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"Al-Kaida hat drei solide Finanzbeine"

Für Al-Kaida war es immer wichtig, nicht von dem Vermögen ihres Führers abhängig zu sein, meint der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider. Der Tod von Bin Laden spiele für das Budget keine Rolle, da es genügend Einnahmequellen gebe.

Friedrich Schneider im Gespräch mit Peter Kapern | 03.05.2011
    Peter Kapern: Osama bin Laden war eines von 57 Kindern eines Bauunternehmers, und der war so reich, dass das Vermögen seines Sohnes Osama immer als finanzielles Fundament des Terrornetzwerks El Kaida galt. Stellt sich also die Frage: Steht die Organisation jetzt vor dem Bankrott?
    Beantworten soll sie uns der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider von der Johannes-Kepler-Universität in Linz, der sich seit langem mit den Geldströmen und Finanzierungsquellen islamischer Terrororganisationen befasst. Guten Tag, Herr Schneider!

    Friedrich Schneider: Ja, guten Tag nach Deutschland.

    Kapern: Herr Schneider, wie ist das denn nun? Bin Laden tot, Al-Kaida pleite?

    Schneider: Nein, überhaupt nicht. Al-Kaida hat drei solide Finanzbeine oder unabhängige Finanzierungsquellen. Die erste ist der Drogenhandel aus Afghanistan in Zusammenarbeit mit den Taliban, das 50 Prozent der Einnahmen ausmacht. Dann kommt der illegale Diamantenhandel, Kleinkriminalität, Spenden und Zuwendungen, die die restlichen 50 Prozent ausmachen von einem Jahresbudget von 30 bis 50 Millionen US-Dollar, das Al-Kaida zur Verfügung hat.

    Kapern: Pardon! Millionen oder Milliarden?

    Schneider: Millionen!

    Kapern: Millionen.

    Schneider: Die brauchen ja nicht viel Geld. Ich meine, die Masse des Geldes wird für die Camps ausgegeben in Somalia und im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet und für die Förderung radikaler Koranschulen. Da sind 30 bis 50 Millionen US-Dollar viel Geld. Die Anschläge selber sind ja extrem kostengünstig. Insofern: Der Anschlag 9/11 hat gerade mal 500.000 Dollar gekostet. Also hier ist Geld nicht der wesentliche Faktor. Der Nachschub, die Ideologie, der religiöse Fanatismus sind die treibenden Kräfte. Geld ist genügend vorhanden, auch jetzt nach dem Tod von bin Laden, was die Organisation geschwächt haben mag, aber finanziell hat sie das nur ganz minimal geschwächt.

    Kapern: Also auch, wenn Sie Al-Kaida nun nicht die Pleite vorhersagen, noch mal die Frage: wie wichtig war denn das Vermögen Osama bin Ladens für die Organisation und wie groß war es? Weiß man das eigentlich?

    Schneider: Na ja, was er da nun konkret eingebracht hat, weiß niemand. Er wird sicherlich einige hundert Millionen US-Dollar eingebracht haben. Gerade am Anfang war das sicherlich sehr wichtig beim Aufbau der Organisation. Aber seit Ende der 90er-Jahre, als dann auch Afghanistan zum ersten Mal in die Taliban-Hände fiel, gab es eine sehr intensive Zusammenarbeit und auch ein intensives Geschäft im Drogenhandel und für Al-Kaida war es immer wichtig, nicht von dem Vermögen eines Mannes abhängig zu sein, sondern unabhängige Finanzierungsquellen zu haben.

    Kapern: Sie sagten eben, eine der Hauptquellen sei der Drogenhandel in Afghanistan, der gemeinsam mit den Taliban abgewickelt werde. Warum gelingt es nicht, das zu unterbinden, wenn man das so genau weiß?

    Schneider: Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Afghanistan ist der größte Opiatproduzent heutzutage und sowohl Al-Kaida als auch die Taliban fungieren als Großhändler. Ja, man müsste rigoros gegen den Anbau vorgehen. Möglicherweise aus politischen und anderen Gründen macht man das nicht, weil man keine Einkommenskompensation vielleicht so rasch für die dortigen Bauern hat, die es anbauen, oder es mag andere politische Gründe geben, warum das nicht geschehen ist. Man muss hier sagen, Al-Kaida hat hier wie ein Geschäftsmann agiert und ein gutes Geld damit verdient. Mit gutem Geld meine ich, sie haben viel Geld damit verdient.

    Warum das nicht unterbunden ist, da müssten wir eine Diskussion über die politischen Strukturen in Afghanistan führen. Vielleicht hat man ja auch versucht, Afghanistan am Anfang mit dem Anbau von Drogen zu befrieden. Dann hat man so viel Geld verdient, dass das aufeinander schießen sich nicht mehr lohnte. Also das ist eine komplexe vielschichtige Angelegenheit, die auch in die afghanische Regierung hineinreicht, und insofern ist diese Frage sehr schwer zu beantworten, warum da nichts geschehen ist. Warum geschieht nichts gegen den illegalen Diamantenhandel, könnten Sie genauso fragen.

    Kapern: Das müssen Sie uns noch, Herr Schneider, erklären. Was genau für ein Diamantenhandel ist das da? Ich wusste gar nicht, dass die arabischen Staaten eine so große Rolle im Diamantenhandel spielen.

    Schneider: Na ja, in Afrika, in Westafrika, in Angola, Mosambik, auch in Zentralafrika gibt es etliche illegale Diamantenminen, illegalen Diamantenabbau, und diese illegalen Diamanten werden von Al-Kaida-Funktionären aufgekauft. Die entlohnen die dort in bar, so dass dann die dortigen, die das illegal abbauen, sich Waffen und andere Dinge kaufen können.

    Kapern: Sind das die Diamanten, die früher mal hier als Blutdiamanten verpönt worden waren?

    Schneider: Richtig, richtig. Die werden dann über Indien in die großen Schleifereien eingeschleust und dort geschliffen und "reingewaschen" und kommen dann in den ganz normalen Kreislauf. Da die Nachfrage nach Diamanten sehr groß ist, ist das auch ein extrem einträgliches Geschäft. Diamanten sind klein, fallen in keinem Scanner auf, mit denen können sie sogar fliegen. Also insofern ist das hochattraktiv, auch damit Geld zu verdienen. Das wäre das zweite Standbein.

    Kapern: Friedrich Schneider war das, Wirtschaftswissenschaftler an der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Danke und auf Wiederhören.

    Schneider: Auf Wiederhören!