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Akribischer Perfektionist

Er wurde der jüngste Regisseur der Universal-Studios: William Wyler - der kritische Europäer in Hollywood, ein engagierter Geschichtenerzähler und sorgfältiger Handwerker, der stets daran glaubte, dass jede Story ihren eigenen Stil erfordert, und damit drei Regie-Oscars gewann. Seine Darsteller und Mitarbeiter verbuchten insgesamt 38 Oscars. Wyler ist mit der Einfachheit und Klarheit seiner Inszenierungen der Klassiker aus Hollywood.

Von Marli Feldvoß | 27.07.2006
    "Ben Hur" war William Wylers großartigstes und zugleich untypischstes Filmprojekt - im Grunde eine Rettungsaktion für das vor dem Ruin stehende MGM-Studio. Das gelang mit dem soliden Handwerker Wyler, der für das Super-Spektakel 50.000 Komparsen, 40.000 Tonnen Mittelmeersand, fünf Jahre Vorbereitungs- und zwei Jahre Drehzeit verbrauchte. Er erntete dafür 11 Oscars, darunter den dritten Regie-Oscar seiner Karriere.

    Wyler hatte eigentlich ein Händchen für Liebeskomödien und Melodramen, auch für Western und Krimis. Er galt als "Regisseur ohne eigene Handschrift", trotzdem war ein Billy Wilder stolz darauf, gelegentlich mit Willi Wyler verwechselt zu werden. Warum? Das lässt sich am besten an Wylers Meisterwerk wie "The Best Years of Our Lives" aus dem Jahre 1946 beweisen, seinem persönlichsten Film.

    Keiner traf so wie Wyler - selbst Kriegsheimkehrer - den Ton der Desillusionierung, die Erfahrungen der Zurückgekehrten in einer verständnislosen Gesellschaft. Filmausschnitt aus dem Film "Die besten Jahre meines Lebens":

    "Was haben Sie denn für praktische Kenntnisse, sonstige Fähigkeiten?"

    "Zwei Jahre hinter der Soda-Fontäne und drei Jahre hinterm Bomber-Visier."

    "Hatten Sie während Ihrer Dienstzeit Gelegenheit, kaufmännische Erfahrungen zu sammeln?"

    "Nein."

    "In der Beschaffung von Vorräten, Materialien?"

    "Nein, damit hatte ich nichts zu tun. Ich hab nur Bomben geworfen."

    "Hatten Sie Untergebene?"

    "Nein."

    "Aber als Offizier hatten Sie doch Leute unter sich, hatten Befehlsgewalt, waren für ihre moralische Haltung verantwortlich?"

    "Nein, ich war nur dafür verantwortlich, dass meine Bomben so gut ins Ziel kamen. Das war meine einzige Beschäftigung."

    Den am 1. Juli 1902 im elsässischen Mühlhausen, als Sohn eines jüdischen Herrenausstatters, geborenen William Wyler zog es schon früh nach Hollywood. Nach einer kaufmännischen Ausbildung folgte er schon mit 18 der Einladung seines Onkels Carl Laemmle, Chef der Universal Studios.

    Dort durchlief er alle Abteilungen der Filmproduktion, fand dann überraschend Geschmack am Regiegeschäft. Seine damalige Spezialität: Stummfilmwestern. Erst in den 30er Jahren - mit Filmen wie "Jezebel", "The Letter" und "The Little Foxes" - alle mit Bette Davis in der Hauptrolle - kam seine große Zeit. Sein Sohn David Wyler erklärt warum:

    "Mein Vater hat das Regieführen zwar beim Drehen von "Western" gelernt. Als angesehener Regisseur suchte er jedoch nach Sujets, die er mochte, mit denen er sich identifizieren konnte. Er wollte keine Filme machen, die er für falsch, für nicht wahrhaftig hielt."

    Wyler wird heute in einem Atemzug mit den großen Realisten John Ford und Orson Welles genannt. Er gilt als Pionier der Tiefenschärfe und fand in Kameramann Gregg Toland einen Gleichgesinnten. Wyler schuf eine illusionäre Raumtiefe, die den Naturalismus des Films unterstrich und das Drama erhöhte, lange bevor Toland und Welles den legendären "Citizen Kane" drehten.

    Er war auch als akribischer Perfektionist und unerbittlicher Tyrann verschrien. Der "Once-More-Wyler" - "Noch-einmal-Wyler" - quälte seine Darsteller mit langen Einstellungen und zahllosen Wiederholungen. William Wyler:

    "Als Regisseur muss man manipulieren, um sein Ziel zu erreichen. Als Regisseur manipulierte mein Vater die Darsteller. Er wusste genau, wie er seine Schauspieler zu Höchstleistungen bringen konnte."

    William Wyler starb am 27. Juli 1981 in Beverly Hills. Sein letzter großer Wurf war 1968 das Remake des Musicals "Funny Girl". Es gelang ihm - wieder mit einem untypischen Sujet - den 15 Jahre zurückliegenden großen Erfolg Audrey Hepburns mit dem Ego einer Barbra Streisand zu übertrumpfen.