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Ahmadiyya-Fest in Karlsruhe
Muslime gegen Extremismus

Rund 40.000 Muslime der Bewegung Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) haben sich in Baden-Württemberg zu ihrer Jahresversammlung getroffen. Dabei ging es auch um die Loyalität gegenüber alten und neuen Heimatländern. Bei seinem Auftritt findet das spirituelle Oberhaupt der Bewegung deutliche Worte.

Von Thomas Wagner | 28.08.2017
    Muslime sitzen am 25.08.2017 auf der Jahreshauptversammlung der muslimischen Bewegung Ahmadiyya Muslim Jamaat in Rheinstetten (Baden-Württemberg) in einer Halle und hören einer Predigt zu.
    Jahreshauptversammlung der muslimischen Bewegung Ahmadiyya Muslim Jamaat in Rheinstetten bei Karlsruhe Ende August 2017. Die Versammlung stand unter der Überschrift "Liebe für alle, Hass für keinen". (picture alliance / Khang Nguyen/dpa)
    Ehre unserer muslimischen Gemeinschaft Ahmadiyya, Ehre dem heiligen Propheten, Ehre unserem Kalifen und schließlich … Ehre für Deutschland. Karlsruhe, Messehalle 1: Zig Tausende Muslime sitzen, hocken, stehen: Sie sind Teilnehmer eines Treffens, das seinesgleichen sucht:
    "Die Veranstaltung heißt 'Jalsa Salana'. Wörtlich übersetzt heißt das: jährliche Jahresversammlung. Es werden jetzt grade auf dem Gelände um die 35.000 Leute sein. Es ist in der Tat so: Von der regelmäßigen wiederkehrenden Veranstaltungen ist das auf europäischem Boden die größte wiederkehrende Veranstaltung dieser Art."
    Die Tradition der Gemeinschaft reicht ins Jahr 1889 zurück
    Erklärt Kamal Ahmad, Mitglied der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde Stuttgart, der bei der Organisation der 'Jalsa Salana' in Karlsruhe mitgeholfen hat. Die Tradition der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft reicht ins Jahr 1889 zurück. Die Gemeinschaft wurde seinerzeit in Indien gegründet, auf dem Gebiet des heutigen Pakistans. In Deutschland zählt Ahmadiyya rund 45.000 Mitglieder, die meisten Pakistani, die aber zum Teil seit Jahrzehnten in Deutschland leben – und vor allem an einem Punkt keinen Zweifel aufkommen lassen: Ihre Ausprägung des Islam gehört auf jeden Fall zu Deutschland, betonen sie. Fasal Ahmad aus Hamburg, ebenfalls ehrenamtlicher Mitorganisator, zeigt auf drei kreisförmige Symbole auf der riesigen Bühne in der Karlsruher Messehalle:
    "Im ersten Symbol ist in arabischer Schrift das Wort 'Islam' zu lesen. Im zweiten Symbol ist das Wort 'Mohammed' in arabischer Schrift zu lesen. Und im dritten Symbol ist die deutsche Flagge abgebildet."
    Das die kreisförmigen Symbole sich gegenseitig überlappen, habe seinen Grund.
    "Wie Sie auch darunter sehen können, steht da ein Vers aus dem Koran: Oh die Ihr glaubt, gehorchtet Allah und gehorchet denen, die Befehlsgewalt über Euch haben. Das heißt: Der heilige Koran schreibt jedem Muslim vor, dass er in dem Land, in dem er lebt, also zu diesem Land auch loyal sein muss. Und diese Loyalität soll mit diesen drei Symbolen zum Ausdruck gebracht werden."
    Gewaltanwendung in Glaubensfragen ist tabu
    Und das spiegelt sich auch in den Gesängen wieder. Chöre singen in der Karlsruher Messehalle mal auf Urdu, der pakistanischen Amtssprache, mal auf Arabisch – aber eben nicht nur:
    "Es gibt keinen Gott, keinen anderen Gott als Allah."
    Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde gibt sich laut eigener Beschreibung als liberal und wertkonservativ; Gewaltanwendung in Glaubensfragen ist tabu; man bekenne sich zum Frieden. Schließlich betritt ein Mann das Rednerpult: Helles Gewand, Turban, langer weißer Bart. Seine, wie das offiziell heißt, Heiligkeit – Mirza Masroor Ahmad, Mitte 60, ist Kalif des, wie es heißt, spirituellen Kalifats der weltweiten Ahmadiyya-Gemeinschaft – und findet bei seinem Auftritt in Karlsruhe deutliche Worte:
    "Alle Extremisten und Terroristen, egal ob in der westlichen Welt oder in muslimischen Ländern, stellen sich mit dem, was sie tun, in direktem Gegensatz zum Islam."
    "Lasst es mich immer und immer wieder sagen: Der Islam erlaubt unter gar keinen Umständen irgendeine Form von Grausamkeit. Und: Allah ist der Gott nicht nur Muslime, sondern auch der Gott der Christen, der Juden und letztlich der Menschen aller Glaubensrichtungen".
    "Wir müssen zusammenarbeiten! In einem Land, in dem es sehr viele Ressentiments gegen den Islam gibt, wo es viele Ängste gegenüber dem Islam, ist es umso wichtiger, zu zeigen, dass islamische Gemeinden ohne weiteres auch positive Impulse innerhalb der Gesellschaft darstellen können. Wir machen Wohltätigkeitsaktivitäten. Wir machen soziale Aktivitäten. Wir machen seelsorgerische Aktivitäten. Wir sind ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft".
    Der Kalif spricht einem konservativen Frauenbild das Wort
    Und als solcher auch zur Abgrenzung von extremistischen Strömungen bereit, deren Existenz Abdudllah Uwe Wagishauser, Bundesvorsitzender der deutschen Ahmadiyya-Geminschaft, gar nicht abstreiten will:
    "Man muss erst mal klarstellen, dass solche Strömungen in Deutschland eine sehr geringe Rolle spielen. Das sind ganz wenige Elemente. Wir zeigen denen eine klare Kante. Wir diskutieren sehr offen, sprechen die Probleme an und haben die Argumente aus dem Koran. Und diese inhaltliche Auseinandersetzung mit der Gewalt. Wir zeigen ganz klar, dass diese radikalen Strömungen aus dem Wahabismus, aus dem Salafismus im Islam keine Rechtfertigung haben, wenn man es von der koranischen Ideologie her sieht."
    Dann hält der Bundesvorsitzende einen Moment inne, ehe er fortfährt:
    "Die Problematik ist aber, dass die Bundesregierung und viele anderen Regierungen mit diesen Regierungen, die aus salafistischen und wahabistischen Strömungen kommen, sehr wohl Verträge machen, Waffenverkäufe tätigen. Also man muss da wirklich alle ansprechen, die in diesem Boot sitzen. Ob es vorteilhaft ist, die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar abzuhalten, das halte ich für sehr fraglich."
    Und wieder spricht der Kalif, dieses Mal auf Urdu, der Sprache seines Herkunftslandes. Mirza Masroor Ahmad redet einem überaus konservativen Frauenbild das Wort: Karriere im Job dürften Frauen zwar machen, aber nur soweit, wie das nicht den Erziehung der Kinder im Wege steht. Das sei nämlich Sache der Frau, die auch, so sagt es der Kalif, bei der Auswahl ihrer Kleidung auf islamische Schamgebot Rücksicht zu nehmen habe. Die Betonung weiblicher Reize sei ein 'No Go.' Allerdings, so Mitorganisator Kamal Ahmad:
    "Es gibt keine Religionspolizei, die das dann überwacht. Und es gibt im Islam die Regel: Zwang im Glauben verkrüppelt die Seele – und so ist es letztlich jedem freigestellt, so zu handeln".