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Alt-J
Die Formel für den Meistersong im Pop

Der Erfolg der Band Alt-J zählt zu den großen Überraschungen im Pop-Betrieb der letzten Jahre: Die Briten spielen eine Musik, die zwischen Rock, Folk, Elektronik und R&B gefährlich hin- und her kippt, am Ende den Hörer aber in trauter Melancholie umarmt. Ihr neues Album heißt "This Is All Yours".

Von Frank Sawatzki | 13.09.2014
    Der Sänger der britischen Band Alt-J, Joe Newman, am 21. Juli 2013 bei einem Auftritt auf dem Vieilles Charrues Festival in Carhaix, Frankreich.
    Der Sänger der britischen Band Alt-J, Joe Newman, bei einem Auftritt in Frankreich. (picture alliance / dpa / EPA / Hugo Marie)
    An diesen Gesängen sollst du sie erkennen: Den mehrstimmigen, elegant miteinander verwobenen Melodien und dem Falsett des Vorsängers Joe Newman, das sich wie eine warme Decke über die Musik ausbreitet, die von einem Ort zum anderen zu fließen scheint. Unüberhörbar Alt-J, die Band, die dem lahmenden Britpop viele neue Stimmen schenkte. Fans und Kritiker lagen den Briten zu Füßen, als diese 2012 ihr erstes Album veröffentlichten.
    Das Debüt "An Awesome Wave" wurde zum Millionseller, die Musiker, die sich im Kunststudium in Leeds kennengelernt hatten, avancierten zu Künstlern der Perfektion. Fünf Jahre lang schraubten Sänger Joe Newman, Keyboarder Gus Unger-Hamilton, Drummer Thom Green und Bassist Gwil Sainsbury an ihren Songs, bis sie sich mit ihrer Platte an die Öffentlichkeit wagten. Gus Unger-Hamilton sieht diese Jahre als notwendige Investition.
    "Wo wir heute stehen, hat nicht viel mit Glück zu tun. Wir haben eine lange Zeit sehr hart gearbeitet, bevor wir unter Vertrag genommen wurden. Was nicht heißt, dass das alles nur Arbeit war. Du kannst Songs sehr schnell schreiben. Aber um an diesen Punkt zu kommen, musst du vorher hart arbeiten. Sieh mal, Matisse konnte schöne Frauen mit ein paar Strichen auf Papier bringen, eine schnelle Skizze, absolut verblüffend. Aber vergiss nie die Jahre davor. Harte Arbeit zahlt sich aus."
    Zufall in den Pop-Planspielen
    Solche Sätze könnten in einem Unternehmer-Leitfaden für Ich-AGs stehen. Wo andere junge Bands wieder mit drei Akkorden gegen die Langeweile im Rock aufbegehren, haben Alt-J sich dem verschrieben, was sie am besten können: der minutiösen Ausgestaltung des Schönklangs, der cleveren Komposition. Wenn diese Band etwas sucht, ist es eine Formel für den Meistersong im Pop. Auf ihrem aktuellen zweiten Album kommen die Briten diesem Ziel wieder sehr nahe.
    Ab und an schleicht sich dann doch der Zufall in die Pop-Planspiele von Alt-J. Die neue Single "Hunger Of The Pine" entstand nach einem Remix, den Drummer Thom Green für Miley Cyrus' Song "4 By 4" angefertigt hatte. Die Band hörte den Track immer wieder im Studio und sei gar nicht mehr von dem Cyrus-Song losgekommen, erinnern sich die Musiker. Irgendwann war klar:
    Miley Cyrus' Textzeile "I'm a female rebel" passte wunderbar in den neuen Song, den sie gerade aufnahmen. Jetzt untermalt ein Sample von Cyrus' pathetischem Geschnattere Newmans warmes Grummeln. Und es klingt wie immer bei Alt-J - wie aus einem Guss.
    Geblieben ist die Experimentierfreude
    "Wir respektieren Miley, sie ist korrekt. Sie hat eine unglaubliche Stimme und macht ihre Sache mit Passion. Es hört sich einfach gut an."
    Was sich im eleganten Stilmix der Band bewährt hat, ist 2014 geblieben, eine frisch entdeckte Experimentierfreude kommt in der neuen Songkollektion dazu, erklärt Sänger Joe Newman.
    "Wir fühlten uns angenommen, die Leute haben das Exzentrische in unserer Musik gemocht, das hat uns Mut gemacht, die Dinge, die wir ausprobieren wollen, auch in Angriff zu nehmen. Beim ersten Album haben wir noch das Wasser getestet."
    Heute leisten Alt-J sich ungeahnte Bluesrock-Referenzen, eine Kammermusik mit Xylophon und ein mittelalterlich anmutendes Flötenstück im Zentrum des Albums. Ein Platz für Ruhe und Kontemplation ist in ihrem Pop-Königreich immer vorhanden.
    "This Is All Yours“ erscheint am 19. September.