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"Alma und das Genie"
Muse, Groupie und Künstlergattin

War sie ein Genie-Groupie oder eine Hochkulturschlampe? Alma Mahler-Werfel war mit Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel verheiratet und hatte Beziehungen mit vielen weiteren Berühmtheiten. Am Anfang des vorigen Jahrhunderts war das noch ein Skandal. Tom van Hasselt und Nini Stadlmann machen sie nun zur Musical-Figur.

Von Oliver Kranz | 02.02.2015
    Alma Mahler-Werfel mit ihrem Ehemann Franz Werfel (undatierte Schwarz-weiß-Aufnahme)
    Alma Mahler-Werfel mit ihrem Ehemann Franz Werfel (undatierte Aufnahme) (dpa/picture alliance)
    Früher hätte man so eine kleine Produktion als musikalisch-literarisches Programm bezeichnet. Doch das klingt für Tom van Hasselt und Nini Stadlmann viel zu unspektakulär. Sie machen Musical - auch wenn auf der Bühne nur eine Sängerin und der Mann am Klavier zu sehen sind...
    "Ich liebte mich mit Gustav, ein Dirigent aus Wien. Wir liebten uns sechs Sommer lang und sieben Sinfonien. Doch liebte der die Sinfonien mehr als mich, wie es schien. Ich fühle mich betrogen, und deshalb betrog ich ihn."
    Sie hat Gustav Mahler mit Walter Gropius betrogen und Walter Gropius mit Oskar Kokoschka. Die Liste ließe sich fortsetzen. Die einen sahen sie als Muse, die anderen als Femme fatale.
    "Ich genieß Genies / vom Kopf bis zu den Füß' / es heißt zwar, ich bin Kunstliebhaber / beim Künstler reizt mich mehr noch aber... weil ich genieß' Genies."
    "Das ist ja eigentlich immer noch so, dass die Künstler heute eine Muse brauchen, um sich zu öffnen, kreativ zu sein. Das war für mich der Ansatz."
    Nini Stadlmann spielt Alma Mahler-Werfel als selbstverliebte Frau von heute. Sie trägt Jeans und hochhackige Schuhe und sitzt entspannt auf einem Barhocker. Tom van Hasselt hat das Stück geschrieben.
    "Sie begegnet einem als Musiker im Musikstudium. Eine Ikone der Überfrau. Der Begriff ist nicht von mir, aber den finde ich spannend."
    Um jeden Preis in Szene setzen
    Denn natürlich hat die Überfrau sehr menschliche Schwächen. Sie ist extrem narzisstisch und liebt es, sich öffentlich in Szene zu setzen.
    "Aktualität hat das Ganze - gerade läuft wieder Dschungelcamp - durch dieses Um-jeden-Preis-berühmt-sein-wollen und etwas gelten wollen. Sie war schon auch eine Celebrity."
    Wer solche Brücken zur Gegenwart braucht, kann sie sich hinzudenken. Doch das ist gar nicht notwendig. Alma Mahler-Werfel ist auch als historische Figur spannend genug. Nini Stadlmann plaudert und singt sich durch ihre Biografie.
    "Walter Gropius, ein preußischer Kleinbürger. Aber kennen Sie das Gropiusstadt? Das hat der gebaut. Also ich finde, das ist echt hässlich geworden."
    Alma Mahler-Werfel liebte Klatsch und Tratsch. Sie entdeckte und förderte junge Talente, aber sagte auch sehr deutlich, wenn ihr etwas nicht passte. Alma wäre gern selbst eine geniale Künstlerin geworden. Doch berühmt wurde sie nur als Künstlergattin. Klimt und Kokoschka haben sie gemalt, Gustav Mahler widmete ihr eine Sinfonie. Franz Werfel lebte mehr als 20 Jahre mit ihr zusammen und nahm sie 1938 mit ins amerikanische Exil. Und das, obwohl sie sich mit zunehmendem Alter immer mehr als Antisemitin entpuppte. War es Neid auf den Erfolg ihres jüdischen Mannes? Das Programm gibt keine Antwort.
    "Manche nennen mich Göttin der Liebe, manche nennen mich Teufelin. Doch bei einem sind alle sich einig - ich bin das schönste Mädchen von Wien."
    Verheiratet mit Gott
    Tom van Hasselt hat für das Stück liebenswert altmodische Musik geschrieben - meist Chansons und schwarzhumorige Lieder im Stil Georg Kreislers.
    "Das ist vielleicht meine Form. In den letzten Tagen ist mir klar geworden, ich kann es höchstens als Konterrevolution verkaufen. Die Chansonform hat ein paar Jahre auf dem Buckel. Moderner wäre Stand Up-Comedy oder im größeren Format reine Konzerte. Wo es mich hinzieht, ist einfach die Geschichte."
    Wobei es in der Geschichte, die Tom van Hasselt über Alma Mahler-Werfel erzählt, schon ziemlich verrückt zugeht. Mitten während der Vorstellung klingelt Almas Mobiltelefon.
    "Hallo?! I kann di net verstehn. Da is ja nur a Rauschn."
    Der Anrufer ist Gott. Alma Mahler-Werfels gegenwärtiger Liebhaber. Schließlich ist sie 50 Jahre tot und demzufolge im Himmel.
    "Es ist die Hölle. 50 Jahre einen Mann. Ich habe ja sofort sein kreatives Potenzial erkannt. Leider hält er sich für allmächtig. Da habe ich ihm erst einmal Nietzsche zum Lesen gegeben. Seitdem hat er Depressionen."
    Doch das wird dem Publikum dieses Abends sicher nicht passieren. In Chansons und Sprechszenen hagelt es Pointen. Und ganz nebenbei lernt man Alma Mahler-Werfel kennen. Eine der faszinierendsten Frauen des vorigen Jahrhunderts.