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Allein auf weiter Flur

Es war eine lebhafte Debatte, die am Ende der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB entbrannte. Grund war die Forderung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV, die Anti-Doping-Gesetzgebung zu verschärfen und jeglichen Besitz von Dopingmitteln unter Strafe zu stellen sowie die Einführung einer Kronzeugenregelung im Strafrecht.

Von Robert Kempe | 09.12.2012
    Doch von 459 möglichen Stimmen votierten am Ende nur 25 für den Antrag des Leichtathletik-Verbandes und seines Präsidenten Clemens Prokop.

    "Es hat sich ja gezeigt in den Vorfelddiskussionen, dass hier eine echte Mehrheit unwahrscheinlich sein wird. Ich fand es zunächst einmal wichtig, dass wir diese Frage hier wirklich diskutiert haben. Es ist ja momentan ein aktuelles Problem, weil auch die Bundesregierung sich mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes beschäftigt. Natürlich halte ich es für erforderlich, dass wir endlich weiterkommen, dass wir den Weg im Kampf gegen Doping weitergehen als wir sind. Da wäre nach unserer Überzeugung unser Antrag ein Riesenschritt gewesen. Leider war die Mehrheit nicht dieser Auffassung."

    Mit neun Enthaltungen setzte sich am Ende der Antrag des DOSB-Präsidiums durch. Diesen brachte die Verbandsspitze am Donnerstag kurzfristig ein. Darin forderte man die Verbesserungsvorschläge des kürzlich vorgestellten Prüfberichts der Bundesregierung zum Wirken der gegenwärtigen Gesetzgebung in der Dopingbekämpfung umzusetzen. Der Bund hatte bereits Ende Oktober angekündigt dies tun zu wollen.

    Auf den Spitzensport geht der Prüfbericht jedoch kaum ein. Der Gesetzgeber habe gerade dort große Lücken hinterlassen, begründete Katja Mühlbauer den Antrag des DLV auf der Mitgliederversammlung. Mühlbauer hat Erfahrungen in der Praxis. Drei Jahre war sie die treibende Kraft bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping in München. Im Leichtathletikverband ist sie Mitglied der Anti-Doping-Kommission.

    "Wir müssen wie im Betäubungsmittelrecht auch im Gesamtkontext gegen alle an diesen Dopingmittelgeschäften, an diesen Dopingtaten beteiligten Personen vorgehen. Wir müssen gegen die Händler vorgehen, gegen die Zwischenhändler, gegen die Kuriere, die Untergrundlaborbetreiber, aber eben auch gegen die Abnehmer - die Basis, die letztendlich ja auch der Grund für die Nachfrage ist. Wie soll den ein Staatsanwalt die Namen der Hintermänner aufdecken, die Vertriebswege aufdecken, die Netzwerke zerschlagen, wenn ihm schon ganz unten in dieser Pyramide die Hände gebunden sind."

    Der DOSB war in den letzten Tagen intensiv damit beschäftigt die Delegierten hinter seinem Antrag zu versammeln. Man befürchte durch die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit die eigene Souveränität zu verlieren, meint die Vizepräsidentin für Leistungssport, Christa Thiel.

    "Wir sind dagegen, dass Mittel, die sich über lange Zeit schon bewährt haben, entschärft werden, ja vielleicht sogar ganz aufgehoben werden oder in sich zusammenfallen. Wir haben beste Ergebnisse mit der Sperrung von Athleten, wir haben ein schnelles System mit der Sperrung der Athleten."

    Als Beispiel zieht der DOSB den Fall Lance Armstrong hinzu. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur habe aus den staatlichen Ermittlungsakten kein Blatt Papier bekommen, so Thiel in ihrer Rede. In seinem Antrag schreibt der DOSB, dass die Staatsanwaltschaft zwei Jahre benötigte um das Verfahren gegen Armstrong ergebnislos einzustellen und die USADA es anschließend schaffte, Armstrong in 47 Tagen zu überführen.

    Dass die Staatsanwaltschaft aber nicht wegen Dopings gegen Armstrong ermittelte, sondern wegen des Verdachts auf Betrug, erwähnt der DOSB nicht. Ebenso nicht, dass USADA-Chef Travis Tygart Kontakt zu den Ermittlern hatte und gut informiert über deren Vorgehen war.
    Hierzulande ist der Draht zwischen Staat und Anti-Doping-Kämpfern bei weitem nicht so gut. Bei einer verschärften Gesetzeslage befürchten die deutschen Sportfunktionäre mögliche Schadensersatzforderungen von Athleten. Wenn diese etwa vom Sport gesperrt, aber vor einem staatlichen Gericht freigesprochen werden würden. Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turnerbundes.

    "Ich empfehle dann ganz ganz dringend, den Antrag abzulehnen des DLV. Weil ich die Risiken für unglaublich hoch einschätze unser eigenes effektives System in Frage zu stellen."

    Clemens Prokop, Präsident des DLV, teilt solche Bedenken nicht.

    "Wir haben momentan bereits eine Besitzstrafbarkeit allerdings beschränkt auf eine sogenannte nicht geringe Menge und bei dieser Besitzstrafbarkeit, die existiert, gibt es kein Problem zwischen der Sportgerichtsbarkeit und den parallel und ergänzend laufenden Strafverfahren. Ich sage jetzt einmal plastisch und an einem Beispiel ausgedrückt: Wenn ein Athlet vier Tabletten momentan besitzt, dann wird er sportgerichtlich zwei Jahre gesperrt und daneben läuft das Strafverfahren. Wird allgemein als völlig unproblematisch angesehen. Und dann kann ich nicht nachvollziehen, dass dieses Problem plötzlich entstehen sollte, wenn dieser Athlet statt vier Tabletten nur zwei Tabletten besitzt."

    Prokop ist nun neugierig, wie das Thema im DOSB weiter verfolgt wird. Der DLV will an seinen Forderungen festhalten. Man werde, so Prokop, nicht darauf warten bis andere Verbände die Initiative ergreifen.