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Al Pacino in "China Doll" am New Yorker Broadway
90 Minuten Dauertelefonate

Der Autor David Mamet steht eigentlich für scharfe Dialoge, politische Themen, eine kantige Sprache. All das lässt sein aktuelles Stück "China Doll" am New Yorker Broadway allerdings vermissen. Und auch der Protagonist, Hollywood-Star Al Pacino, kann nicht verhindern, dass die Zuschauer bereits nach dem ersten Akt scharenweise den Saal verlassen.

Von Andreas Robertz | 21.11.2015
    Al Pacino im April 2015.
    Al Pacino im April 2015. (dpa / Will Oliver)
    Jeder will immer irgendetwas und solange man weiß was das ist und wie es besorgt werden kann, behält man geschäftlich wie auch politisch die Oberhand. So könnte man die Philosophie des Milliardärs und Lobbyisten Mickey Ross zusammenfassen. Breitbeinig sitzt er alias Al Pacino mit einem Glas Whiskey in der Hand auf seinem Ledersofa, rückt grinsend seine schwarze Krawatte zurecht und antwortet auf die Frage seines jungen Assistenten Carson, was dieses Etwas denn sei, mit einem lang gezogenen "Money".
    Doch er ist alt geworden und will sich zur Ruhe setzen. Sein letztes Geschäft soll der Kauf eines Luxusflugzeugs sein, mit dem er seine junge chinesische Freundin in die Staaten fliegen lassen will. Aber das Flugzeug wird in Kanada festgehalten, weil die amerikanische Finanzbehörde Steuerhinterziehung wittert.
    Mickeys politische Gegner sehen ihre Chance und setzen den Kampf gegen Korruption und Veruntreuung auf die Agenda ihres Präsidentschaftsanwärters, eines Gouverneurs, der noch eine alte Rechnung mit ihm offen hat.
    Schwache Handlung, viel Text
    Und so telefoniert Al Pacino 90 Minuten lang mit seiner Freundin, seinem Anwalt und dem Anwalt des Gouverneurs, droht, schreit, flucht, flirtet, schmeichelt und schachert, während er wie ein eitler Gockel durch sein teures Apartment stolziert. Das ist in den ersten 20 Minuten interessant und spannend, weil er das gut macht und sich so richtig austobt, aber dann stagniert die Handlung, die Sätze wiederholen sich und man verliert das Interesse.
    Am Ende des ersten Aktes ist von Akten die Rede, die den Gouverneur kompromittieren sollen, aber für viele Zuschauer reicht das nicht aus, sie im Theater zu halten, trotz Eintrittspreisen von 120 bis sage und schreibe 480 Dollar.
    Im Vorfeld viel Kritik an Al Pacino
    Im Vorfeld ist viel Kritik an Al Pacino laut geworden: er lese seinen Text von versteckten Telepromptern ab und nuschele. Aber das tut er auch oft in seinen Filmen und der Trick mit den Telepromptern hält ihn nicht davon ab, alles aus dem Text herauszuholen. Nein, das Problem sind Stück und Inszenierung. Regisseurin Pam McKinnon, von der man hört, sie habe sich bereits in der ersten Probenwoche mit Al Pacino überworfen, hat den Schauspieler mit dem Stück völlig alleingelassen, geschweige denn dem schwachen Text eine stimmige Inszenierungsidee entgegengesetzt. Und Autor David Mamet sollte eigentlich wissen, dass 90 Minuten Telefongespräch keinen Theaterabend tragen, es sei denn, man ist lebendig begraben und kämpft um sein Leben, wie in Rodrigo Cortés schweißtreibendem Thriller "Buried".
    Verschobene Premiere
    Die Produzenten von "China Doll" haben guten Grund, die Premiere zu verschieben. Doch ist zu fürchten, dass sie dies aus reiner Geldmacherei getan haben, wie vor drei Jahren, als die schwache Wiederaufnahme von Mamets "Glengary Glen Ross" mit einem falsch besetzten Al Pacino Rekordpreise einfuhr. Damals wurde um die offizielle Presse fernzuhalten die Premiere so lange immer wieder verschoben, bis alle Karten verkauft waren.
    Es ist bitter zu sehen, wie hier nicht nur ein großer Schauspieler verbrannt wird, sondern sich auch ein einst wichtiger Autor sein eigenes Grab schaufelt.
    David Mamet legt nach seinem letzten Stück "The Anarchist", das nach drei Wochen am Broadway abgesetzt wurde, mit "China Doll" bereits zum zweiten Mal in kurzer Zeit einen Text vor, der all das vermissen lässt, was ihn bekannt gemacht hat: scharfe Dialoge, politische Themen, eine kantige Sprache.
    Dabei ist gerade Wahlkampf in den USA und das viel zu lasche Spendengesetz und die Macht der Lobbyisten eigentlich ein gefundenes Fressen für einen bissigen Theatermacher. So ist der Abend ein Debakel mit dem schalen Beigeschmack der Geldmacherei mit der Marke Pacino. Bleibt zu hoffen, dass bis zur Premiere noch einiges an dramaturgischer Arbeit in den Abend fließt.