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"Alles wäre im Graubereich verschwunden"

Ein Steuerabkommen könne nur zustande kommen, wenn die Schweiz doch noch einem automatischen Informationsaustausch zustimme, sagt der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Er bilanziert, der Ankauf von Dateien mit Steuersünden habe sich gelohnt.

Norbert Walter-Borjans im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 02.11.2013
    Jürgen Zurheide: Das zumindest sind die Wünsche des Schweizer Bundespräsidenten, ob das Realität wird, na ja, da kann und wird man Zweifel haben. Immerhin wird in Deutschland geredet, aber eben auch öffentlich. Und angesichts des Themas ist es vielleicht auch wichtig. Wir wollen jetzt auch reden, und ich begrüße dazu den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der auch in Berlin mit am Verhandlungstisch sitzt. Schönen guten Morgen, Herr Borjans!

    Norbert Walter-Borjans: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Also zunächst einmal: Da wird wieder geredet. Sie gehen jetzt in eine große Koalition, möglicherweise, als SPD, Sie waren, auch Sie ad personam, ganz vehement gegen das erste Abkommen – haben Sie Ihre Vorbehalte jetzt vergessen?

    Walter-Borjans: Nein. Dass das Thema jetzt im Moment in der Öffentlichkeit wieder angesprochen wird, das liegt einfach daran, dass, glaube ich, in einem solchen Zusammenhang alles noch mal wieder auf den Tisch kommt. Ich teile die Skepsis des Bundesfinanzministers, dass nach dem Scheitern des letzten Abkommens da zunächst einmal der Deckel drauf ist. Ich habe nur immer gesagt – und da muss sich nichts ändern –, wir treten ein für den automatischen Informationsaustausch zwischen Banken und Steuerbehörden, so wie er zwischen vielen Ländern normal und üblich ist. Das muss auch mit der Schweiz, es muss mit Luxemburg, mit Österreich, mit allen gelten. Und dem hätte das alte Abkommen absolut entgegengestanden, es hätte genau diesen automatischen Informationsaustausch untergraben. Und dass es eine Diskussion überhaupt gegeben hat jetzt in der Europäischen Union, in der OECD, dass wieder Druck da ist, das liegt vor allem darin, dass dieses Abkommen gescheitert ist. Wenn es zustande gekommen wäre, wäre vieles im Graubereich verschwunden. Und deswegen ist es ganz normal, dass jetzt, wenn wir in den Arbeitsgruppen reden, wir alle diese Dinge aus der Vergangenheit noch mal bereden, und da wird man sehen, was man tun kann. Es kann jedenfalls kein Abkommen geben, das nicht schnurstracks auf den automatischen Informationsaustausch zuführt.

    Zurheide: Machen wir mal noch eben einen Zwischenschritt, bevor wir da noch drüber reden. Wie viel hat Ihnen denn der Ankauf, der umstrittene Ankauf der CDs eigentlich gebracht?

    Walter-Borjans: Also wenn es nur um die Rendite, um das Bringen ginge, dann muss man sagen, das hat sich natürlich gelohnt, weil bundesweit wir über die 600, 700 Millionen an Steuernachzahlungen aufgrund von Daten haben, die sich auf Datenträgern befunden haben. Aber man darf ja nicht vergessen, dass noch zweieinhalb Milliarden an Selbstanzeigen, an Nachzahlungen durch Selbstanzeigen zustande gekommen sind, die ausschließlichen Bezug zu diesem Datenerwerb haben, also ausschließlichen Bezug auch zu Schweizer Banken.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal auf den automatischen Datenaustausch. Das ist, was Sie wollen, was die Amerikaner ja übrigens auch durchgesetzt haben, und in diesem Interview haben wir am Beginn der Sendung mit dem schweizerischen Bundespräsidenten gehört, dass er sagt, ja, die Amerikaner haben das durchgesetzt, sie wären da vielleicht ja auch bereit, wenn denn andere wie Singapur mitmachen. Reicht Ihnen das als Zugeständnis?

    Walter-Borjans: Das ist ja genau der Punkt, der Haken an dem alten Abkommen war, und deswegen haben wir das ja auch unter anderem abgelehnt. In diesem Abkommen wäre festgeschrieben worden die Anonymität, es wäre festgeschrieben worden eine sehr eingeschränkte Möglichkeit der Fahndung, es wäre festgeschrieben worden, dass Datenträger künftig nicht mehr erworben werden können, und gleichzeitig hätten aber die beiden Verhandlungsseiten schon im ersten Artikel festgelegt, dieses Abkommen kommt – so heißt es wörtlich – dem automatischen Informationsaustausch dauerhaft gleich. Darauf hätten andere nur gewartet, um sagen zu können, ja, wenn das der automatische Austausch von Informationen ist, dann können wir gerne alle auf dieser Basis uns einigen, und alles wäre im Graubereich verschwunden. Deswegen war es so wichtig, dass eine solche Formulierung nicht zustande kam. Wir brauchen internationale Regelungen, das ist keine Frage, aber es gibt natürlich auch Verbindungen zwischen Banken und Ländern, die sich einfach schon geografisch näherliegen, und insofern können die natürlich auch eine Menge mehr tun und müssen deswegen nicht nur auf Singapur warten. Aber Sie haben recht, und die Amerikaner arbeiten ja auch in diese Richtung, es geht am Ende um eine internationale Vereinbarung.

