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Albert Roussel
Klavierstücke am Tor zur Neuen Musik

Albert Roussel ist hierzulande wenig bekannt. Er verbindet bei seinen Klavierstücken den Spätimpressionismus mit der Moderne. Jetzt gibt es eine CD mit einigen seiner Werke.

Von Klaus Gehrke | 23.02.2014
    Sie erinnern ein wenig an die Klangwelten von Claude Debussy und Maurice Ravel. Dennoch haben Albert Roussels Klavierwerke eine durchaus eigene Handschrift. Seine Sonatine op. 16 beispielsweise verbindet den Spätimpressionismus mit der Moderne seiner Zeit mit teilweise gewagten Harmonien und schafft damit eine ungewöhnlich spannungsgeladene Klangsprache.
    Entdeckung eines Geheimtipps
    Als einer der führenden Komponisten Frankreichs wurde Albert Roussel zu Lebzeiten in seiner Heimat gefeiert. Während er dort auch nach seinem Tod im August 1937 bekannt geblieben ist, tauchen seine Werke hierzulande dagegen vergleichsweise selten auf den Konzertprogrammen auf. Schuld daran hat nicht zuletzt der vier Jahre jüngere Kollege und Konkurrent Maurice Ravel, der nur vier Monate nach Roussel starb: Seine deutlich sinnlichere Musik zog die deutschen Zuhörer stärker in ihren Bann. Lange Zeit war Roussel eher ein Geheimtipp unter Kennern, mittlerweile erfährt sein umfangreiches Werk ein breiteres Interesse. Gerade an den Klavierkompositionen ist die musikalische Entwicklung Roussels gut zu erkennen. Zu den frühesten Werken, die Jean-Pierre Armengaud auf der CD eingespielt hat, gehört "Conte á la poupée", die "Erzählung einer Puppe" aus dem "Album für kleine und große Kinder" von 1904.
    Schwieriger Weg zum Berufsziel
    Albert Roussel kam auf Umwegen und verhältnismäßig spät zur Musik. 1887 entschied sich der 18-Jährige trotz musikalischer Ambitionen für eine militärische Karriere, besuchte die Pariser Ecole Navale und diente anschließend fünf Jahre lang als Leutnant der französischen Armee unter anderem im Fernen Osten. Erst 1894 gewann sein Drang zur Musik die Oberhand: Er quittierte seinen Dienst und begann ein Musikstudium zunächst bei Eugène Gigout und dann bei Vincent d'Indy. An dessen neu gegründeter Schola Cantorum unterrichtete Roussel ab 1902 als Professor für Kontrapunkt. 1904, zum Zeitpunkt der Entstehung der "Conte á la poupée" hatte der 35-Jährige lediglich ein paar Kammermusikwerke sowie Lieder veröffentlicht und arbeitete an seiner ersten Sinfonie. Vier Jahre später schrieb Roussel eine Bühnenmusik zu dem symbolistischen Schauspiel "Der Sandmann" von Georges Jean-Aubry, die in ihrer Klangsprache bereits über das verehrte Vorbild Debussy hinausgeht. Von den vier Sätzen für kleines Orchester fertigte Roussel auch eine Fassung für Klavier an, die Jean-Pierre Armenaud nun erstmals auf CD eingespielt hat.
    Originale und Bearbeitungen
    Allzu üppig ist dessen Oeuvre für das Instrument nicht ausgefallen: Außer der Sonatine op. 16, der Suite op. 14 sowie drei weiteren kleinen Stückesammlungen hat Roussel nur noch sechs relativ kurze Einzelwerke geschrieben. Damit passt es eigentlich bequem auf eineinhalb CDs. Die vom Label Naxos angekündigte Anthologie ist jedoch doppelt so lang und wird, wie im Falle der jetzt veröffentlichten ersten CD, neben den Originalwerken auch Klavierbearbeitungen zum Teil in Ersteinspielungen enthalten. "Segovia" op. 29 hat Roussel 1925 ursprünglich für Gitarre komponiert. Auf dem Klavier klingt das Stück allerdings genauso gut. Jean-Pierre Armenaud ist der Grande Sénior der französischen Pianistenszene und ein Spezialist für die impressionistische und expressionistische Musik seines Landes. Unter anderem spielte er das komplette Klavierwerk von Claude Debussy, Eric Satie und Francis Poulenc ein und engagiert sich insbesondere für die zeitgenössische Musik. Seine Interpretation der Klavierstücke von Roussel überzeugt sowohl mit guter Technik als auch transparentem Spiel.
    Bereicherung des Repertoires
    Wie dicht der Komponist zuweilen an den Toren zur Neuen Musik steht, zeigt beispielsweise das Stück "L'Accueil des muses". Es entstand im September 1920 und war Roussels Beitrag zu "Tombeau de Debussy", einer Sammlung von musikalischen Beiträgen für den zwei Jahre zuvor verstorbenen Komponisten. An ihr wirkten auch Paul Dukas, Bela Bartok, Igor Strawinsky, Manuel de Falla und Maurice Ravel mit. Insgesamt bietet die CD mit ihrer Auswahl an Originalen und Bearbeitungen aus 30 Schaffensjahren eine gute Gelegenheit, den ziemlich unbekannten Klavierkomponisten Roussel etwas genauer kennenzulernen – und ist damit eine durchaus interessante Bereicherung des Repertoires. Darüber hinaus macht sie neugierig auf das, was bereits angekündigt ist: zwei weitere CDs mit Klavierwerken von Albert Roussel.
    CD-Infos:
    Albert Roussel: Klavierwerke
    Jean-Pierre Armengaud, Klavier
    Naxos 8.573093