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Alt sein in Portugal (4/5)
Reiche Rentner in Lissabon

Die ersten zehn Jahre müssen europäische Rentner in Portugal keine Steuern zahlen. Das hat auch den frühpensionierten Zürcher Bankangestellten Christian Häfeli dorthin geführt. Der Großraum Lissabon erlebt zur Zeit einen regelrechten Rentner-Boom.

Von Tilo Wagner | 15.03.2018
    Christian Häfeli hat sich seinen Alterswohnsitz sehr sorgfältig ausgesucht - unter anderem nach Steuergesichtspunkten. Aber auch das Gesundheitssystem, die funktionierenden Behörden und die Klassikszene schätzt er an Lissabon.
    Christian Häfeli hat sich seinen Alterswohnsitz sorgfältig ausgesucht - unter anderem nach Steuergesichtspunkten (Deutschlandradio / Tilo Wagner)
    Ester Magnani steht in der kleinen Küche und versucht vergeblich einen Gasofen in Gang zu bringen. Die Frau mit den kurzen blonden Haaren lebt schon seit über 20 Jahren in Portugal. Vor kurzem hat sie ihren Versicherungsjob an den Nagel gehängt, um den Exilschweizern in Lissabon Schweizer Hausmannskost zu bieten:
    "Heute gibt's den Sonntagsbraten, Schweinsbraten karamellisiert, also glasiert, sagen wir Schweizer, und dazu Pommes Duchesse, das ist Kartoffelstock, so mit diesen Röschen angemacht, und dann gehört die Vorspeise dazu, das ist ein gemischter Salat, auch ziemlich typisch schweizerisch, weil wir essen gerne Salat, und zur Nachspeise und gibt es diese gefüllten Äpfel, die sind gefüllt mit Maisgries, also Mais, milho, ja, und das ist ein altes Rezept, das ich wiedergefunden habe und jetzt mal anbieten will, zu sehen, wie es ankommt."
    Im Gastraum ist eine lange Tafel reserviert: "Stammtisch" steht auf einem Schild mit kleiner Schweizer Flagge. Der Schweizer Club liegt am Westende der Lissabonner Innenstadt in einer umgebauten Garage im Hinterhof eines Altbaus. In dem großen Raum mit frei gelegten Holzbalken unter dem Schrägdach finden abends Kulturveranstaltungen statt. Mittags verwandelt sich der Club in ein Tessiner Restaurant.
    "Stammtisch ist immer am zweiten Donnerstag im Monat, haben wir erst seit Oktober eingeführt, kommt eigentlich gut an, ebnen damit die Leute sich austauschen können, erzählen, Informationen, und sich einfach mal sehen, weil einige kommen auch von ein bisschen weiter her, von Setúbal oder Sesimbra, die kommen ja nicht jede Woche, und so haben sie Gelegenheit, ein bisschen Leute kennenzulernen oder eben ein bisschen eine gute Zeit zu haben. Gibt auch viele in der Nachbarschaft, Franzosen, die auch neu hergekommen sind, pensionierte, die dann eben eher wieder den gemütlichen Teil mögen, eben sich mischen mit anderen Leuten, kennen lernen und so."
    Zum Essen in den Schweizer Club
    Der Stammtisch füllt sich langsam, Senioren sind in der Überzahl: Ein pensionierter französischer Antiquitätenhändler unterhält sich mit seiner Schweizer Frau, ein ehemaliger Unternehmer, der zwischen São Paulo und Lissabon pendelt, erzählt eine Anekdote:
    "Ich war in Brasilien, auf der Schweizer Botschaft, und der Schweizer Botschafter, der meint: 'Woher sind Sie?'. Sag ich: Aus Solothurn. Sagt der: Spielt keine Rolle."
    Ein kleiner Mann mit Lachfalten um die wachen Augen grüßt auf Italienisch und setzt sich an den Tisch. Christian Häfeli ist viel herumgekommen: Er spricht fließend vier Sprachen, hat neben dem Schweizer auch einen französischen Pass, ist in Mailand aufgewachsen, hat in Wien studiert und später in Zürich gearbeitet. Seit eineinhalb Jahren ist er nun Lissabonner, doch zum Essen kommt er gerne in den Schweizer Club:
    "Man kocht sehr gut in den portugiesischen Restaurants, aber letzten Endes sind es immer die gleichen drei oder vier Gerichte, die auf den Tisch gestellt werden. Und hier habe ich einfach die Möglichkeit, meine Gerichte, die ich vorher aß, wiederzubekommen. Das ist der eigentliche Grund, es ist nicht unbedingt, dass ich mich mit den Schweizern auseinandersetzen muss, dann gehe ich lieber zu den Österreichern."
    Als der alleinstehende Bankangestellte vor drei Jahren frühpensioniert wurde, wollte er seinen Lebensabend nicht in Zürich verbringen:
    "An und für sich, um keine Steuern oder wenig Steuern zu zahlen, hat es in Europa fünf Länder: mit null die Republik Tschechien, Ungarn mit null, für alle, also nicht nur die Einwanderer, dann Malta, wobei da muss man 15 Prozent von den Überweisungen an den Staat zahlen, Zypern, und Portugal."
    Lebendige Klassikszene, funktionierende Behörden
    Häfeli schaute sich die Orte, die für ihn als Alterswohnsitz in Frage kamen, ganz genau an. Tschechien und Zypern reizten ihn nicht, Ungarn auch nicht, weil ihm Viktor Órban unsympathisch ist, und Malta war ihm zu klein. Seine Wahl fiel schließlich auf Lissabon.
    "Ich bin sehr positiv eingestellt von Portugal, weil ich wurde vom ersten Tag sehr gut aufgenommen..."
    Insbesondere von der Qualität der medizinischen Versorgung, vom exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis und vielen gut funktionierenden Behörden war Häfeli überrascht. Als Klassikmusikfan kommt er in der portugiesischen Hauptstadt auf seine Kosten. Er mag die Spaziergänge am Strand, wenn ihm auch das Wasser des Atlantiks etwas zu kalt zum Baden ist. Das multikulturelle Portugal, das seine Wurzeln vor allem im afrikanischen Kontinent hat, eröffnet ihm zudem neue Reiseziele:
    "Cabo Verde. São Tomé ist auf der Liste, meine Putzfrau kommt von São Tomé. Vielleicht warum nicht Mosambik und Angola. Es öffnet neue Destinationen, die ich in der Schweiz gar nicht gekannt habe, oder nur vom Atlas her."
    In Lissabon hat sich der Schweizer bereits ein paar Altenheime angeschaut. Doch noch ist nicht wirklich klar, ob er hier überhaupt seinen ganzen Lebensabend verbringen will. Denn nach zehn Jahren in Portugal müsste er an das portugiesische Finanzamt Einkommenssteuern bezahlen. Vielleicht zieht Christian Häfeli dann auf seine alten Tage doch noch Mal nach Ungarn um:
    "Also, ich schalte das nicht aus, denn ich habe Ungarn sehr gerne. Ödenburg ist ja wirklich an der Grenze zu Österreich. Und nachdem ich sehr gute Jahre in Österreich verbracht habe, und auch mit Ungarn, würde ich nicht nein sagen."