    Zurheide: Werden wir denn mit den Schweizern – was ist Ihre Prognose – einen Datenaustausch kriegen, oder brauchen wir als Zwischenstufe da irgendeine Form von Abkommen noch?

    Walter-Borjans: Also ich sehe, dass Bewegung in die Sache geraten ist, auch deshalb, weil der gegenwärtige ungeregelte Zustand, den ich ja nicht als Optimum betrachte, sondern den ich ja auch in eine geordnete Regelung überführen möchte, aber dieser ungeregelte Zustand drückt im Augenblick die Schweizer Finanzindustrie mehr als uns. Und insofern gibt es natürlich ein Interesse der Schweiz, diesen Zustand auch abzustellen. Aber ob dazwischen, auf einer Etappe sozusagen, auch bilaterale Lösungen möglich und nötig sind, das muss man sehen. Das kann hilfreich sein, um den Prozess zu beschleunigen, wenn es aber dazu dient, ihn zu verlangsamen oder sogar zu untergraben, dann bringt das sicher nichts.

    Zurheide: Kommen wir auf einen anderen Punkt, der im Moment in Berlin in der Arbeitsgruppe, der Sie angehören, zum Thema Steuern diskutiert wird. Die SPD – scheint es jedenfalls – ist von der Forderung höherer Steuern abgerückt. Ist das richtig? Und ich höre auch, dass so was wie die kalte Progression abgeschafft werden soll – das war ja eine Forderung der Union. Machen Sie da mit?

    Walter-Borjans: Also zunächst mal arbeiten wir ja in einer Arbeitsgruppe – ich bin nicht in der Verhandlungskommission, sondern wir haben eine Arbeitsgruppe zum Thema Finanzen und Steuern –, und wir wollen da auch jetzt nicht jedes Detail auf dem offenen Markt austragen. Aber es gibt ja eine Reihe auch von öffentlichen Äußerungen …

    Zurheide: Eben.

    Walter-Borjans: … etwa des bayrischen Kollegen Söder. Wir haben immer gesagt, es geht ja nicht darum, Steuern zu erhöhen, weil es Spaß macht, sondern es geht um eine Korrektur in der Besteuerung aus zwei Gründen: Das eine ist eine solide Finanzierung dessen, was vom Staat erwartet wird – Infrastruktur, Bildung, Sicherheit, viele Dinge, die Geld kosten.

    Zurheide: Und da reichen die höheren Steuereinnahmen, die wir im Moment haben, nicht aus?

    Walter-Borjans: Das muss man sehen. Der Bundesfinanzminister sagt ja im Augenblick auch öffentlich, dass er da eine Reihe von Reserven sieht, das muss uns das Bundesfinanzministerium vorrechnen, und dem will ich nicht von vornherein widersprechen, das muss man sich angucken. Ich halte es für zweifelhaft, aber das ist nun mal eine Meinung, die aus meinem Erfahrungshorizont kommt, und wir müssen uns Zahlen ansehen. Aber der zweite Grund war ja eben dann auch, neben der soliden Finanzierung, eine gerechte Verteilung der Lasten. Und wenn man sich anguckt, dass gemessen am Bruttoeinkommen, also nicht der Grenzsteuersatz, was für den nächsten Euro zu zahlen ist, sondern insgesamt von den Höchstverdienenden in Deutschland bezahlt wird, dann führen die nicht mehr als 30 Prozent an das Finanzamt ab. Also all die Zahlen, die wir immer mit Grenzsteuersatz 42, 45 Prozent haben, sind ja nur die Spitze und nicht das, was insgesamt abzuführen ist. Und da haben wir durchaus einen Korrekturbedarf und eine Korrekturmöglichkeit gesehen.

    Wenn die CDU- und CSU-Vertreter jetzt in der Öffentlichkeit von vornherein klarmachen, dass jede Form auch von Abbau von Steuervergünstigungen eine Steuererhöhung ist, dann fällt das meiner Meinung nach sogar ein bisschen zurück hinter dem, was wir gemeinsam mit der Bundesratsmehrheit gegen die Bundesregierung bisher schon durchgesetzt und erreicht haben, auch gemeinsam erreicht haben am Ende. Und da wagen sich ein paar dann sehr hoch in den Baum hinauf, und das macht die Sache natürlich nicht einfacher. Aber am Ende werden diejenigen, wenn es zu einem Kompromiss kommt – und dazu muss es am Ende immer kommen, wenn man sich einigen will –, auch vertreten müssen, warum sie das, was ist, für gerecht halten, und warum sie meinen, dass die Finanzierungsreserven, die da sind, ausreichen. Wir gehen da mit einem gehörigen Maß an Skepsis und Zweifeln hinein, aber dafür sind nun mal Gespräche da, dass man sich darüber unterhält, dass man die Zahlen auf den Tisch legt und zu einer gemeinsamen Bewertung kommt.

    Zurheide: Das war der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans zu Steuern, Steuererhöhungen und dem Disput mit der Schweiz. Danke schön für das Gespräch!

    Walter-Borjans: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.