Dienstag, 16. April 2024

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Alexander Ekamann in Dresden
Überraschender Tanzabend

Die Welt des gebürtigen Schweden Alexander Ekmann ist eine Wunderkammer, in der der Humor aus den Details entsteht. Das zeigt der Choreograph jetzt mit seinem Semperballett-Abend "COW" in Dresden. Das Ensemble tanzt und agiert dabei grandios.

Von Elisabeth Nehring | 13.03.2016
    So furios geht es selten zu auf der Bühne der Semperoper. Ein riesiges Boot mit allerlei seltsamen Gestalten fährt an der Rampe auf und ab. Ein Paar streitet, während das Podest, auf dem sie sitzen, vom wirklich sehr hohen Bühnenhimmel hinabgelassen und wieder komplett hinaufgezogen wird. Ein Mann unter der Dusche schwebt durch die Luft. Und ein anderer rennt ein paar Mal mit derartiger Wucht gegen eine Wand, dass er umkippt – wobei er gottseidank einen Helm auf hat. Auf allen Ebenen – vorne, hinten, oben, unten – spielen sich absurde Miniaturen ab. Die technischen und räumlichen Möglichkeiten des Theaters – samt Drehbühne, Schräge, auf- und abfahrender Podeste sowie die volle Höhe des Bühnenraums – werden an diesem Abend ganz und gar ausgenutzt.
    Elf Teile bietet Choreograph Alexander Ekmann für seinen Semperballett-Abend COW auf: elf Szenerien, die unterschiedlicher nicht sein könnten: von bombastischen Momenten, wenn das Ensemble seine ganze Energie ins Publikum tanzt und schreit über subtile Duette aus der Kiste des klassischen Tanzes bis zu witzigen, selbstreflexiven Szenen und ironischen Kurzfilmen, die Probenausschnitte zeigen. Die Welt des gebürtigen Schweden Ekmann ist eine Wunderkammer, in der der Humor aus den Details entsteht und die Überraschung zum zentralen Konzept wird.
    Nonkonforme künstlerische Herangehensweise
    Die Kuh als Leitmotiv des Tanzabends COW taucht immer wieder auf: als riesiges Plastiktier, das über der Bühnenrampe schwebt und noch öfter in der Gestalt des Tänzers Christian Bauch, der gleich zu Beginn zwar im schwarzen Anzug, aber auf allen Vieren und mit leicht stupidem Blick auf die Bühne kommt und sich als Kuh ausgibt. Auch später wird es noch darum gehen, dass es für einen Tänzer ganz schön schwer ist, sich auf Kuhniveau herab zu begeben. Die Kuh, so hat es Ekmann gesagt, ist die reine Gegenwart, die kein Gestern, Heute oder morgen kennt.
    Aber letztlich steht die Kuh für nichts anderes als die nonkonforme künstlerische Herangehensweise des Choreographen. Denn kaum ein Tier könnte weniger geeignet sein, symbolisch, metaphorisch oder natürlich choreographisch bearbeitet zu werden. Einen kurzen Moment taucht eine Tänzerin mit einem schicken Hirschgeweih auf und gleich erkennt man, dass aus der Bewegungsqualität dieses Tieres etwas ganz anderes zu machen wäre für einen Choreographen. Aber nein, Alexander Ekmann beharrt auf der Kuh als roten Faden und lässt dabei so viele witzige, unerwartete, kontrastreiche Einfälle aufeinander prallen, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt.
    Das Semperballett tanzt und agiert grandios
    Dabei beherrschen er sowie sein fabelhafter Kostümdesigner Henrik Vibskov und der Komponist Mikael Karlsson die Regeln ihrer jeweiligen Künste aus dem Effeff. So gut, dass sie sich um Theaterstandards wie Dramaturgie oder Stringenz nicht scheren müssen. Denn bei aller bilderstürmenden Regellosigkeit ist dieser Abend auf allen künstlerischen Ebenen bis ins Letzte durchkomponiert und formalisiert. Das Semperballett tanzt und agiert grandios. Unschwer ist zu erkennen, dass das Ensemble bereits mit einer ganzen Riege hochkarätiger klassischer und zeitgenössischer Choreographen wie William Forsythe und Ohad Naharin zusammengearbeitet hat. Mit der Einladung Alexander Ekmanns hat sich die Dresdner Truppe nun endgültig in die erste Reihe der Ballettcompanien des Landes katapultiert.