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Altern und schrumpfen

2010 lebten in Nordrhein-Westfalen noch 17,8 Millionen Menschen. 2050, so die Prognose, werden es gut zwei Millionen weniger sein - der Trend gilt für alle Bundesländer. Diesen Veränderungen soll die Demografiestrategie der Bundesregierung Rechnung tragen und Perspektiven aufzeigen.

Von Claudia van Laak / Katharina Hamberger | 23.04.2012
    Weiße Rüschen, Glitzerperlen und Reifröcke – unzählige Brautmodengeschäfte bestimmen das Bild der Weseler Straße in Duisburg-Marxloh. Die Kleider und Schuhe in den Schaufenstern könnten pompöser nicht sein, schlicht sind hier nicht en vogue. Die Weseler Straße ist heute zu einem Duisburger Wahrzeichen geworden. Planungsdezernent Carsten Tum ist sichtlich stolz:

    "Das ist wirklich klasse, da hat man hier für Marxloh etwas gefunden, was einerseits ein neues Image prägt, was aber auch dazu führt, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, was ja ein ganz wesentlicher Aspekt ist und für die Menschen hier vor Ort dann auch ein anderes Erscheinungsbild, weil nichts ist schlimmer für so ein gewachsenes Stadtteilzentrum als leere Schaufenster, womöglich noch mit irgendwelchen Pappen zugeklebt und mit Brettern vernagelt."

    Besonders attraktiv wirkt das Viertel aber trotzdem nicht. Zwar sind entlang der holprigen Kopfsteinpflasterstraße die Brautmodenläden meist in großen, schicken Altbauten untergekommen, dahinter aber, in den Nebenstraßen, sind die Fassaden schlichter – wenn auch nicht heruntergekommen. Die Stadt bemüht sich um den Erhalt der Wohnungen, die noch gebraucht werden.

    Allerdings steht in Marxloh derzeit jede 10. Wohnung leer, in ganz Duisburg sind es insgesamt gut 14.000. Eine Entwicklung, die sich im gesamten Ruhrgebiet noch viele Jahre fortsetzen wird. Einst war die Region Sinnbild für die blühende Industrie in Deutschland – jetzt fehlen Arbeitsplätze und damit ein attraktiver Anreiz für junge Menschen, im Ruhrgebiet zu bleiben oder sich dort niederzulassen. Eine beunruhigende Situation. Martin Brussig, Leiter der Forschungsabteilung Arbeitsmarkt – Integration – Mobilität an der Universität Duisburg-Essen:

    "Das Ruhrgebiet ist eine Region, in der die Hochqualifizierten tendenziell abwandern und es ist eine Region, die an Bevölkerung verliert."

    Das Ruhrgebiet, so meint Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, sei ein Seismograf für ganz Nordrhein-Westfalen. 2010 lebten in dem Bundesland noch 17,8 Millionen Menschen. 2050, so die Prognose, werden es gut zwei Millionen weniger sein.

    Von ihrem Büro aus kann die Gesundheitsministerin sehen, wie der Rhein durch Düsseldorf fließt. Sie deutet auf die Häuser in Ufernähe – mit Flussblick und nicht gerade billig. Es müssten Voraussetzungen geschaffen werden, sagt sie, damit am Ende nicht nur die in diesen Wohnungen Lebenden, sondern auch die in Duisburg-Marxloh den demografischen Wandel gut überstehen.

    Für eine gerechte Gesellschaft sei der Bund gefragt, der müsse eine Basis, zum Beispiel bei der Pflegeversicherung schaffen, aber die Bundesländer bräuchten überzeugende Konzepte vor Ort. Für Barbara Steffens heißt eine Lösung: Quartiersmanagement.

    Quartiersmanager analysieren die Situation vor Ort, nehmen die Bewohner mit ins Boot, wenn es um die Lösung der Probleme geht, die durch den demografischen Wandel entstehen. Ein Quartiersmanager prüft zum Beispiel:

    "Wo kann man eine solche Anlaufstelle schaffen, von wo aus dann zum Beispiel ein Pflegedienst Notbetreuung in den Nachtstunden macht oder wo eine Anlaufstelle sein kann, wo Menschen hinkommen und fragen können, wo finde ich welche Unterstützung."

