Donnerstag, 28. März 2024

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Alleinerziehend
Hohes Armutsrisiko und oft allein gelassen

Oft sind es Ereignisse wie eine Scheidung, die die frühere Lebensplanung über den Haufen und viele Betroffene komplett aus der Bahn werfen. Für den, der sich dann alleine um ein Kind kümmern muss, endet der Weg schnell in Hartz IV. Dann heißt es: viel planen und nach Schnäppchen suchen, um über die Runden zu kommen.

Von Verena Kemna | 06.07.2016
    Eine Mutter mit ihrem Kind
    Alleinerziehende sind besonders von Armut gefährdet. (imago stock&people)
    Lidija Mitrovska lebt alleine mit ihrem zehnjährigen Sohn in einer großzügigen Berliner Altbauwohnung. Der Alltag einer alleinerziehenden Mutter gehörte nicht zu ihrer Lebensplanung. Doch schon wenige Monate nach der Geburt des Sohnes bricht ihre heile Welt zusammen. Mit Anfang 30 sieht sie keinen anderen Ausweg, als sich von ihrem Ehemann zu trennen. Bis dahin ist sie mit ihrer beruflichen Situation mehr als zufrieden. Bis zur Geburt des Kindes arbeitet Lidija Mitrovska als Verwaltungsangestellte bei einem mittelständischen Betrieb. Ihr Vertrag ist unbefristet, das Geld stimmt.
    "Nette Kollegen, gutes Verhältnis zum Chef, gute Voraussetzungen, hat Spaß gemacht."
    Nach der Trennung von ihrem Ehemann ändert sich alles.
    "Ich hätte nie damit gerechnet, dass mein Leben so eine Wendung nehmen würde, auch für meinen Sohn. Ich war unsicher, was ich tun sollte. Ich hatte keinerlei Informationen, weil man vorher nicht mit diesem Thema in Berührung kam. Gerichtstermine, Anwaltsschreiben, ein Riesenwust, dem ich doch alleine gegenüber stand."
    Seit der Scheidung nur noch Teilzeitjobs
    Heute teilt ihr Sohn das Schicksal von über zwei Millionen Kindern in Deutschland. Sie alle wachsen in einer Ein-Eltern-Familie auf, die meisten leben bei der Mutter. Wie etwa eine Million Kinder von Alleinerziehenden lebt auch der Sohn von Lidija Mitrovska von Hartz IV. Seine ehemals gut verdienende Mutter mit Vollzeitbeschäftigung kann seit der Scheidung nur noch Teilzeitjobs annehmen. Auch dieses Schicksal teilt sie mit fast allen alleinerziehenden Müttern. An ihren ersten Gang zum Jobcenter erinnert sich die 42-jährige noch gut:
    "Also, ich hatte kein Geld für die Miete, für Lebensmittel, für Kleidung, für Sachen, die ein Baby braucht, für mich selber."
    Seit der Sohn zwei Jahre alt ist, arbeitet sie in einem Teilzeitjob 30 Stunden pro Woche. Ein Vollzeitjob kommt für die Alleinerziehende nicht in Frage, schließlich muss sie dem Sohn die Familie ersetzen.
    "Ich habe, seit ich alleinerziehend bin, immer Leistungen vom Jobcenter bezogen, immer."
    Weil ihr Einkommen unter dem Existenzminium liegt, werden zusätzliche Leistungen wie Kindergeld nicht voll ausgezahlt, sondern mit anderen Leistungen wie Miete und Unterhalt verrechnet. Lidija Mitrovska weiß, dass es vielen Alleinerziehenden genau so geht wie ihr, sie müssen mit dem Existenzminium auskommen.
    "In meinem Fall erhalte ich nur das Existenzminimum. Würde ich 40 Stunden arbeiten, würden Leistungen wie Kindergeld und Unterhalt, würde ich die noch zu meinem 40 Stundengehalt oben drauf bekommen."
    Unterhalt kommt oft gar nicht oder unregelmäßig
    Auch deshalb ist das Armutsrisiko von Alleinerziehenden nach wie vor hoch, bestätigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Situation sogar noch verschlechtert. Dazu kommt, dass jede zweite alleinerziehende Mutter vom Vater überhaupt keinen Unterhalt für die Kinder bekommt. In jeder vierten Familie zahlen die Väter unregelmäßig oder doch deutlich weniger als den Mindestanspruch, so verhält sich auch der Vater des zehnjährigen Sohnes von Lidija Mitrovska. Für sie bedeutet der Alltag, Sparen und Planen, wo es nur geht:
    "Man sieht sich die Sonderangebote an, kauft die 'ne Nummer größer, dann passen sie nächstes Jahr. Das ist Planung, man guckt immer mal wieder, wo Schnäppchen sind."
    Auch Kino, Restaurant und Theater sind nur selten möglich. Das soziale Leben hat sich geändert, sagt die alleinerziehende Mutter. Und doch bleibt sie optimistisch. In den Sommerferien plant sie mit dem Sohn eine Tour ins Berliner Umland, auch das ist nur möglich mit der Unterstützung eines Vereins. "Wir fahren, wenn alles zustande kommt, ins Berliner Umland in ein kleines Feriendorf."
    Sie hat sich arrangiert, will als Alleinerziehende ihr Bestes geben, für ihren Sohn da sein. Nur gut informiert kann ein Neustart nach einer Scheidung gelingen, davon ist Lidija Mitrovska heute überzeugt. Auch deshalb engagiert sie sich seit ihrem traumatischen Erlebnis im Verband alleinerziehender Mütter und Väter.