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Alan Ayckbourns Inszenierung
"Glückliche Zeiten" in Heidelberg

Überall in der Republik wird zurzeit draußen Theater gespielt, oft in idyllischem Ambiente und verbunden meist auch mit ein wenig Ess-Kultur. Zum Beispiel in Heidelberg: Seit Jahren wird im Sommer das Heidelberger Schloss bespielt. Isabel Osthues hat dort jetzt Alan Ayckbourns "Glückliche Zeiten" inszeniert.

Von Christian Gampert | 25.07.2017
    Ein Mann und eine Frau schauen aus der Ferne auf das Heidelberger Schloss.
    Im Heidelberger Schloss findet das Sommertheater statt. (Deutschlandradio / N. Hansen)
    Eigentlich ist es eine gute Idee, sich auf einer Terrasse des Heidelberger Schlosses abends einen Tisch zu bestellen und mal richtig schick essen zu gehen. Vor allem, wenn diese Terrasse von der Ruine eines historischen Turms ummantelt wird, den im 17. Jahrhundert die Franzosen sprengten. Er heißt: dicker Turm, man denke nichts Böses.
    Die Fährnisse des Phallischen werden an diesem Abend allerdings eine gewisse Rolle spielen. Der Bauunternehmer Gerry Stratton führt seine Ehefrau Laura an deren 54. Geburtstag zum Essen aus, begleitet von den beiden erwachsenen Söhnen; der eine hat die bulimische Ehefrau dabei, der andere eine gerade aufgerissene Friseuse. Der Blick ins Tal ist gigantisch: Still ruhet das liebliche Heidelberg unter uns, der Neckar fließt träge vor sich hin, durch die laue Luft dringen die Töne eines Rockkonzerts nach oben. Hinten, am Horizont, dampft auch am Wochenende die Chemie-Industrie, schwarze Wolken hängen wie ein düsterer Vorhang über den Hügeln des Pfälzer Walds, und unten in der Stadt wandeln junge, schöne Menschen.
    Betrug am Ehemann
    Möchte dich, mir zur Lust, Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied - ja, das ist Heidelberg! Das Lied, das der Dramatiker Alan Ayckbourn uns schenkt, ist nicht ganz so heilig, dafür dramaturgisch effektiv und lebensnah. Das Programmheft verwendet große Mühe darauf uns zu erklären, dass Ayckbourn keinesfalls ein "seichter Komödienschreiber" sei; man druckt dann aber vorsichtshalber einen Aufsatz von Peter Zadek aus dem Jahr 1978 nach, der - natürlich - das Boulevardtheater verteidigt.
    Also: Ehefrau Laura hat ihren Baulöwen Gerry in 42 Ehejahren einmal betrogen, und zwar mit dessen Bruder und auf dem Autorücksitz und am hellen Tag auf dem Mitgliederparkplatz eines noblen Klubs, während Gerry sich an der Bar einen kippte. Das wird nun anlässlich des Geburtstags erstmals thematisiert. Gerry verfällt in retrograde Eifersucht und schreit seinen Schmerz theatralisch ins Neckartal hinab, obgleich der Bruder schon seit 20 Jahren tot ist. Toller Einfall. Wenn das nicht Boulevard ist, was dann?
    Ein Sohn steht auf große Oberweite
    Gerrys Söhne tun sich mit dem weiblichen Geschlecht weitaus leichter. Glyn, der ältere, versucht halbherzig, seine kaputte Ehe aufrechtzuerhalten, kann aber keinem Rock widerstehen. Sein Motto lautet: Frauen sind wie die Straßenbahn, in einer Minute kommt die nächste. Das ist schön gesagt, bringt Herrn Ayckbourn aber sicher keine Punkte bei der Frauenbewegung.
    Adam, der jüngere Sohn, steht auf große Oberweite und schleppt eine Friseuse an, bei der zeitweise unklar ist, ob sie nicht doch einem anderen Gewerbe nachgeht. In der Mitte der Bühne - des Esslokals im dicken Turm - hat Regisseurin Isabel Osthues einen stillgelegten Springbrunnen platziert, der immer dann heftig los spritzt, wenn die Rede auf Sexuelles kommt. Das ist also wirklich subtil gemacht, zumal an der Balustrade 99 Luftballons angebracht sind, die nach Vollzug netter Pointen rudelweise in den Abendhimmel entschweben.
    Schöne Umgebung
    Alan Ayckbourns dramaturgischer Haupt-Einfall besteht darin, dass er das Elternpaar am Restauranttisch streiten lässt - während das Liebesleben des einen Sohns zurückgespult und das des anderen in die Zukunft hinein erzählt wird. Besonders spannend ist das nicht. Durch die Szenen huscht auch ein migrierter Kellner, der mal auf effeminierte Schwuchtel, mal auf Aufreißer-Macho macht. Die Friseuse trägt zum Teil horrible Kostüme, und die Männer haben rosa Söckchen und gelbe FDP-Pullöverchen an. Das trägt zur sozialen Grundierung bei.
    Die Schauspieler müssen - schon rein sprachlich - fürchterlich drücken und outrieren, wir sind ja Open Air. Aber das sei ihnen alles nachgesehen - es geht hier um nicht viel. Und Isabel Osthues hat auch schon Inszenierungen gemacht, die nicht so penetrant symbolbeladen waren wie diese. Nein, es war ein schöner Abend oben am Schloss. Hier möchte man wohnen, hier möchte man bleiben, auch ganz ohne Theater. Sagen wir es mit Peter Maffay: Und es war Sommer …