    Das Konzept Quartiersmanagment würde die Grünen-Politikerin Steffens gerne weiterentwickeln – wenn sie denn die Möglichkeit dazu bekommt. In Nordrhein-Westfalen stehen Landtagswahlen an – und der demografische Wandel ist zu einem Wahlkampfthema geworden, das die Opposition gerne aufgreift. Armin Laschet von der CDU könnte nach einem Wahlerfolg seiner Partei Innenminister werden. Ihm geht das Konzept aus dem grün-geführten Gesundheitsministerium nicht weit genug:

    "Man muss bei jeder Entscheidung, die man fällt, sehen, was hat das für Auswirkungen in zehn, fünfzehn Jahren. Wenn wir jetzt in großem Umfang Kindertagesstätten für unter Dreijährige bauen, eine Riesenkraftanstrengung, wissen wir, in ein paar Jahren stehen die vielleicht leer, weil so viele U3-Kinder nicht mehr da sind. Kann man nicht, wenn man so etwas plant, schon drauf achten, ist es vielleicht danach für ältere Menschen brauchbar?"

    Der CDU-Politiker Laschet fordert das ein, was Bevölkerungswissenschaftler schon lange postulieren: Alle Gesetze und Verordnungen müssen demografiefest gemacht werden. Deutschlands Bauvorschriften sind für ein wachsendes, prosperierendes Land gemacht – passen sie zu einer langfristig schrumpfenden Gesellschaft? Regionen wie die brandenburgisch-sächsische Lausitz, in denen es immer weniger Menschen, aber immer mehr Wölfe gibt – werden sie irgendwann von der Politik aufgegeben? Die Zahl der Singlehaushalte wächst rasant, wie können diese allein Lebenden im Alter adäquat gepflegt und versorgt werden?

    Am Mittwoch verabschiedet die Bundesregierung ihre Demografiestrategie, die Antworten auf all diese Fragen geben will. Vorbereitet durch eine öffentlichkeitswirksame Demografietagung morgen im Bundeskanzleramt. Grundlage der Strategie ist eine umfassende Analyse - der Demografiebericht aus dem letzten Jahr. Ungeschminkt und in klaren Worten werden dort die Daten und Zahlen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft zusammengetragen.

    Die Zahl der Sterbefälle übersteigt die Zahl der Geburten seit Jahrzehnten. Konnte anfangs diese Geburtenlücke durch Zuwanderung ausgeglichen werden, ist dies seit 2003 nicht mehr der Fall, seitdem sinkt die Bevölkerungszahl in Deutschland. Gleichzeitig zieht es viele Deutsche dauerhaft ins Ausland – die Zahl der Fortzüge hat sich seit den 70er-Jahren verdreifacht.

    Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich an, die Geburtenzahlen bleiben dauerhaft niedrig. Im europäischen Vergleich bringen nur portugiesische und ungarische Mütter weniger Kinder auf die Welt als deutsche. Setzen sich diese demografischen Trends ungemindert fort, wird es in 50 Jahren mindestens elf Millionen Deutsche weniger geben als heute, das entspricht einem Bevölkerungsrückgang von 14 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt wird etwa jeder dritte 65 Jahre und älter sein, die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter geht drastisch zurück.

    Für unsere Rentenkassen hat dies dramatische Folgen: Während momentan drei Erwerbstätige einen Rentner finanzieren, werden in knapp 20 Jahren nur zwei Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen müssen. All diese Zahlen seien seit Jahren bekannt, doch die Politik habe nicht reagiert, kritisiert Reiner Klingholz, Leiter des unabhängigen Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.

    "Die Politik hat das Thema massiv verschleppt, denn seit den 70er-Jahren sind die Weichen für die demografische Entwicklung in Deutschland gestellt, damals sind die Kinderzahlen massiv unter das Niveau gesunken, das man für eine stabile Bevölkerung bräuchte."

    Eine Demografiestrategie des Bundes sei deshalb seit Jahren überfällig, ist der Bevölkerungswissenschaftler überzeugt. Diesen Vorwurf weist das zuständige Bundesinnenministerium zurück. Wir haben nichts verschleppt, sagt Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe:

    "Ich denke, dass wir rechtzeitig dran sind und dass wir vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt dran sind."

    Ziel der Demografiestrategie des Bundes sei es, so Staatssekretärin Rogall-Grothe, den demografischen Wandel nicht als Horrorszenario darzustellen, sondern als Herausforderung für die ganze Gesellschaft anzunehmen.

    "Wir haben bisher dazu geneigt, es pessimistisch zu sehen, aber ich glaube, es eröffnet uns große Chancen, diesen Wandel zu gestalten."

