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Alltag und Vergnügen in Flandern

Schon zu Lebzeiten war er ein Star und im 18./19. Jahrhundert weckten dann seine Werke alle Begehrlichkeiten der Sammler; heute sind sie unerschwinglich: David Teniers der Jüngere zählt neben den eine Generation älteren Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck und Jacob Jordaens zu den berühmtesten flämischen Malern des 17. Jahrhunderts.

Von Martina Wehlte-Hoeschele | 05.11.2005
    Charakteristisch und vom Publikum seit jeher besonders geschätzt sind seine stimmungsvollen Schilderungen von "Alltag und Vergnügen in Flandern". So lautet auch der Untertitel der ersten monografischen Teniers-Ausstellung in Deutschland. Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe hat sie in der Reihe ihrer zweijährigen großen Sonderausstellungen des Landes Baden-Württemberg eingerichtet. Von heute an sind insgesamt 140 Werke zu bewundern, Leihgaben aus aller Welt (unter anderen aus Dresden, Antwerpen, Chicago, dem Prado in Madrid, dem Metropolitan Museum und der königlichen Sammlung in London).

    Bei den 74 Gemälden und 23 Zeichnungen des Meisters handelt es sich überwiegend um Bauerngenres, durchsetzt mit einigen wenigen Szenen aus dem Leben des Adels und des gehobenen Bürgertums. So findet sich ein "Familienkonzert auf der Terrasse" von 1644/45, das den Maler mit seiner Frau Anna, der Tochter Jan Brueghels des Älteren, und Sohn David zeigt sowie eine "Elegante Gesellschaft" inmitten einer hochherrschaftlichen Gartenarchitektur. Teniers war 1610 in eine traditionsreiche Antwerpener Malerfamilie hineingeboren worden und später durch seine Verbindung mit der Brueghel-Familie, der wiederum Rubens nahe stand, zu beträchtlichem Wohlstand gekommen. Sein gesellschaftlicher Aufstieg erreichte den Höhepunkt, als Erzherzog Leopold Wilhelm ihn 1651 zum Hofmaler ernannte und an den Brüsseler Hof holte.

    Diese Zeit sowie das Spätwerk bis in die zweite Hälfte der siebziger Jahre runden in Karlsruhe den Gesamtüberblick ab; das Schwergewicht aber liegt auf der mittleren Schaffensphase in den vierziger Jahren. Höchst aufschlussreich für die Positionierung Teniers ist freilich der Einstieg mit dem rustikalen Frühwerk, das von sieben Gemälden des derben Adriaen Brouwer, von Pieter Brueghel, Cornelius Saftleven und anderen Zeitgenossen flankiert wird. Niemals wäre für Teniers eine derart brutale Rauferei vorstellbar, wie sie Brouwer in Szene gesetzt hat; oder dessen großartige Affektstudie, die eine Schulteroperation der damaligen Zeit zum Anlass nahm. In dem Kabinett, das diese Kostbarkeiten birgt, wird deutlich, dass Teniers einer derart drastischen Darstellungsweise von Beginn an nicht folgte. Er schuf ein eher verklärendes, idealisierendes Bild vom einfachen bäuerlichen Leben. Und obgleich sein Hauptfach das Genre war, lässt sich an den Interieurs ersehen, dass er auch ein hervorragender Stillebenmaler war, der die Materialität eines Gegenstandes zu einem sinnlichen Erlebnis machte. Ebenso begegnen auf dem Rundgang durch die sieben chronologisch geordneten Ausstellungssektionen Pastoralen und dörfliche Szenen mit einem weiten Hintergrundraum, in dem sich eine atmosphärische Landschaft von höchster Qualität entfaltet. Der Block von Zeichnungen, der Teniers Gemälden aus den Hauptschaffensphasen zwischengeschaltet ist, erweist einen derart schwebenden Strich, dass man hier zu Recht von einer impressionistischen Auffassung sprechen kann.

    Die Karlsruher Kunsthalle, die über einen exquisiten Bestand an niederländischer Kunst des siebzehnten Jahrhunderts verfügt, hat noch aus markgräflicher Zeit mehrere Gemälde von David Teniers dem Jüngeren, darunter auch Großformate, die zu füllen dem Meister keinerlei Schwierigkeiten gemacht hatte. Aus diesem eigenen Besitz heraus wurde die Schau entwickelt.
    Neben dem dreisprachigen Audio guide für Erwachsene gibt es erstmals auch einen Audio guide für Kinder und es gibt für sie im Anschluss an die Gemäldeausstellung einen tollen Erlebnisraum, nämlich die "Kleine Teniers-Welt". Hier ist ein flandrisches Wirtshaus des siebzehnten Jahrhunderts nachgebaut und man kann mittels Kostümen in die Rollen der tanzenden und zechenden Gäste schlüpfen. Dass sonntags Kinderaktionen parallel zu den öffentlichen Führungen stattfinden, ist ein Bonbon an die Eltern und verdient deshalb Erwähnung, weil solche Angebote in deutschen Museen leider viel zu selten sind.

    Highlights des Programms sind die beiden Teniers-Nächte mit Vorträgen und Konzerten am Samstag, den 26. November sowie am 28. Januar. Drei Wochen später, am 19. Februar, endet die Ausstellung.
    Katalogpreis: 28,- €.