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Aleppo in Syrien
Wiederaufbau der Trümmerstadt

Das syrische Aleppo und seine Weltkulturerbestätten sind durch den Bürgerkrieg schwer beschädigt. Eine Gruppe deutscher und syrischer Experten plant nun den Wiederaufbau der Stadt - schon jetzt, denn nach einem Friedensschluss könnte es zu spät sein.

Von Werner Bloch | 09.02.2015
    Die größtenteils zerstörte Altstadt von Aleppo nach dem 22. Oktober 2014.
    Die größtenteils zerstörte Altstadt von Aleppo nach dem 22. Oktober 2014. (Uno/Unitar)
    Man hat ihn schon für verrückt erklärt, den Archäologen Mamoun Fansa. Der Berliner Professor stammt aus Aleppo, und manche seiner Professorenkollegen können es einfach nicht verstehen, dass man schon jetzt über den Wiederaufbau Aleppos nachdenken soll, obwohl dort immer noch gekämpft wird. Vorwürfe...
    "...von vielen Kollegen, die gewohnt sind, nur nach Plan zu reagieren. Ich habe aber keinen Plan. Ich habe nur den Wunsch, dass die Altstadt von Aleppo nicht zerstört wird. Da kann ich nicht lange warten und Pläne machen. Ich muss was tun."
    Vor eineinhalb Jahren hatte Fansa mit seinem Buch "Aleppo - Ein Krieg zerstört Weltkulturerbe" Alarm geschlagen und weltweit Aufsehen erregt.
    Die Lage in Aleppo hat sich dramatisch zugespitzt. 80 Prozent der Altstadt liegen in Trümmern, 50 Prozent der Einwohner sind geflohen. Doch die Zerstörungen sind kein zufälliges Produkt des Krieges. Sie wurden von der syrischen Regierung teilweise absichtlich herbeigeführt.
    Bitter ist das auch für die Gruppe deutscher Stadtplaner und Architekten, die bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs an der Zukunft Aleppos gearbeitet haben - 17 Jahre lang, von 1994 bis 2011. Anette Gangler von der Universität Stuttgart:
    "Viele Bauwerke sind zerfallen gewesen. Durch das Bewusstsein dieses kulturellen Erbes hat es angefangen, Investitionen zu geben, vor allem für die Entwicklung des Tourismus. Hier waren Ansätze da, die uns alle bewogen haben, daran zu glauben, dass diese Stadt wieder prosperiert, wieder sehr attraktiv werden kann."
    Ein Irrglaube - jedenfalls bisher. Syriens Regierung führt in Aleppo einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Und, besonders pervers: Sie hat Aleppo bombardiert. Nicht nur, um Rebellen zu treffen. Sondern auch, um sich die Stadt für die Zeit nach dem Krieg genau zurechtzulegen.
    Bisherige Einwohner sollen dauerhaft vertrieben werden
    Hilmar von Lojewski, Beigeordneter des Deutschen Städtetags mit großer Syrienerfahrung:
    "Wir wissen von den Planungen in Damaskus. Dort hat in einzelnen Lagen tatsächlich ein Luftkrieg für die Stadtentwicklung stattgefunden. Die informellen Siedlungen, die ein stetes Ärgernis für das Regime waren, die informellen Siedlungen, diese Stacheln im Fleisch formeller Stadtentwicklung, die hat man jetzt die Chance zu beseitigen, und die Chance wird sich das Regime nicht entgehen lassen, weil aus diesen informellen Siedlungen heraus der Widerstand entstand."
    Schon gibt es in Damaskus ein Ministerium für Wiederaufbau. Doch die bisherigen Einwohner sollen dauerhaft vertrieben werden.
    Einträge im Katasteramt wurden gelöscht, sogar ganze Katasterämter sollen von der Regierung verbrannt worden sein - damit die Hausbesitzer nicht zurückkehren können und Platz für neue Investoren geschaffen wird.
    Diese Taktik dürfte allerdings nicht aufgehen - wegen des deutschen Engagements. Denn die Planer haben das Stadtarchiv und alle Katasterämter digitalisiert. So viel man in Syrien auch davon verbrennen mag - in Stuttgart stehen die Unterlagen zur Verfügung und sind per Computer abrufbar.
    Anette Gangler:
    "Der Stadtgrundriss ist ein historisches Dokument. Deshalb sind die Katasterpläne vom Allerwichtigsten. Diese Katasterpläne wurden alle digitalisiert und sind jetzt die Grundlage, um die Veränderungen fortschreiben zu können in der Stadt."
    Es gehe jetzt darum, alle Hebel auf Stopp zu werfen, sagt Hilmar von Lojewski. Er will ein Moratorium. Unmittelbar nach dem Frieden dürfe nicht gebaut werden - damit keine wild wuchernden Großprojekte realisiert werden, wie das in Beirut geschah.