    Wie kann es bei einer schrumpfenden Bevölkerung gelingen, die Zahl der Erwerbstätigen auf einem annähernd gleichen Niveau zu halten? Die Antwort der Bundesregierung: Wir müssen die Potenziale der Bevölkerungsgruppen ausschöpfen, die bislang nur unzureichend am Erwerbsleben teilnehmen. Das sind in erster Linie Migranten, Frauen und ältere Menschen.

    "Ich glaube, da brauchen wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen, dazu gehört beispielsweise, dass wir länger arbeiten, bis 67, und man kann auch darüber nachdenken, ob man die Möglichkeit einräumt, auch darüber hinaus zu arbeiten. Es gehört dazu, dass man es Frauen erleichtert, in die Berufstätigkeit zurückzukehren oder dort zu bleiben, auch wenn sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren müssen."

    Doch während die Bundesregierung in ihrer Demografiestrategie propagiert, Frauen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, setze sie mit dem Betreuungsgeld den genau gegenteiligen Anreiz, kritisiert der Bevölkerungswissenschaftler Reiner Klingholz. Das geplante Gesetz belohne Frauen finanziell dafür, zuhause zu bleiben. Kontraproduktiv und auf keinen Fall demografiefest nennt dies der Wissenschaftler. Er fordert neben einem Verzicht auf das Betreuungsgeld von der Bundesregierung, die Hürden für die Einwanderung ausländischer Arbeitnehmer massiv zu senken.

    "Die Zuwanderungsbedingungen für Deutschland sind nach wie vor so, dass wir vom Gesetz her zunächst das Verbot einer Zuwanderung haben und es gibt eine endlose Reihe an Ausnahmetatbeständen. Das ist keine Einwanderungspolitik, sondern das ist der Versuch, Zuwanderer fern zu halten."

    Die Bundesrepublik solle sich ein Vorbild an Kanada, Australien oder den USA nehmen, so der Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Hochqualifizierte Zuwanderer gezielt ins Land zu holen, sei unverzichtbar, um den Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung auszugleichen.

    "Das muss man auch rechtzeitig planen, weil die qualifizierten Personen, die weltweit unterwegs sind, natürlich in einer steigenden Zahl von Ländern gefragt sind und da muss man sich langfristig vorbereiten. Das kann man nicht per Knopfdruck anschalten und alle kommen nach Deutschland. Deutschland ist nicht das attraktivste Ziel für Qualifizierte."

    Die Bundesregierung verweist dagegen auf die wachsende Zahl von hoch qualifizierten jungen Menschen aus EU-Ländern wie Portugal oder Spanien, die aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in ihrer Heimat vermehrt auf Jobsuche in Deutschland sind. Diese gelte es als Erste zu integrieren. Außerdem sei mit der Vorlage der Demografiestrategie die Debatte erst eröffnet, meint die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Rogall-Grothe:

    "Also wir müssen mit Vorlage der Strategie in einen Dialog eintreten mit allen Handelnden, die in diesem Kontext von Relevanz sind und wir werden auch diese Themen dann diskutieren."

    Dies klingt so, als ob Deutschland sich erst am Anfang eines demografischen Wandels befände, als ob wir uns viel Zeit lassen könnten im Umgang mit diesem Thema. Wer in Ostdeutschland unterwegs ist, weiß, dass dies mitnichten der Fall ist.

    Der kleine Schienenbus der privaten Prignitzer Eisenbahn auf dem Weg von Pritzwalk nach Meyenburg, im dünn besiedelten Nordwesten Brandenburgs. Fünf Personen sitzen an diesem Nachmittag im Zug. Sie haben bereits davon gehört, dass die Strecke demnächst stillgelegt werden könnte.

    "Gar nicht gut, dass die eingestellt werden soll, wir sind darauf angewiesen, wenn wir zum Arzt müssen und so, eine andere Möglichkeit ist ja nicht. Schade. Das nutze ich oft. Das wäre sehr, sehr schade gerade für uns Ältere."

    Die Prignitz – ein Landkreis auf halbem Weg zwischen Berlin und Hamburg – wird weiter an Attraktivität verlieren, sollte das Land Brandenburg – wie geplant – mehrere Eisenbahnstrecken in der Region nicht mehr weiter finanzieren. Rentner ohne Auto werden es schwerer als bislang haben, zum Rathaus, zur Bank oder zum Arzt zu kommen. Für Jugendliche wird der Weg zum nächsten Kino und zum Fußballklub noch weiter. Und der nächste Kinderarzt – von Meyenburg aus bereits jetzt schon 40 Kilometer entfernt – wird für Familien ohne Auto nicht mehr erreichbar sein.

