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Ai Weiwei in Berlin
Ein Regimekritiker als Gastprofessor

Ai Weiwei hat seine Gastprofessur an der Berliner Universität der Künste angetreten. Dort wird er in den nächsten Jahren mit Kunst-Studierenden arbeiten. Bei der Auftaktveranstaltung lobte der Chinese die Bescheidenheit als Tugend guter Künstler.

Von Susanne Arlt | 02.11.2015
    Der chinesische Künstler Ai Weiwei bei einer Pressekonferenz anlässlich seiner Vorstellung als Gastprofessor an der Universität der Künste in Berlin.
    Der chinesische Künstler Ai Weiwei bei einer Pressekonferenz anlässlich seiner Vorstellung als Gastprofessor an der Universität der Künste in Berlin. (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Viele sind an diesem Abend neugierig auf den chinesischen Künstler, aber auch auf den politischen Aktivisten. Letztere werden dann aber doch enttäuscht. Gleich zu Beginn der Veranstaltung stellt der Präsident der Universität der Künste, Martin Rennert klar: Das Thema Menschenrechte stehe nicht auf Ai Weiweis Lehrplan. Der Titel der Veranstaltung heißt ja auch: Kunst lehren. Eine Antwort Ai Weiweis darauf sei auch der Grund gewesen, warum die Universität ihn Monate vor seiner Inhaftierung als Gastprofessor angefragt hatte. Es sei kein Coup gewesen, betont Rennert, sondern der Wunsch nach Weiterentwicklung.
    "Wenn ich diese Biografie von Ai Weiwei in dem Kontext, in den Formaten und auch in den Disziplinen, den verschiedenen betrachte, dann sehe ich etwas, was wirklich in der Kunst notwendig ist. Nämlich die Frage: Was kann denn eine Disziplin von der anderen übernehmen, begreifen, lernen? Eine künstlerische Hochschule wie wir, die muss nicht nur Kunst lehren, die muss auch Kunst entwickeln."
    Darum sitzen auf dem Podium an diesem Abend neben Ai Weiwei auch vier Professoren, die aus ganz unterschiedlichen Disziplinen stammen. Sie stellen ihm Fragen, konfrontieren ihn mit Objekten, die in seinem Leben einmal eine Rolle gespielt haben. Der Künstler nimmt es gelassen, auch wenn diese Vorstellung manchmal peinlich wirkt. Dann lehnt sich der 58-Jährige in seinen Stuhl zurück und überlegt erst einmal ausgiebig. Zum Beispiel bei der Frage, wie er sich die Arbeit mit seinen 16 Studierenden in den kommenden drei Jahren vorstelle.
    "Ich mag ja die öffentliche Herausforderung hier vor diesem Publikum, aber ich kann noch nicht genau sagen, wohin meine Reise mit den Studierenden geht. Das ist, als wenn man ein Haus baut. Man benutzt Backsteine, Beton, Lehm, ganz unterschiedliche Zutaten. Und jeder der Studierenden hat einen ganz anderen Hintergrund. Ich muss sie also erst einmal kennenlernen, um dann zu sehen, was ich aus ihnen herauskitzeln werde."
    Erinnerungen an den Vater
    Trotzdem ist der Abend nicht langweilig. Denn Ai Weiwei gibt Einblicke in sein Künstler-, aber auch in sein Privatleben. Der Ziegelstein, der vor ihm auf dem Tisch liegt, erinnere ihn an seinen Vater, erzählt er. Der bekannte Dichter und Intellektuelle lebte während der Kulturrevolution in der Verbannung, musste für seinen Lebensunterhalt Ziegel brennen. Die Zuhörer erfahren, dass Ai Weiwei fast seine gesamten Gemälde aus den 80er-Jahren zerstört hat, weil er sie künstlerisch so schlecht fand. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Konzeptkunst, mit der er bekanntlich mehr Erfolg hatte. Aber wer es als junger Kunststudierender nur auf den Erfolg abgesehen hat, den hat Ai Weiwei gleich von seiner Bewerberliste gestrichen.
    "Ich denke, Kunst hat nichts mit Erfolg zu tun. Das ist eigentlich eine Schande, wenn man als Künstler nur über seinen Erfolg nachdenkt. Deswegen sitze ich jetzt auch so beschämt vor ihnen. Bei Kunst geht es um den Inhalt, um eine tiefere Bedeutung, um unseren Geist, wie wir uns verhalten, wie wir uns definieren als Menschen."
    Bei den meisten Studierenden scheint das gut anzukommen. Niemand richtet am Ende die Frage an ihn, ob er mit seiner Kunst auch künftig die chinesische Regierung kritisiere. Auch nicht Sabine Kelka, die es von 100 Bewerbern in seine Klasse geschafft hat. Ab Mitte November wird sie von und mit Ai Weiwei lernen, was es heißt, Kunst zu lehren und zu produzieren. Die Künstlerin studiert Visuelle Kommunikation und wollte gerne an einem interdisziplinären Projekt teilnehmen. Mit einem Künstler wie Ai Weiwei wird sie in den kommenden drei Jahren sicherlich auf ihre Kosten kommen.
    "Ich sehe das Ganze so ein bisschen als Experiment, ich werde jetzt zusammengewürfelt mit komplett fremden Leuten, wir wissen noch alle nicht so was passiert. Wir werden an einem Projekt zusammenarbeiten, aber es steht noch ein bisschen offen, wo das Ganze enden wird."