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AKW-Rückbau
Abreißen - aber sicher!

Über den Rückbau eines abgeschalteten Atomkraftwerks wird zwischen Kraftwerksbetreibern, Umweltgruppen und Politikern viel diskutiert. Vor allem die Frage, was genau radioaktiver Müll ist und was damit geschehen soll, damit in Zukunft unsere Bratpfanne nicht aus ehemals radioaktivem Material besteht.

Von Anke Petermann | 09.03.2015
    Arbeiter bauen am 14.01.2014 auf dem Gelände des Kernkraftwerks in Mülheim-Kürlich (Rheinland-Pfalz) Wege für den weiteren Rückbau um.
    Rückbau Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich (picture-alliance/ dpa / Thomas Frey)
    Weit fortgeschritten ist der Abriss des Alt-Meilers Mühlheim-Kärlich bei Koblenz. Das Atomkraftwerk lief Ende der Achtzigerjahre für nur dreizehn Monate und musste dann aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden, weil es auf einer Gesteins-Bruchstelle steht. Die Brennelemente wurden 2002 abtransportiert, seit 2004 wird zurückgebaut. 500.000 Tonnen Bauschutt und Metallschrott müssen laut Betreiber RWE weggeschafft werden.
    Nur ein Bruchteil davon, nämlich 1700 Tonnen, seien radioaktiv belastet - in den Augen des Betreibers eine gute Nachricht. Ganz anders wertet das der Bund für Umwelt- und Naturschutz: Radioaktives werde einfach nicht als radioaktiv deklariert, kritisiert Michael Ulrich, Fachreferent Umweltschutz beim BUND Rheinland-Pfalz:
    "Da gibt es diese Freimess-Idee, dass man für bestimmte Stoffe dort Grenzwerte festlegt, misst, wie stark sie verstrahlt sind, alles was darunter liegt, ist kein Atommüll mehr, sondern darf in den normalen Stoffkreislauf zurückgegeben werden. Und da sehen wir sehr große Probleme, dass ein Grenzwert festgelegt wird und Stoffe, die unterhalb des Grenzwertes sind, wo die Radioaktivität eben da ist, aber kleiner ist als ein Grenzwert, freigegeben werden dürfen, in die ganz normalen Deponien, der Stahl wird wieder eingeschmolzen und landet hinterher in meiner Bratpfanne, wenn es dumm läuft."
    Niedrigere Grenzwerte gefordert
    Die Grenzwerte für die Freigabe legte die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 in der Strahlenschutzverordnung fest. Der BUND hält sie anderthalb Jahrzehnte später für nicht haltbar. Werner Neumann, Sprecher des Arbeitskreises Energie beim Bundesverband:
    "Die Risikofaktoren sind höher, bestimmte Reduzierungs- und Rundungsfaktoren sind reine Willkür gewesen, die dort reingesetzt worden sind. Allein damit müsste man die Grenzwerte um mindestens das Zehn- bis Hundertfache absenken."
    Zum Schutz der Bevölkerung fordert genau das der BUND. Aus Sicht der Atomwirtschaft sind schärfere Grenzwerte überflüssig und kostentreibend. Zudem würden sie den Notstand beim Atommüll vergrößern. Denn derzeit muss neben den hoch radioaktiven Brennelementen in Castoren auch der schwach- und mittelradioaktive Müll oberhalb bestimmter Grenzwerte an den Kraftwerksstandorten zwischengelagert werden.
    Wann genau im kommenden Jahrzehnt Schacht Konrad in Niedersachsen als Endlager zur Verfügung steht, ist unklar. Da ist es auch für die Politik eine gute Nachricht, wenn RWE mit Blick auf Biblis davon spricht, dass wohl 95 Prozent des Abrissmaterials nach einer Dekontamination freigegeben werden können.
    Das heißt, der Bauschutt könnte sich später recycelt im Straßenbau, in Gebäuden und auf Sportplätzen wiederfinden. Um Millionen Tonnen Schutt und Schrott geht es dabei insgesamt. Wo was landet, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, moniert Michael Ulrich:
    "Weil diese Sachen ja freigegeben werden aus dem Atomgesetz. Die werden dann einfach in die Kreislaufwirtschaft zurückgegeben, und wo die genau in welcher Menge landen, darüber haben wir keine Kontrolle mehr. Und das gefällt uns nicht, weil die Gesamtbelastung der Bevölkerung erhöht werden wird".
    15 Jahre soll Abriss von Biblis dauern
    Damit steigt das Risiko, aufgrund von Strahlenbelastung an Krebs zu erkranken, bemängelt der BUND. Mitte April wird es wieder heiß hergehen im Bibliser Bürgerhaus. Dann trifft sich das Informationsforum aus lokaler Politik und Umweltgruppen erneut mit der hessischen Umweltministerin und dem Betreiber RWE, um zu besprechen, welche Unterlagen und Messdaten RWE zum geplanten Abriss der stillgelegten Altmeiler A und B öffentlich machen muss und kann.
    Bislang sehen die Umweltgruppen die versprochene Transparenz nicht eingelöst. Fünfzehn Jahre soll der Abriss dauern, auf 1,5 Milliarden Euro werden die Kosten geschätzt.