für die nächste Generation.
    Reimer: Kann der Dünger hier gut, aber auch schlecht wirken?
    Sibanda: Ja, er muss genau angepasst sein, aber es fehlt an dem Grundwissen. Wir wissen nicht, welche Nährstoffe jetzt genau im Boden benötigt werden. Also folgt man bestimmten Pauschalempfehlungen. Und das kann durchaus Schäden verursachen. Ein solcher Schaden ist der Klimawandel. Wir wissen, dass ein Übermaß an Dünger, der ja nicht vom Boden absorbiert und aufgenommen wird, dann als Gas wieder abgegeben wird und dann zum Klimawandel beiträgt. Wie kann man das berichtigen? Nun, dadurch, dass man die geeignete Menge verwendet. Woher weiß man aber das? Nun, man weiß es nur durch Analyse und durch Aufklärung. Aber an dieser grundlegenden Aufklärung fehlt es. Sie ist für die Kleinbauern in der Regel einfach nicht zugänglich.
    Reimer: Südafrika beispielsweise hat eine sehr moderne, konventionelle Landwirtschaft. Empfiehlt denn Ihr Netzwerk afrikanischen Bauern und Regierungen eher konventionelle Anbaumethoden oder eher Ökolandwirtschaft?
    Sibanda: Nein. Wenn wir über Südafrika sprechen, dann haben wir es mit einer dualen Landwirtschaft zu tun. Einerseits haben wir die Großfarmen, andererseits die Kleinbauern, die eigentlich nie mehr als zwei Hektar zu einem Zeitpunkt bewirtschaften, und – das ist das Traurige – das über Generationen, oft über drei, vier Generationen hinweg immer mit denselben Mitteln tun. Das führt zu einer Auslaugung des Bodens. Wie kann man jetzt die Ertragskraft des Bodens wiederherstellen? Nun, dafür braucht man sicherlich das wissenschaftliche Handwerkszeug, man braucht aber auch die finanzielle Kraft, um diese Bemühungen zu stemmen. Wir dürfen ja den Boden nicht einfach ausbeuten, und dazu brauchen wir sowohl den organischen wie auch den Kunstdünger, dazu braucht man aber auch fundiertes Wissen und das Zusammenwirken einer Vielfalt von Akteuren. Man kann also nicht sagen, entweder oder, sondern es kommt auf den einzelnen Bauern an. Welche Ressourcen hat er zur Verfügung, welche zusätzlichen Ressourcen benötigt er und wie, mit welchen finanziellen Mitteln findet er Zugang dazu? Eine Paketlösung ist also gefragt.
    "Afrika könnte der Brotkorb für den gesamten Globus werden"
    Reimer: Was sagen Sie zu dem Programm "Allianz für Ernährung", das die acht Staaten in Zusammenarbeit mit großen Agrarkonzernen aufgelegt haben, ähnlich übrigens auch die Weltbanktochter IFC oder auch die noch unter Bundesentwicklungsminister Niebel beschlossene German Food Partnership, die ebenso mit Großkonzernen wie Bayer CropScience zusammenarbeitet?
    Sibanda: Wir betrachten Afrika ja als das letzte noch unerschlossene Grenzland. Das bedeutet, Afrika könnte der Brotkorb für den gesamten Globus werden. Wir sehen das ja auch in dem Phänomen, das andere das sogenannte Landgrabbing nennen, das heißt, das Aufkaufen von Flächen durch andere Länder für deren eigene Zwecke. Das ist sicherlich ein Weckruf für Afrika. Wir sehen, dass Afrika das Potenzial hätte, aber Menschen können kein Potenzial essen, nein, das Potenzial muss durch direkte Auslandsinvestitionen zum Wohle Afrikas übersetzt werden. Was nun die G8-Allianz angeht, so wird hier immer wieder betont, man müsse verantwortliches, wirtschaftliches Handeln im Privatsektor fördern, aber es darf eben nicht nur auf die großen Unternehmen abzielen. Die Großunternehmen müssen wirklich Partnerschaften mit den kleinen afrikanischen Firmen vor Ort eingehen, sodass Afrika allmählich auf eigene Füße kommt und nicht mehr von der Hilfe der Welt abhängt. Wir müssen eine Win-win-Situation herstellen. Längst gehören die Tage der Vergangenheit an, wo man einfach nur ausbeutet. Es ist sicherlich etwas Gutes, aber es muss lokal verankert sein, es muss durch unsere Firmen vor Ort in den Ländern selbst gestützt werden.
    Reimer: Lindiwe Sibanda vom Forschungsnetzwerk FANRPAN und das Interview mit ihr haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.