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Alt, aber leistungsfähig

Ist es wirklich so, dass Ältere weniger leisten als Jüngere? Sind nur Jüngere in der Lage, neue Anwendungen, wie etwa Computerprogramme, zu erlernen? Können 60-Jährige noch am Band arbeiten? Wie kann gesundes Altern im Erwerbsleben unterstützt werden? Das untersucht ein sechs Jahre währendes, bundesweites Forschungsprojekt, koordiniert von Arbeitswissenschaftlern der RWTH Aachen und der Universität Kassel. Heute zogen die Wissenschaftler Halbzeitbilanz.

Von Elke Drewes | 13.08.2008
    Ältere Arbeitnehmer leisten nicht generell weniger als ihre jüngeren Kollegen. Sie haben sogar mehr Erfahrung und bessere Strategien, um Probleme zu lösen. Das haben schon Studien aus Finnland gezeigt.
    Allein wenn es um körperlich anstrengende Arbeit geht, dann sind die Jüngeren leistungsstärker.

    Ein Beispiel ist die Automobilproduktion. Obwohl inzwischen Automaten schwere Motoren, Türen und Sitze heben und einsetzen, bleibt die Automobilmontage am Band sehr anstrengende Arbeit. Im Minutentakt müssen die Arbeiter Airbags montieren und Kabel verlegen. Dann rollt schon der nächste Wagen am Band vor.

    Hinzu kommt: Die Autohersteller verkürzen aktuell die Taktzeiten am Band, um die Produktivität zu erhöhen. Das heißt ein Arbeiter montiert nicht in fünf Minuten Sicherheitsgurte und Airbags, sondern nur noch Airbags und das im Zwei-Minutentakt.

    Prof. Reinhard Nöring leitet die Abteilung Gesundheitswesen im Volkswagenwerk Kassel. Dort werden nur die jüngeren Mitarbeiter bis kapp 40 Jahren in der Automobilmontage eingesetzt.

    "Je kürzer die Taktzeiten, desto schwere für Ältere verträglich. Kaputter, Rücken, kaputte Knie, in der Altersgruppe ab 50 Jahre sind 50 Prozent der Erkrankungen Muskelskeletterkrankungen. Es ist aber nicht nur die Verkürzung der Taktzeit, sondern auch die Bewältigung der Nachtschicht, die im Alter schwieriger wird."

    Ältere Arbeitnehmer arbeiten deshalb in der weniger belastenden Vormontage, setzen also ohne Zeitdruck Schläuche zusammen. Aber diese Arbeiten werden zunehmend in Fremdfirmen ausgelagert. Wie die Belastung in der Automobilmontage so reduziert werden kann, dass auch Ältere die Arbeit bewältigen, das hat Prof. Ekkehart Frieling, Arbeitwissenschaftler der Universität Kassel und bisheriger Projekt-Koordinator, untersucht.

    "Die Älteren Mitarbeiter brauchen mehr Minipausen und Möglichkeiten, die Bewegung zu wechseln. Der Takt sollte sich eher verlangsamen und die Mitarbeiter sollten unterschiedliche Tätigkeiten machen, um zu einem Belastungswechsel zu kommen. Es wird zu einer höheren mentalen Beanspruchung führen, aber das ist ja gut für das Gehirn. Damit die Beschäftigten nicht im höheren Alter völlig mental abbauen."

    Allerdings verlangen Unternehmen eine höhere Produktivität und kürzere Taktzeiten bis hin zu 30 Sekunden am Band.

    "Dahinter steckt die Ideologie die japanischen Produktionssysteme auf Deutschland zu übertragen, aber das ist nicht vergleichbar. Ich weiß, dass in Japan nur weniger Ältere in der Montage arbeiten und dass nur kurze Zeit, während bei uns eine lebenslange Verweildauer geplant ist."

    Ein weiterer Aspekt, den die Arbeitswissenschaftler in dem bundesweiten Projekt erforscht haben, ist die Frage: Wie anpassungsfähig sind ältere Erwerbstätige, wenn es darum geht, neue Technologien zu lernen?

    Studien in Finnland haben gezeigt, dass ältere Arbeitnehmer weniger bereit sind, sich weiter zu bilden als jüngere. Bei den 19- 34 Jährigen sind es knapp 40 Prozent, die sich weiterbilden, bei den 35 bis 49 Jährigen sogar 44 Prozent. Aber bei den 50 bis 64 Jährigen sind nur noch 17 Prozent bereit, sich weiter zu bilden, also noch nicht einmal jeder Fünfte.

    Die Studien haben aber weiterhin gezeigt, dass Ältere beim Lernen neuer Computerprogramme nicht mehr Fehler machen als Jüngere, sondern andere Fehler. Deshalb haben Arbeitswissenschaftler jetzt untersucht, ob
    Computer Software für ältere Arbeitnehmer anders gestaltet werden muss. Prof. Christopher Schlick vom Institut für Arbeitswissenschaften der RWTU Aachen und künftiger Projekt-Koordinator:
    "Das zieht sich durch alle Studien durch, dass eine Schriftgröße, einfache Symbole, die gut im Gedächtnis bleiben, sich positiv auf Ältere auswirkt."

    Außerdem ist eine Schulung mit dem neuen Computerprogramm während der Arbeit sinnvoll.

    "Also dieses eingebettete Training während der Benutzung der Software scheint mir unterrepräsentiert und ich glaube, dass Ältere davon besonders profitieren."

    Eines ist schon länger bekannt und betrifft jüngere und ältere Arbeitnehmer gleichermaßen: Das größtes Lernhindernis ist die Arbeit, bei der es nichts zu lernen gibt. Das heißt die Betriebe sind gefordert, die Arbeitsaufgaben so zu organisieren, dass alle Arbeitnehmer - die älteren und die jüngeren- zum lebenslangen Lernen motiviert werden.

    "Wir haben uns ein bisschen angewöhnt Mitarbeiter ab 45 oder schon ab 40 in die Kategorie alt einzuordnen. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht Blödsinn. Wenn Sie an kognitive Funktionen denken, wie das Gedächtnis oder Schlussfolgerungsfähigkeit, können sie bei entsprechendem Training höchstleistungsfähig bis über 70 bleiben."