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Alarmübung Noble Jump
Erster echter Test für die NATO-Speerspitze

Auch als Reaktion auf die Ukraine-Krise hat die NATO eine neue schnelle Eingreiftruppe aufgebaut. Jetzt wird getestet, ob wirklich binnen 48 Stunden hunderte Soldaten der Feuerwehreinheit bereit stehen können - denn das ist gar nicht so einfach.

Von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel | 10.04.2015
    Auf einem Feld stehen mehrere Soldaten, darüber fliegt ein Hubschrauber.
    Wie schnell sind sie einsatzbereit? Nato-Soldaten bei einer früheren Übung. (picture alliance / dpa / Marcin Bielecki)
    Es geht gar nicht anders: Ein Soldat der superschnellen NATO-Eingreiftruppe muss praktisch immer auf gepackten Koffern sitzen. Beziehungsweise auf gepacktem Tarn-Rucksack: "Ich habe aufwärmbares Essen dabei: Geschmacksrichtung Hühnchen, Geschmacksrichtung Gulasch", erklärt Soldat Ken. Und fischt zur Anschauung all die Dinge aus seinem Marschgepäck, die er für 48 Stunden zum Überleben braucht: Schlafsack, Isomatte, Kleidung, Proviant: "Ohne Wasser kann man nicht überleben", erklärt Ken. Etwa 10 Liter, abgefüllt in Plastikflaschen, lässt er deshalb für den Einsatz in seinem Rucksack verschwinden. Besteigt ein Soldat der super-schnellen Eingreiftruppe das bereit stehende Militärflugzeug, hat er dank Splitterschutzweste und Helm rund 40 bis 50 Kilogramm auf dem Rücken. Ohne natürlich fürs Übergepäck zahlen zu müssen.
    Die super-schnelle NATO-Truppe - gerade in der Testphase befindlich - muss nun beweisen, dass sie wirklich super-schnell ist. Binnen 48 Stunden sollen im Ernstfall hunderte Soldaten der Feuerwehreinheit bereit stehen, um da hin geflogen zu werden, wo's brennt. Das wird jetzt trainiert: "Wir müssen prüfen, ob jeder medizinisch ok ist, ob die Zähne in Ordnung sind. Dann beginnen wir mit der Einsatzbesprechung: Wir erklären, was die Soldaten zu tun haben. Worin die Bedrohung besteht", erklärt dieser Kompanie-Führer, dessen Einheit sich an der Übung mit dem Namen 'Noble Jump' - übersetzt etwa: 'Galanter Sprung' - beteiligt. Das kann ja nun eigentlich nicht so zeitraubend sein, denkt man sich als Nicht-Militär, seine Truppe per Telefonkette in die Kaserne zu beordern. Sie einzuweisen. Und die ohnehin halb gepackten Rucksäcke füllen und schultern zu lassen.
    Schwere Gewichte an der schnellen Truppe
    "Nehmen wir aber zum Beispiel das Thema Munition. Wenn Sie die auf dem Luftweg transportieren wollen, müssen sie das als gefährliche Luftfracht anmelden", gibt Brigade-General Matthijssen zu bedenken. Die Munition ist nur ein Beispiel dafür, dass es durchaus Dinge gibt, die wie schwere Gewichte an der 'superschnellen' Truppe hängen und diese verlangsamen können. Eine Eingreiftruppe, die sich in Zeitlupe bewegt, kann sich die NATO aber nicht leisten. Eine solche wäre nämlich keine Abschreckung mehr. Was sie ja in erster Linie sein soll: "Gerade wegen ihrer Reaktionszeit ist die Truppe so wirkungsvoll. Wenn wir es mit einem Fall von hybrider Kriegführung zu tun haben..."
    Hier legt der Haupteinsatzplaner der superschnellen Eingreiftruppe, Colonel Lewicki, eine Denkpause ein. Er sagt nicht: 'Eine Art von Kriegführung, wie wir sie gerade vonseiten Russlands in der Ukraine erleben.' Sondern er sagt einfach nur: 'Wo auch immer'. Und fährt dann fort: "Wir müssen dann mit der Reaktion sehr schnell sein. Und wenn wir das sind - vielleicht reicht das dann einfach schon als Abschreckung, um die Bedrohung aufzuhalten."
    Beruhigung der baltischen Staaten
    Das Wort Russland muss gar nicht fallen. Aber natürlich dient die auch 'Speerspitze' genannte Truppe der Beruhigung etwa der baltischen NATO-Staaten. Für den Fall, dass Präsident Putin auf die Idee kommen könnte, auch dort russische Minderheiten retten zu wollen, soll er wissen: Dann bekommt er es mit 28 NATO-Staaten zu tun. Kaum jemand glaubt derzeit ernsthaft, dass er dies tun könnte. Deshalb kann die super-schnelle Eingreiftruppe zunächst auch in Ruhe weiter getestet werden.
    Die Übung im niederländischen Eindhoven endete nämlich am militärischen Flugplatz. Ins Ausland verlegt wird die Truppe erstmalig im Juni.