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Alle Fischlein wieder da - und was noch?

Der Rhein, eine rot verfärbte Brühe und Zehntausende tote Fische treiben auf dem Wasser. Genau das war vor 25 Jahren schreckliche Wirklichkeit. Damals brannte in Basel eine Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz ab. Was ist draus geworden?

Von Thomas Wagner | 01.11.2011
    Entengeschnatter, glasklares Wasser: Ganz langsam fließt der Rhein am Basler Ufer vorbei, entlang an Sandbänken, die sich wegen des niedrigen Wasserstandes gebildet haben. Das Wasser ist mit 14 Grad ziemlich kühl. Und dennoch steigt ein junges Paar nach einem kurzen Bad aus dem Fluss.

    "Ich bin 23. Und ich kann zu meinem heutigen Verhältnis zum Rhein sagen: Ich wohn da oben. Und ich geh‘ jeden Tag schwimmen. Also ich habe den Rhein nie als Bedrohung erlebt."

    "Ich hab‘ das Gefühl, dass die Leute den Rhein heute als sauber, als gutes Badegewässer sehen. Für mich ist das wirklich eine Schreckensgeschichte. Aber sie liegt schon so lange zurück. Wenn ich im Rhein bade, denke ich nicht mehr daran."

    Die 'Schreckensgeschichte‘ ereignete sich vor genau 25 Jahren: 1350 Tonnen hochgiftiger Chemikalien und Unmengen kontaminierten Löschwassers gelangten nach einem Großbrand in einer Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz in den Rhein. Die Bilder von vielen hunderttausend verendeten Aalen auf dem blutrot eingefärbten Rheinwasser gingen um die Welt. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Der Chemieunfall von einst hat, so Axel Mayer vom BUND Südlicher Oberrhein in Freiburg, den Umwelt- und Gewässerschutz ganz erheblich vorangebracht.

    "Als aus Sicht des Umweltschutzes haben wir viel erreicht. Vor 30, 40 Jahren waren Flüsse wie der Rhein Kloaken. Da konnte man nicht drin baden. Wir hatten Schaumberge drauf, da waren Öllachen drauf. Und gemessen an dieser Vorsituation hat sich natürlich vieles verbessert.""

    Die Katastrophe vor 25 Jahren bedeutete für den Gewässerschutz am Rhein einen gewaltigen Schub: So sind durch restriktivere Vorschriften die Dauereinleitungen für Chemikalien auf ein Zehntel des damaligen Wertes vermindert worden. Grenzüberschreitend verabschiedeten die Anrainerstaaten aufeinander abgestimmte Alarmpläne. Milliarden wurden in den Bau von Kläranlagen investiert. Das alles sei ja schön und gut, so Axel Mayer vom BUND Südlicher Oberrhein. Dennoch beobachtet er mit Sorge den Trend zur Verlagerung der Chemischen Industrie weg vom Oberrhein in Entwicklungsländer - mit schlimmen Konsequenzen für die Umwelt dort.

    "Heute wird eben nicht mehr der Rhein verschmutzt, sondern der Jang-Tse in China, und das ist ein Problem für uns. Das heißt: Wir haben in der Globalisierung unsere Probleme und unsere große Umweltverschmutzung auch teilweise in die Dritte Welt exportiert. Wir erleben im Moment gerade, wie ein großer Schweizer Konzern seine Produktion in die Dritte Welt verlagern will, weil dort die Umweltgesetzgebung nicht so scharf wie bei uns."

    In der globalen Betrachtung sei aber damit für den Umweltschutz nichts gewonnen. Und ganz heftig stößt den Umweltschützern die Haltung der Schweiz zu den aus der Katastrophe verbliebenen Altlasten auf: Ein Teil des Chemiegiftes lief nämlich nicht in den Rhein, sondern versickerte im Boden unterhalb der abgebrannten Lagerhalle. Die Schweizer Umweltbehörde sieht bis zum heutigen Tag keinen Entsorgungs-, sondern allenfalls einen Überwachungsbedarf.

    "Da hat man eine große Betonplatte drübergelegt. Und unter dieser Betonplatte sind immer noch diese ganzen Gifte. Und die sickern nach und nach, stark verdünnt, in den Rhein."

    Was die Schweizer Umweltbehörden allerdings bestreiten. Der Rhein, sagen sie, sei derzeit so sauber wie schon seit 100 Jahren nicht mehr. Erstmals seit Jahrzehnten wurden r kürzlich sogar wieder Lachse gesichtet. Daran, findet BUND-Funktionär Axel Mayer, habe aber auch der grenzüberschreitende Natur- und Umweltschutz seinen Anteil.

    "Gerade vor 25 Jahren hat es sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass Umweltbewegungen nicht nur national denken. Hier am Oberrhein haben wir immer trinational gedacht, zusammen mit den Elsässern, zusammen mit den Schweizern. Und jetzt, wo diese Probleme noch weiter expandieren, müssen wir als Umweltschützer global agieren und mit den Umweltschützern und Umweltschützerinnen in China und Indien zusammenarbeiten."