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Ai Weiweis Architektur-Comeback

Die Eröffnung des Sommer Pavillons der Londoner Serpentine Gallery gilt stets als Höhepunkt im Londoner Kulturkalender. Nach Architekturberühmtheiten wie Rem Kolhaas und Peter Zumthor haben in diesem Jahr der chinesische Künstler Ai Weiwei und das Designerpaar Herzog und de Meuron einen Pavillon entworfen.

Von Louise Brown | 01.06.2012
    Ein flacher Bau mit, zumindest auf den ersten Blick, schwarzem Dach:

    "Es ist interessant, wenn man den Pavillon von außen sieht, dann denkt man es ist sehr düster, aber wenn man drinnen sitzt, wie wir es tun, dann ist es überhaupt nicht düster, es ist völlig genügend Licht da."

    sagt Hans-Ulrich Obrist, Co-Direktor der "Serpentine Gallery".

    Der diesjährige Sommer-Pavillon wirkt dunkler und zurückhaltender
    als die oft bunten und schrägen Entwürfe der vergangenen Jahre. Aber es gibt noch einen Unterschied zu den elf Vorgängern: Zum ersten Mal hat ein Architekten-Team einen Künstler den Entwurf prägen lassen.

    Eigentlich wollte Ai Weiwei nach seinem Mitwirken an dem olympischen Stadion in Peking 2008 keine architektonischen Projekte mehr annehmen, aber die Zusammenarbeit mit Herzog und de Meuron hat ihn wohl überzeugt, so Hans-Ulrich Obrist.

    "Sie kennen sich seit zehn Jahren und sind seither in ganz engem Austausch. Es ist nun das erste Mal, dass sie etwas im Westen realisieren."

    Das kreisförmige Dach des Pavillons besteht aus einem großen, flachen Wasserbecken. Das ebenfalls kreisförmige Areal unter dem Dach wurde bis zum Grundwasser ausgehoben. Wie ein Team von Archäologen ließen die Architekten die Überreste der bisher elf Pavillons frei graben, die zwischen 2000 und 2011 errichtet wurden. Deren unterschiedliche Umrisse ergeben, übereinander gelegt, ein Gewirr sich kreuzender Linien, eine Landschaft aus unterschiedlich großen Flächen und niedrigen Stufen, auf denen die Besucher herumklettern oder ausruhen können.

    Ai Weiwei, der China nicht verlassen darf und per Skype an dem Projekt mitwirkte, erklärte, er wolle die Geschichte der "Serpentine Gallery Pavillons" studieren und ihnen eine neue Bedeutung geben.

    Das Thema des diesjährigen Sommer-Pavillons ist die Vergänglichkeit. Deshalb orientiert sich der Bau nach unten, bis unter die Erde der "Kensington Gardens". Das ist neu, gingen die bisherigen Pavillons eher hoch hinaus – Rem Koolhaus zum Beispiel baute einen Pavillon, der zum großen Teil aus einem Heißluftballon bestand. An Seilen befestigt strebte er geradezu in den Londoner Himmel.

    Ai WeiWeis Pavillon lässt die Besucher innehalten, nachdenken. Trotzdem ist der Sommer-Pavillon ein kurzlebiges Sommer-Häuschen. Kein Widerspruch, mein Hans-Ulrich Obrist:

    "Es gibt viele Aspekte seiner Praxis: Er ist bildender Künstler, Filmemacher, Architekt, Poet, Blogger. Aktivist. Es gibt die verschiedensten Parallelitäten bei ihm gibt. Politisch? - Ich glaube diese Idee der Erinnerung ist ein sehr wichtiges Thema für ihn heute."

    Was die Architektur betrifft, sieht sich Ai als Autodidakt; oder mehr noch als Kurator, der eine richtungsgebende Idee vertritt. Beeinflusst von Architekten wie Shigeru Ban, arbeitet Ai Weiwei gerne mit lokalen Ressourcen und nutzt traditionelle Konstruktionstechniken.

    Das Innere des Pavillons – von Boden über Hocker bis zur Bar– hat er mit Kork verkleiden lassen. Ein staubiges, nach Erde riechendes Material, das in einer dicht gebauten Stadt wie London sehr organisch wirkt.

    "Sowohl Herzog und de Meurons Architektur als auch Ai Weiweis Architektur spricht alle Sinne an. Es geht nicht nur darum, dass man es sieht und berührt, es ist sehr taktil, man fasst es an, man sitzt darauf, man ist immersed, man taucht ein in diese Korklandschaft."

    Vor allem – staubt es. Nach einem Besuch im Pavillon ist alles – Kleidung, Haut, Schuhe - von einem feinen, schwarzen Staub belegt. So ähnlich fühlte sich Ai Weiweis Installation in der "Tate Modern" an, die von den britischen Behörden vorzeitig geschlossen wurde. Sie befürchteten, der Staub könnte die Gesundheit der Besucher schädigen.

    Kein Thema im Summer Pavillon der Serpentine Gallery, sagt deren Co-Direktor Hans-Ulrich Obrist:

    "Alles ist hier absolut reglementiert, wir gehen da sehr präzise vor, das ist sehr konform mit den Health and Safety Regeln in England!"
    Der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei vor seinem Haus in Peking
    Der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei wirkte über das Internet am Entwurf des Pavillons mit. (picture alliance / dpa - Kyodo)