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Alpenverein fordert Nachhaltigkeit
Natur erleben, begreifen und schützen

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den Bergen deutlich sichtbar. Die Gletscher verlieren zusehends an Masse und Größe. Dessen ungeachtet nimmt die Begeisterung der Sportler für die Alpen weiter zu, die schneesicheren Pisten aber stetig ab. Der Deutsche Alpenverein will nun verstärkt auf nachhaltigen Ski-Tourismus setzen.

Von Thomas Wagner | 12.12.2014
    Alpenblick in der Steiermark
    Manfred Scheuermann, beim Deutschen Alpenverein zuständig für naturverträglichen Wintersport, mit der Neuauflage der Kampagne "Natürlich auf Tour", mit "der ökologisch sensible Abschnitte der Alpen stärker als bisher geschützt werden sollen. (imago / Peter Widmann)
    Manfred Oehmichen ist Bergführer im oberbayerischen Mangfall Gebirge – und gibt sich besorgt:
    "Die Skitourengeher und Schneeschuh-Geher sind bei Weitem mehr geworden. Und die Wildtiere haben in dem Raum im Winter fast keine Überlebenschance mehr. Das heißt: Der Rückgang beispielsweise von Rauhfuß-Hühnern liegt bei, sag ich jetzt mal, 80 Prozent."
    Für den Deutschen Alpenverein ist das Grund genug, "stopp" zu sagen – im wahrsten Sinne des Wortes:
    "Das Stoppschild ist ein gelbes Schild, leuchtend, mit roten Kreisen, es sind die Symbole Skitour Geher und Schneeschuh-Geher in den Kreisen, und es steht Stopp – bitte nicht betreten und nicht befahren!"
    Manfred Scheuermann, beim Deutschen Alpenverein zuständig für naturverträglichen Wintersport, beschreibt damit die Neuauflage der Kampagne "Natürlich auf Tour", mit "der ökologisch sensible Abschnitte der Alpen stärker als bisher geschützt werden sollen: Über Jahre hinweg durchkämmte Experten des Alpenvereins rund 5.000 Quadratkilometer Bergregionen, trugen Abschnitte mit seltenen Tier- und Pflanzenarten, die auf keinen gefall gestört werden sollten, als Verbotszonen in Landkarten ein. Hinzu kommen die auffälligen Stopp-Schilder, die Skitouren- und Schneeschuhgeher davon abhalten sollen, die markierten Regionen überhaupt erst zu betreten. Das funktioniere häufig, aber eben nicht immer, weiß Manfred Scheuermann:
    "Wir haben sehr positive Beispiele, wo wir bis zu 100 Prozent Akzeptanz haben, im Kleinwalsertal, im Nationalpark Berchtesgaden. Aber wir haben auch Brennpunkte wie beispielsweise das Spitzen-Seegebiet, wo die Akzeptanz bei Weitem nicht der Notwendigkeit entspricht, also es gibt da Handlungsbedarf."
    Sensible Öko-Gebiete in den Alpen
    Deshalb hat der Deutsche Alpenverein hunderte weitere Stopp-Schilder bestellt, will zusätzlich mit öffentlichen Aktionstagen auf die sensiblen Öko-Gebiete in den Alpen aufmerksam machen. Dabei setzt der Deutsche Alpenverein statt auf behördliche Verbote auf das Prinzip der Freiwilligkeit.
    "Jetzt haben wir auf Basis der Freiwilligkeit schon sehr viel erreicht. Wenn sich da 90 Prozent daran halten, auf der gesamten Fläche, ist die Natur schon wesentlich entlastet. Da hätte man möglicherweise mit behördlichen Verboten nicht erreicht. Da hätte man Fronten aufgebaut. Und man hätte es nicht überwachen können."
    Immerhin wächst der Druck auf die ökologisch sensible Alpenregion von Jahr zu Jahr: Mitte der 90er Jahre zählte der Alpenverein rund 80.000 Skitourengeher alleine in Bayern in der vergangenen Wintersaison waren es fast vier Mal so viel. Und auch auf den präparierten Pisten wird es zunehmend enger. Dafür sorgen nicht nur die Skifahrer an sich, sondern auch der Klimawandel mit dem damit verbundenen Temperaturanstieg, so Hanspeter Mair, Geschäftsbereichsleiter „Hütten/Naturschutz" beim Deutschen Alpenverein:
    "Mittelfristig gehen wir davon aus, dass nur 50 bis 70 Prozent der bestehenden Skigebiete bestehen bleiben können, unter der Voraussetzung, dass Sie massiv beschneien."...was der Alpenverein ohnehin eher kritisch beurteilt. Weil die klassischen Skigebiete damit buchstäblich dahin schmelzen, will der Alpenverein vor allem kleinere Berggemeinden davon überzeugen, auf alternative, nachhaltigere Wintersportarten zu setzen, so ganz ohne Seilbahn, Schlepplift und Pistenwalze.
    "Wir schlagen vor, dass sich die Gemeinden, die sich jetzt noch auf den 100-Tage-Skizirkus fokussieren, dass sie jetzt neue Angebote entwickeln. Zum Beispiel Thema Gesundheit. Zum Beispiel Winterwandern. Zum Beispiel Schneeschuh-Touren, und die Natur einfach erlebbar machen."
    Ökotourismus gefordert
    Öko-Tourismus im Schnee statt Skizirkus: Genau dafür bekommt der Alpenverein auch Lob vom Naturschutzbund Deutschland. Till-David Schade, Wintersport-Experte beim Nabu-Bundesverband in Berlin:
    "Da gibt es natürlich auch interessante Zertifizierungsmodelle, dass sich ganze Gemeinden zu einem Öko-Dorf zusammensetzen. Und das kann dann letzten Endes auch zu einem Wettbewerbsvorteil führen, wenn ein Dorf, eine Gemeinde, sich eben entschließt, nur nachhaltige Angebote zu machen. Das muss nicht unbedingt von Nachteil sein für die Gemeinden."
    So NABU-Fachmann Schade, der den Alpenverein bei seiner Nachhaltigkeits-Initiative auf einem guten Weg sieht. In verschiedenen Gemeinden bietet der Deutsche Alpenverein zwischenzeitlich in Zeiten des Schneemangels Winterwanderungen zu bestimmten Themen an. Zum Beispiel geht es da um die Entdeckung von Schneekristallen.
    "Wer von uns kann sich Schneekristalle überhaupt noch vorstellen. Das ist das Thema: Natur erleben, begreifen. Dann nur dadurch kann ich die Natur letztendlich schützen."