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Alberne Geheimhaltung?

Peter Danckert (SPD) hatte erheblichen Druck aufbauen müssen, nun durfte er gemeinsam mit Norbert Barthle (CDU) und Katja Dörner (Grüne) gut zwei Stunden in die Zielvereinbarungen blicken. Dörner kann nach Lektüre die Geheimhaltung nicht verstehen. Demnächst soll auch der Sportausschuss Einblick bekommen.

Von Robert Kempe und Daniel Drepper | 26.01.2013
    Am Freitag, dem 14. Dezember, am letztmöglichen Termin im Jahr 2012 durften erstmals Abgeordnete des Bundestags in die unter Verschluss gehaltenen Dokumente blicken. Die überraschende Einsichtnahme geht auf eine Initiative des SPD-Politikers Peter Danckert zurück. Im Haushaltsausschuss ist Danckert Berichterstatter für den Sportetat des Innenministeriums. Ausgelöst durch die Debatten um die Medaillenziele bei den Olympischen Spielen in London, ging Danckert für sein Begehren jetzt unter anderem zum zuständigen Minister.

    ""Also ich habe nochmal die rechtliche Situation analysiert und hab dann mit großem Nachdruck auch unter Hinweis auf eine mögliche Klage meinerseits vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Situation aufmerksam gemacht und auf diese Konfrontation wollte man es offensichtlich nicht anlegen. Also der Nachdruck ist erst in dem Moment entstanden, in dem ich meine rechtliche Position oder so wie ich sie beurteile, deutlich gemacht habe.”"

    Danckert ist in Karlsruhe durch sein Vorgehen gegen das Procedere bei der Euro-Rettung ein alter Bekannter. Unter Aufsicht von BMI-Staatssekretär Christoph Bergner und Sport-Abteilungsleiter Gerhard Böhm konnten neben Danckert auch Norbert Barthle, CDU, und Katja Dörner von den Grünen gut zwei Stunden in die Unterlagen blicken. Notieren oder gar kopieren durften die Abgeordneten nichts. Nach der Einsichtnahme kann die Grünenpolitikerin Katja Dörner die bisherige Geheimhaltung erst recht nicht nachvollziehen.

    ""Insgesamt finde ich, dass es regelrecht ein bisschen albern ist, ein solches Geheimnis um bestimmte Zielvereinbarungen zu machen. Die werden ja behandelt wie ein Staatsgeheimnis an der Stelle und das ist sicherlich nicht gerechtfertigt.”"

    Zusammen mit den Haushaltspolitikern wollte im Dezember auch SPD-Sportsprecher Martin Gerster Einsicht nehmen. Diese sei ihm auch schon mündlich zugesagt worden, so Gerster. Die Vertreter des Innenministeriums überlegten es sich wohl aber vor Ort anders und warfen Gerster wieder hinaus. Der beschwerte sich schriftlich beim Ministerium. Demnächst soll nun auch der Sportausschuss die Zielvereinbarungen sehen dürfen.
    Vor allem Sportpolitiker von SPD und Grünen hatten in den vergangenen Jahren regelmäßig gefordert, die Zielvereinbarungen transparent zu machen.

    Dass jetzt nicht die Fachpolitiker, sondern die Berichterstatter des Haushaltsausschusses Einsicht bekamen, macht deutlich wie niedrig offenbar der Stellenwert des Sportausschusses im BMI ist. Einen offiziellen Antrag auf Einsichtnahme hatten die Sportpolitiker offenbar nie gestellt. Denn das Innenministerium teilte dem Deutschlandfunk schriftlich mit:

    ""Ein formeller Antrag auf Einsichtnahme in die Zielvereinbarungen ist erstmals vom Abgeordneten Prof. Dr. Danckert gestellt worden.”"

    Hat der Sportausschuss all die Jahre nie ernsthaft versucht, an die Dokumente zu kommen? Schon die Medaillenvorgaben für die Olympischen Spiele waren nicht durch die Politiker an die Öffentlichkeit gekommen, sondern erst nach einer Auskunftsklage des Recherche-Ressorts der WAZ. Die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag räumt ein, dass kein Mitglied des Ausschusses je einen formalen Antrag auf Einsicht gestellt habe. Aktuell werden die neuen Zielvereinbarungen für Rio 2016 verhandelt. Auch die müssen jetzt öffentlich werden, fordert Dagmar Freitag.

    ""Natürlich muss die Transparenz grundsätzlich eigentlich weitergehen. Wenn Abgeordnete etwas sehen wollen, was mit ihrer unmittelbaren Arbeit, in diesem Fall mit der Bereitstellung der Haushaltsmittel zu tun hat, muss das möglich sein. Also für mich waren die Argumente in der Vergangenheit nicht überzeugend und deshalb bin ich auch nicht bereit, die für die Zukunft gelten zu lassen.”"

    Bis die Rio-Vereinbarungen unterschrieben sind, dauert es laut DOSB-Generaldirektor Michael Vesper noch etwa bis Ende April. Die Dokumente will der DOSB Vesper zufolge in Zukunft so transparent machen, dass gesonderte Einsichtnahmen durch die Abgeordneten überflüssig werden.
    In den laufenden Verhandlungen mit den Verbänden bespricht der DOSB bereits die mögliche Art und Weise einer Veröffentlichung. Genaueres will der Dachverband nicht mitteilen. So oder so stehen die Zielvereinbarungen derzeit im Fokus: Der Bundesrechnungshof überprüft in diesen Tagen erstmals seit Jahren die Förderung des Spitzensports.