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Algo-Trading und Hochfrequenz-Handel

Der Börsenhandel per Computerprogramm gilt als eine Hauptursache für unkontrollierte Kursausschläge weltweit. Die Europäische Union will den Hochfrequenz-Handel eindämmen. Der Bundesregierung geht das nicht schnell genug. Sie plant einen nationalen Alleingang.

Von Felix Lincke | 29.05.2012
    Börsenhändler werden im Computerhandel zunehmend durch Superformeln überflüssig gemacht. Im Handelssystem der Deutschen Börse stehen sie für mehr als 40 Prozent aller Umsätze. An der Stelle eines Menschen, der vielleicht fünftausend Wertpapieraufträge am Tag erteilen kann, steht ein Algorithmus, eine komplizierte Rechenaufgabe für die Software, die am Tag 50 Millionen Aufträge erteilen kann, in einer Frequenz von wenigen tausendstel Sekunden, - das ist der Hochfrequenzhandel. Was auf den ersten Blick verrückt erscheinen mag, ist dass unterm Strich nicht unbedingt mehr gehandelt wird; denn abertausende dieser Computeraufträge laufen ins Leere, weil sie nicht ausgeführt werden, sie decken nur hypothetische Kursbewegungen ab.

    So erklärt es sich, dass mit diesen voll automatisierten Handelssystemen extreme Abweichungen und Ausschläge möglich sind. Traditionelle Börsenhändler wie Carsten Sommerfeld von Tradegate weisen auf solche Gefahren hin:

    "Natürlich gibt es da immer wieder ein Horrorszenario, wenn so etwas zum Selbstläufer wird, in Extremsituationen, wenn es zu extremen Kursverfällen oder Kurssteigerungen kommt, dann beflügelt oder unterstützen diese Programme diese Kursbewegungen, was dann von den Kursausschlägen immer fataler wird, und die Märkte werden immer volatiler."

    Schwankungsanfällig werden Märkte durch Algorithmen, die auf winzigen Kursausschlägen riesige Auftragsvolumen aufbauen und das in kürzester Zeit. Der sogenannte "Flash Crash" im Mai 2010 an der Wall Street, bei dem der Leitindex Dow Jones binnen Minuten um eintausend Punkte schwankte, wird darauf zurückgeführt. Bei der Krisenbekämpfung steht die Eindämmung des Hochfrequenzhandels seitdem auf der politischen Agenda, ohne dass viel geschehen wäre. Die Deutsche Börse verhängt Bußgelder von bis zu 20.000 Euro im Monat, wenn Händler extrem viele Aufträge nur zum Schein erteilen, oder um den Markt auszuloten.

    Die Eingriffsmöglichkeiten der Börsenbetreiber sind aber gering, weil sie keinen Einblick in die Superformeln haben und nicht wissen können, was sich in den Computern der Auftraggeber abspielt. Diesen Einblick will FDP der Börsenaufsicht nun per Gesetz verschaffen. Eine Abschaltung der Märkte soll immer möglich sein, sobald es gefährlich wird. Die Bundesregierung will das zumindest auf nationaler Ebene erreichen, auch dann wenn andere EU-Länder nicht mitziehen. Bis Ende Juni soll es ein Eckpunktepapier geben und im Herbst einen Gesetzesentwurf, damit es den Börsen leichter fällt, bestimmte Aufträge abzulehnen, die sie heute noch geradezu blind ausführen müssen.

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