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Agrarpolitik Niedersachsen
Kampf um die Bauerstimmen bei der Landtagswahl

Niedersachsen ist das Agrarland Nummer eins - und das Thema Landwirtschaft könnte wahlentscheidend sein. Eine Agrarwende hin zu ökologischer und tiergerechter Haltung strebt der grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer an - doch der Bauernverband ist skeptisch.

Von Dietrich Mohaupt | 12.10.2017
    Schweinezuchtbetrieb in Nordwestmecklenburg - wenige Tage alten Ferkel liegen am 21.08.2014 in einer Box in den Abferkelställen der Tierzucht Gut Losten.
    Das niedersächsische Agrarministerium honoriert tiergerechte Schweinehaltung mit Prämienzahlungen - zum Beispiel für Tiere mit intaktem Ringelschwanz und bei Verzicht auf Kastenhaltung (dpa / picture-alliance / Jens Büttner)
    So stellt Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer sich das vor mit der Sauenhaltung: Muttertiere mit ihren Ferkeln in großzügigen Boxen, kein kahler Spaltenboden, sondern eine dicke Strohschicht - der Gegenentwurf zu den engen sogenannten Kastenständen, in denen in der konventionellen Landwirtschaft üblicherweise die Muttersauen direkt nach dem abferkeln gehalten werden. Das soll verhindern, dass die frisch geborenen Ferkel von ihrer eigenen Mutter erdrückt werden.
    "Ansonsten sind sie ja fünf Wochen fixiert - ja, das ist der Unterschied. / Darum muss die Box ja auch so groß sein, wenn die Sau halt Freilauf hat, damit sie den Ferkeln aus dem Weg gehen kann. Eine Sau, die will sich ja nicht auf ihre Ferkel legen, die sucht sich ihren Platz. Und die zeigt den Ferkeln auch an, wo sie sich hinlegen will."
    Angestrebte Agrarwende - weg von Massentierhaltung
    Landwirt Hauke Duensing-Knop hält etwa 800 Mastschweine auf seinem Hof im Kreis Nienburg, außerdem zieht er rund 1.800 Ferkel auf. Für Minister Meyer ist dieser Betrieb ein Beispiel für die von ihm angestrebte Agrarwende - weg von Massentierhaltung hin zu einer bäuerlichen, ökologischen und tiergerechten Haltung.
    "Das ist jetzt noch nicht sozusagen eine Outdoor-Haltung, wie sie sich jetzt darstellt, aber es ist natürlich vor allem die Freizügigkeit der Sau, also sie kann sich eben mit den Ferkeln bewegen, sie kann sich umdrehen - von daher ist das für die Sau, aber auch für die Ferkel eine deutlich tiergerechtere Haltung."
    Auf das Abschneiden der Ringelschwänze verzichten
    Zudem verzichtet der Landwirt sowohl bei den Mastschweinen als auch bei den Ferkeln auf das schmerzhafte Abschneiden der Ringelschwänze - in der konventionellen Landwirtschaft ist das üblich, um zu verhindern, dass die Tiere sich aus Langeweile die Schwänze gegenseitig abkauen und es dadurch zu Infektionen kommt. Das funktioniert nur, wenn jedes Tier etwa doppelt so viel Platz hat wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich - und mit viel mehr Arbeitsaufwand.
    "Für den Alltag heißt das, dass man definitiv viel mehr am Tier ist, dass man auch körperliche Arbeit natürlich ein bisschen mehr hat durch Entmisten und ähnliche Arbeiten. Man muss halt auch den Bezug zum Tier haben, man muss sich zwischen die Tiere trauen, man muss mit den Tieren zusammenarbeiten - das heißt es erst mal für den Landwirt!"
    Diesen zusätzlichen Aufwand honoriert das niedersächsische Agrarministerium mit Prämienzahlungen - so gibt es zum Beispiel insgesamt 21,50 € pro Schwein mit intaktem Ringelschwanz und 150 Euro pro Sau, wenn der Halter auf Kastenstände verzichtet. Insgesamt stehen 28 Millionen Euro EU-Mittel für solche Zahlungen zur Verfügung.
    Bauernverband: Politik soll sich am Machbaren orientieren
    Prinzipiell begrüßt auch das Landvolk, wie sich der Bauernverband in Niedersachsen nennt, diese Tierwohlprämien - man sehe aber auch die Gefahr, dass gerade grüne Ideologie dazu neige, mit immer neuen Gesetzesänderungen und Auflagen die Landwirte zu überfordern, erklärt Landvolk-Vizepräsident Albert Schulte to Brinke.
    "Ich glaube schon, dass der Minister Meyer eben auch gemerkt hat, wie kompliziert und komplex Landwirtschaft ist - aber wir würden uns da natürlich noch mehr wünschen. Das heißt, wir würden uns wünschen, dass politisches Handeln sich wirklich nach dem Machbaren richtet - also das heißt, nichts darf in Gesetze gegossen werden, was eben nicht umsetzbar ist."
    Beispiel Kastenstand im Abferkelbereich - der Verzicht darauf erfordere einen kompletten Stallumbau, erläutert Junglandwirt Philipp Harless.
    "Wenn ich da Geld in investiere, geht das fünfstellig, teilweise sechsstellig. Das sind Summen, die ich nicht mehr einfach so wuppen kann, da muss ich mir einen Kredit bei der Bank holen. Dieser Kredit ist dann auf 10, 15, 20 Jahre abgeschrieben. Aber mit der nächsten Legislaturperiode dreht sich die politische Windrichtung in die genau andere Richtung - und dann stehe ich da wieder alleine da mit meinen Berufskollegen, müssen aber immer noch unsere finanzielle Verpflichtung ableisten."
    Auch die Verbraucher sind gefragt
    Und wenn dann wieder neue Gesetze und Auflagen kommen, die wieder neue Investitionen erfordern, dann sei das schnell nicht mehr zu leisten. Mit Prämienzahlungen allein sei mehr Tierwohl nicht wirtschaftlich darstellbar, meint Harless. Auch der Verbraucher müsse bereit sein, durch den Kauf zum Beispiel von teurerem Fleisch von Tieren aus entsprechender Haltung einen Beitrag zu leisten. Das sieht auch Schweinhalter Hauke Duensing-Knop so. Er nimmt die Ringelschwanzprämie und die Prämie für den Verzicht auf den Kastenstand gerne mit - wirtschaftlich arbeiten kann er auf seinem Hof aber nur, weil er sein Fleisch unter dem Label "Neuland" der Initiative Tierwohl zu deutlich besseren Preisen vermarkten kann.
    "Der konventionelle Betrieb bekommt irgendwo 1,60 Euro, 1,70 Euro pro Kilo Schlachtgewicht beim Schwein - ich bekomme 2,13 Euro. So viel teurer muss das Fleisch nicht sein, also ich denke, das ist bezahlbar. Und wenn man mit gutem Gewissen genießen will, ist das glaube ich vertretbar."