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Studentenlied
Neues Ende der Harvard-Hymne

Die Harvard-Universität im amerikanischen Cambridge hat ihre Alma Mater genannte Hymne geändert. Eine Formulierung entsprach nicht mehr den Werten, die die Uni heute vertreten will. Statt des Geschlechts der Puritaner sollen nun die Sterne am Himmel ewig Bestand haben.

Von Thomas Reintjes | 03.04.2018
    US: Harvard Krokodiloes Storm Brooklyn Derek Onserio solo. Harvard Krokodiloes, the University s oldest men s a-capella singing group, started off its 2018 tour with appearances in Brooklyn for a benefit on behalf of the Brooklyn Heights Association New York City New York United States Brooklyn PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY AndyxKatz
    Den Text der Harvard-Hymne gibt es schon lange - doch die Werte der US-Uni haben sich geändert (imago stock&people)
    Die Hymne von Harvard kennt jeder, der in den 80er-Jahren Pop gehört hat. Zumindest ansatzweise. Denn der Nummer-1-Hit "Come on Eileen" von Dexy's Midnight Runners beginnt mit einem kurzen Vorspiel. Und das ist auch der Anfang der Hymne von Harvard.
    Jetzt wurde die Hymne geändert, und zwar die letzte Zeile. Denn die Chöre von Harvard, wie hier der University Choir, haben sie nur widerwillig gesungen.
    "They expressed great frustration at, you know, having to sing that line over and over again", sagt Danielle Allen, von der Task Force on Inclusion and Belonging, einer Arbeitsgruppe, die sich dafür einsetzt, dass jeder sich in Harvard willkommen fühlt.
    "Be the herald of light, and the bearer of love, till the stock of the Puritans die."
    "Sei der Bote des Lichts und der Überbringer der Liebe, bis das Geschlecht der Puritaner stirbt."
    Hymne passt nicht mehr zu Harvards heutigen Werten
    Die Puritaner haben Harvard gegründet, und daran ist nicht Schlechtes. Aber dass der Text sich auf die Abstammung von den Puritanern bezieht, das wird heute in Harvard als rassistisch wahrgenommen. Die Zeile würde suggerieren, dass verschiedene Rassen miteinander im Wettbewerb stünden. Und das entspreche nicht den heutigen Werten von Harvard. Allen:
    "It's not an approach that accurately conveys Harvard's current values and commitments."
    Deshalb hatte Danielle Allen's Arbeitsgruppe einen Wettbewerb ausgerufen, um die letzte Zeile neu texten zu lassen. Jetzt steht die Gewinnerin fest: Janet Pascal, Absolventin von 1984. Ihr Vorschlag:
    "Be the herald of light and the bearer of love, till the stars in the firmament die."
    Also: bis die Sterne im Himmel erlöschen. Das ist ab sofort das Ende der Harvard-Hymne. Gesungen wird es zum ersten Mal bei der Absolventenfeier im Mai. Einen Vorgeschmack wollte Danielle Allen aber nicht geben:
    "I'm not gonna sing it on radio, sorry."
    Aufstehen, Hand übers Herz und Alma Mater singen
    Also: Ein weiterer Anruf, diesmal bei der Fakultät für Musik.
    "Hi, this is the department of music?"
    Allerdings nicht in Harvard, sondern an einer anderen Uni mit einer interessanten Hymne: Cornell.
    "Okay, here we go." (singt)
    Robert Isaacs lässt sich nicht lange bitten. Obwohl er die Hymne der Cornell University normalerweise nicht singt, sondern dirigiert. Am Telefon lässt Robert Isaacs ein bisschen das übliche Pathos vermissen.
    "Did you just stand up and put your hand on your chest?"
    (Lacht laut) "I did not in fact stand up and put my hand on my heart."
    Normalerweise, wenn das Lied bei offiziellen Anlässen gesungen wird, oder auch am Ende der vielen Konzerte, die Isaacs mit den Universitätschören gibt, stehen die Menschen auf und legen die rechte Hand aufs Herz. Wie bei der Nationalhymne.
    Hunderte Uni-Hymnen auf die Melodie von "Annie Lisle"
    Obwohl Robert Isaacs erst seit fünf Jahren an der Cornell ist, sagt er, dass ihm die Hymne gut bekannt ist - aus der High School:
    "'Far Above Cayuga's Waters with its waves of blue.' My high school alma mater had different words with the same melody: 'Our strong bonds shall never perish formed at Towson High'."
    Hunderte, vielleicht tausende andere Schulen und Hochschulen haben die Melodie von der Cornell übernommen und ihren eigenen Text darauf gedichtet.
    Aber auch an der Cornell haben sie das Lied nicht komponiert. Die Melodie stammt von dem Ende des 19. Jahrhunderts populären Lied "Annie Lisle". Zwei Cornell-Studenten haben dazu circa 1870 einen neuen Text gedichtet, um der damals jungen Uni etwas Identitätsstiftendes zu geben.
    Diese Funktion erfüllen die Lieder bis heute. Jetzt wohl auch wieder in Harvard, wenn die geänderte Hymne wieder öfter gespielt wird als die ungeliebte alte Version.