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Agrar- gegen Umweltpolitik
Was die Parteien wollen

Bekenntnisse zu Artenvielfalt, Tierschutz und umweltgerechter Landwirtschaft gehören heute in jedes Wahlprogramm. Ein genauer Vergleich offenbart aber höchst unterschiedliche Ziele und Ansätze. Fraglich ist auch, wie umsetzbar die Ideen der einzelnen Parteien sind. Ein Überblick.

Von Benjamin Dierks | 04.09.2017
    Auf einer Wiese bei Crawinkel (Ilm-Kreis) betrachten der Biologe Andreas Weber und der 7-jährige Max am Samstag (09.06.2007) eine wild gewachsene Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica).
    Manche Experten beobachten einen Rückgang der Artenvielfalt durch konventionelle Landwirtschaft. Nur einer von vielen Aspekten, bei denen Umwelt- und Agrarpolitik in Konkurrenz geraten. (picture-alliance / dpa / Martin Schutt)
    Die CDU/CSU will die göttliche Schöpfung bewahren, solange es nicht dem Wettbewerb schadet. Für SPD und Linke heißt Umweltschutz Umweltgerechtigkeit, es geht also um die sozialen Folgen von Verschmutzung. Für die Grünen ist der Umweltschutz der Erhalt der Lebensgrundlage – wohl auch der eigenen. Die FDP will die Natur schützen, sofern es freiwillig geschieht und die Eigentümer von Grund und Boden einverstanden sind. Und der AfD fällt beim Tierschutz zuerst das Schächten ein, das muslimische und jüdische Schlachtverfahren.
    Neben Klimawandel und Dieselskandal war einer der schärfsten umweltpolitischen Konflikte in der endenden Legislaturperiode der zwischen Umwelt- und Agrarressort.
    "Die Analyse der Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in Deutschland hat gezeigt, dass das zentrale Problem in der Entwicklung auf den Landwirtschaftsflächen liegt", ging die sozialdemokratische Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die konventionelle Agrarindustrie und ihren Kabinettskollegen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt an.
    Union: Konventionelle und ökologische Landwirtschaft vereinbar
    CSU-Vertreter Schmidt wiederum verteidigte die aufgebrachten Bauern. Auch im Wahlprogramm setzt die Union auf die Landwirte:
    "Die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft stehen für uns nicht im Gegensatz und werden beide zielgerichtet gefördert. Durch eine Nutztierhaltungsstrategie, die das Tierwohl stärker berücksichtigt, wollen wir gesellschaftliche Akzeptanz herstellen und die Investitions- und Planungssicherheit für Betriebe erhöhen."
    Die Union will die herkömmliche flächendeckende Landwirtschaft mit großen Höfen fördern, die exportstark und auch auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sind.
    SPD: Mehr Bio, weniger Dünger bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit
    Die SPD hebt den Biolandbau hervor und wirkt beim Tierschutz etwas entschiedener, will aber auf die konventionelle Landwirtschaft auch nicht verzichten, weil sie andernfalls um die Versorgungsicherheit fürchtet:
    "Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger werden wir auf das unbedingt notwendige Maß reduzieren und das Bundesbodenschutzgesetz novellieren."
    Aber wie das notwendige Maß aussieht, bleibt offen.
    Manche Anliegen seien nur von wenigen Parteien durchdacht
    In der Umweltpolitik seien vor allem die Wahlprogramme der zwei großen Volksparteien verhältnismäßig vage, sagt Olaf Bandt, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND):
    "Es gibt große Anliegen des Umwelt- und Naturschutzes wie beispielsweise einen besseren Tierschutz, Ausstieg aus der Massentierhaltung, mehr Schutz vor Chemikalien und gefährlichen Technologien, die nur von wenigen Parteien konsequent durchgedacht und befördert werden."
    Grüne: Raus aus Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft
    Konkreter wird es erwartungsgemäß bei den Grünen. Sie möchten Fleisch so kennzeichnen, dass ersichtlich wird, ob die Tiere aus industrieller Massentierhaltung stammen oder nicht. Und diese Art der Haltung wollen sie in den nächsten 20 Jahren beenden.
    "Wir wollen Bäuerinnen und Bauern den Weg ebnen, dass auch die Landwirtschaft ihre Klimaverpflichtungen erfüllt und bis 2050 von der industriellen Landwirtschaft auf eine klimaneutrale, ökologische Landwirtschaft umstellt."
    Und nur die soll gefördert werden.
    Linke will Öko und Regional für alle bezahlbar
    Die Linke will in der Nutztierhaltung Bestandsobergrenzen für Regionen und Standorte einführen und vor allem für die einheimische Nachfrage produzieren. Das Credo:
    "Wir wollen eine ökologisch verträgliche Lebensweise für alle Menschen ermöglichen und bezahlbar machen."
    BUND: Sind alle formulierten Ziele auch durchsetzbar?
    Aus Sicht der Umweltschützer vom BUND vertreten Grüne und Linke den Naturschutz konsequenter als die großen Volksparteien – aber da könne es an der Umsetzung hapern, sagt Olaf Bandt:
    "In den konkreten Entscheidungen, und darauf haben wir natürlich auch geguckt, nicht nur auf die theoretischen Wahlprogramme, dass sie sich dann nicht durchsetzen können oder nicht durchsetzen wollen."
    Wer sein Kreuz für Natur- und Tierschutz machen will, wird also abwägen müssen zwischen Ambition und Durchsetzungsvermögen.