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Album "City of O."
Stadt des Orion als Inspiration

Pollyester heißt eine mittlerweile vierköpfige Elektro-Pop-Band aus München, die mit ihrem Debut "Earthly Powers" vor vier Jahren für mehr als wohlwollende Anerkennung sorgte. Denn Pollyester versteckten sich nicht hinter Laptops, sondern spielten mit richtigen Instrumenten eine sehr münchenlastige Version von Disco-Pop. Nun erscheint das heiß ersehnte Nachfolgewerk "City of O.".

Von Florian Fricke | 31.01.2015
    Cut Diamond ist das erste Stück auf Pollyesters zweitem Album "City of O.", und sofort ist man gefangen in diesem ultralässigen Groove, der nichts anderes will als einen auf die Tanzfläche zu ziehen – selbst wenn die im Wohnzimmer liegt.
    "Cut Diamond, da geht's um Chemie und Physik, da geht's vor allem darum, dass man Diamanten nur mit Diamanten schneiden kann. Und das jetzt übertragen auf Zwischenmenschlichkeit – jemand, der sehr hart erscheint und so einen Schutzwall um sich herum hat – der kann ja manchmal auch nur mit Leuten, die ähnlich gestrickt sind."
    Kaum zu glauben, dass Polly und Manuel da Coll einst Musik studiert haben, denn ihr Sound klingt so alles andere als verkopft und angestrengt. Pop von der Schulbank, das geht doch eigentlich meistens schief, oder nicht?
    "Die Jahre, als ich studiert habe, war ein ziemlicher Krampf im Kopf, und ich war sehr, sehr froh, wie wenn man sich nach dem Skifahren die Skischuhe wegstülpt und plötzlich so eine Leichtigkeit hat und macht, was man denkt und einem selber Spaß macht."
    "Wenn man das jahrelang übt und studiert wie jetzt einfach so ein Bluesschema, und dass man eigentlich die ganze Zeit sucht nach etwas viel Skurrilerem, aber es nicht rausschafft aus diesem Teufelskreis. Aber davon haben wir uns schon vor längerer Zeit befreit – zum Glück."
    Techno nur mit Bass und Schlagzeug
    Und skurril wurde es. Auf ihrem allerersten Album, das nur in Japan erschienen ist, hatten Pollyester den Anspruch Techno nur mit Bass und Schlagzeug zu spielen. Dann entdeckten sie die lange Discogeschichte Münchens und dockten genau dort an. Ihr deutsches Debütalbum haben sie im ehemaligen Studio von Giorgio Moroder aufgenommen. Moroder, der discolastige Arm der No Wave-Kultur aus New York und futuristischer Space-Pop aus den 70ern: Das sind ungefähr die Koordinaten von Pollyester. Oder pauschal gesagt: weiße Disco-Musik.
    "Klar, James Brown oder so, das lieben wir alle, aber..."
    "Aber von der anderen Seite betrachtet dann Talking Heads, wo es genauso der Fall ist, dass die so super-funky Musik spielen wollen und auch irgendwie machen, aber dann doch ganz anders machen wie James Brown."
    Sternbild des Orion
    Inspiriert ist „City of O." von der Stadt des Orion in der marokkanischen Wüste, ein Architektur-Experiment des Münchner Architekten Hanns-Jörg Voth. Türme, die in traditioneller Lehmbauweise errichtet wurden, bilden das Sternbild des Orion exakt nach.
    "Und die Höhe der Türme entspricht der Leuchtkraft der Sterne. Und man kann dann einmal im Jahr, da steht dieses Sternbild exakt drüber, und man kann von jedem Turm aus über sich den Stern sehen, der da leuchtet. Und mich hat das fasziniert und hab der Polly davon erzählt und deswegen hat sich das bei uns so festgesetzt. Eigentlich so ein Wunschort, wo man gerne mal ein Konzert spielen würde wie „Live in Pompeji", das wär natürlich der Traum. Da sind wir gerade am Schauen."
    Zum Glück ist es dann doch kein Konzeptalbum geworden wie ursprünglich geplant. Denn Pollyester spielen so unglaublich charmante Grooves, da könnte jegliches Konzept schnell einengend wirken. Auch so liefern die Münchner mit "City of O." einen euphorischen Discoabend in einer lauen Sommernacht mit bizarren Gästen wie La Catrina, der mexikanischen Schutzheiligen der Toten.