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Alltägliche Abgründe

Nach "Jeans" feiert nun der zweite Film der Schauspielerin und Regisseurin Nicolette Krebitz Premiere: In "Das Herz ist ein dunkler Wald" erfährt Marie, dass ihr Mann ein Doppelleben führt. Ihr Lebensentwurf bricht zusammen und gibt einer ungewissen Zukunft Raum - ein verstörender, für das deutsche Kino ungewöhnlich radikaler Film.

Von Josef Schnelle | 27.12.2007
    Anfangs eine ganz normale Familie: Schauspieler Thomas ist spät nach Hause gekommen. Er habe die Kinder nicht wecken wollen, sagt er. Fröhlich frühstückt die Familie gemeinsam. Ein Zufall aber führt dazu, dass Ehefrau Marie ihm an diesem Tag hinterherfährt und sein Geheimnis entdeckt.

    So beginnt das ungewöhnlich dichte Melodram, das die Schauspielerin Nicolette Krebitz nach "Jeans” als ihren zweiten Film in Szene gesetzt hat. Eine Beziehungsgeschichte mit dem Traumpaar des deutschen Films Devid Striesow und Nina Hoss und doch mehr – ein deutscher Psycho-Horrorfilm.

    Marie, die betrogene Ehefrau, ist mehr als schockiert, sie ist aus ihrem Leben geworfen, das im edlen Bungalow am Stadtrand mit netten Kindern und wohlhabenden bürgerlicher Existenz so sicher schien. Marie findet eine Einladung zum Maskenball, auf dem Thomas am Abend einen Auftritt haben wird, und sie tritt ein in die Fantasiewelt eines Schlosses, in der sie sich einer Welt stellen muss, die sie bisher nicht kannte.

    Aus der realistischen Beziehungsgeschichte wird eine Paraphrase von Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut” - Im Albtraum-Schloss wandelt Marie ziellos umher und trifft auf die Haushälterin Mietzi, die ihren Mann, den Hausmeister Helmut mit einem anderen Mann zu betrügen scheint. Marie findet heraus, dass ihr Mann ihr schon immer Untreu gewesen ist.

    Andererseits fühlt sie sich von der libertären Gesellschaft angezogen und aufgewühlt. Zwischen Verzweiflung, Lust und Traum trifft Marie eine Entscheidung mit großer Tragweite. Doch zunächst sucht sie Rat bei ihrem Vater.

    Nicolette Krebitz hat einen radikalen, schließlich auch verstörenden Film gedreht. Maries Leben ist nach der Trennung von Thomas ihr nichts mehr Wert. Und auch auf ihre Kinder, die Früchte ihrer Beziehung mag sie sich nicht mehr einlassen. Das Leben, das sie bisher kannte, ist für sie unwiederbringlich an ein Ende gekommen.

    Nina Hoss spielt diese Rolle mit verstörender Konsequenz und die Story treibt auf ein Ende zu, das man nur befürchten kann. Ein harter Film aus dem düsteren Inneren der Konsequenz. Einen derart radikalen Film hat das deutsche Kino lange nicht hervorgebracht. Aber er ist immer glaubwürdig, stets beeindruckend und von großer Eindringlichkeit. Zwischen den Jahren versteckt kann man einen der wirklich großen deutschen Filme des Jahres entdecken und eine Regisseurin von Rang.