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Alte Kader, neue Probleme

Thüringen war mal Leichathletik-Land. Die letzten thüringischen Leichtathletik-Größen waren im Jahr 2000 die Olympiasieger Nils Schumann und Heike Drechsler. Bei dieser WM in Daegu ist erstmals weder ein Athlet, noch eine Athletin aus Thüringen am Start.

Von Thomas Purschke | 01.09.2011
    Etwa 9000 Mitglieder zählt der Thüringer Leichtathletikverband. Sein Präsident, Ralf Hafermann, führt die schwierige Situation auf die allgemeine demografische Entwicklung zurück, zum anderen habe die Vielfalt der um immer weniger Kinder konkurrierenden Sportarten nach dem Fall der Mauer enorm zugenommen. Dennoch gibt es auch Lichtblicke: In diesem Monat wird im Leistungszentrum Jena eine neue Leichtathletik-Halle eingeweiht, die Trainingsbedingungen sollen dann hervorragend werden. Und bei den bevorstehenden Umbauten der Fußball-Stadien in Erfurt und Jena bleibt die Laufbahn erhalten und wird nicht ersatzlos entfernt, wie zuletzt beim Gottfried Daimler-Stadion in der Leichathletik-Stadt Stuttgart.

    Zweifel an der professionellen Verbandsführung sind dennoch angebracht: Beim Thüringer Leichtathletikverband gibt es zwar einen hauptamtlichen Direktor für Leistungssport, aber seit Jahren keinen Geschäftsführer mehr, was ein Unding ist für einen Landesverband, der heutzutage um Nachwuchs und einen geordneten Sportbetrieb bemüht sein muss. Nur so, auf einer attraktiven Landesebene, kann ein Neubeginn zu alter Stärke Erfolg haben, wenn überhaupt. Hinzu kommt, dass in Thüringen, wie vielerorts in Ostdeutschland, DDR-Altlasten im Sport weiter das Sagen haben.

    Etwa der einstige DDR-Weltklasse-Hochspringer Rolf Beilschmidt; er ist Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes und hatte unlängst in einer öffentlichen Veranstaltung in Erfurt das frühere Staatsdoping verharmlost. Beilschmidt räumte ein, er habe früher als Athlet Dopingmittel bewusst eingenommen. Wie anziehend solche Verharmlosungen auf den potentiellen Leichtathletik-Nachwuchs sind, kann man sich vorstellen. Die frühere Jenaer Staffel-Weltrekordlerin Ines Geipel bedauert, dass Thüringen mit seiner belasteten Kaderklientel nicht in der Lage war, trotz vieler Fördergelder neue Strukturen in der Leichtathletik aufzubauen.

    Gleichwohl schaut man in Thüringen mit Interesse nach Daegu. Und hofft auf bessere Zeiten: Ein Riesentalent ist der 21-jährige Sprinter Robert Hering, der es bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin bis in das Halbfinale über 200 Meter schaffte. Er ist derzeit ebenso verletzt wie die Deutsche Meisterin im Dreisprung, Katja Demut aus Jena, die sich für Daegu qualifiziert hatte, tragischerweise aber wenige Tage vor dem Abflug zur WM im Training eine Blessur am Fuß erlitt, sodass die Ärzte ihr ein Startverbot erteilen mussten.