    "Ich würde mir wünschen und erwarte auch einfach von der Politik, dass solche Regionen, wie wir sie sind, nicht abgehängt werden."

    Sagt der Unternehmer Mike Blechschmidt aus Pritzwalk. Für ihn und alle anderen Menschen in der Prignitz waren die letzten 20 Jahre nicht durch einen langsamen demografischen Wandel bestimmt, auf den man sich hätte einstellen können. Nein, es war ein demografischer Schock. Der Landkreis hat seit der Wende 25 Prozent der Bevölkerung verloren, also jeden vierten Einwohner. Erstens brach die Zahl der Geburten nach 1990 massiv ein, zweitens zogen die Jungen und Gutausgebildeten den Arbeitsplätzen hinterher, also in Richtung Westen.

    Mike Blechschmidt ist dageblieben. Er hat die Industrie- und Gebäudereinigungsfirma seines Vaters übernommen, beschäftigt inzwischen 150 Mitarbeiter und ist Vorsitzender eines Vereins, der die Prignitz voranbringen will. Dazu gehören auch Forderungen an die Politik:

    "Da erwarten wir einfach, dass bei bestimmten Dingen ein sogenannter Demografiefaktor eingezogen wird. Wir können doch nicht sagen, dass in der Prignitz genauso viele Leute in einem Zug sitzen müssen wie im Ruhrgebiet, das ist doch völlig unmöglich, das geht gar nicht."

    Die öffentliche Hand passt die Infrastruktur der geschrumpften Bevölkerung an – Kommunal- und Kreisverwaltungen werden zusammengelegt, Jugendklubs und Polizeiwachen dichtgemacht. Seit der Wende wurde in Brandenburg jede vierte Schule geschlossen. Ein Teufelskreis, der dazu führt, dass bestimmte Regionen weiter ausbluten, immer unattraktiver werden besonders für Hochqualifizierte und für Familien mit Kindern. Schon jetzt muss ein Arzt in Brandenburg 250 Einwohner mehr versorgen als ein Arzt in Bremen. Die Arztdichte ist die geringste in ganz Deutschland.

    Die Praxis von Sabine Harwig in Meyenburg. Einige Monate lang standen die Räume leer, Harwigs Vorgängerin hatte nach nur einem Jahr entnervt das Handtuch geworfen. Aufwand und Ertrag standen in keinem Verhältnis. Hausärztin in der Prignitz zu sein, das bedeutet: sehr, sehr lange Wege, viele ältere, betreuungsbedürftige Patienten, kaum Privatversicherte.

    Um ihre eigenen Patienten besser versorgen zu können, würde Sabine Harwig gerne Methoden der Telemedizin einsetzen, also ihre Patienten per Videokonferenz diagnostizieren. Dabei muss sie allerdings eine ganze Reihe von Vorschriften beachten. Sie darf nur die Patienten per Ferndiagnose betreuen, die sie bereits persönlich kennt. Eine unsinnige Regelung, die abgeschafft werden müsse, findet die Hausärztin. Außerdem brauchen ihre Arzthelferinnen eine besondere Ausbildung.

    "Wo die Kurse voll sind, haben wir uns drum bemüht. Die auch noch Geld kosten für mich. Wenn die mit mir die ganze Arbeit tagsüber in der Praxis machen, kann ich mich doch wohl drauf verlassen, dass sie in meiner Abwesenheit nur die Sachen machen, wo sie Kompetenz für haben, außerdem ist ja dann die Videowand da, wo ich die Anweisungen geben. Man könnte viele Sachen beschleunigen."

    Wer sich bei denjenigen umhört, die stark geschrumpfte Regionen voranbringen wollen, hört immer wieder eine Klage: Die Vorschriften- und Gesetzesdichte sei viel zu hoch und behindere die Entwicklung. Wir wären viel weiter, wenn wir mehr selber entscheiden könnten, meint zum Beispiel Meyenburgs Amtsdirektorin Kathrin Lange. Sie nennt ein Beispiel: Wenn eine Arztpraxis frei wurde, durfte sich der neue Mediziner bislang nur genau in dieser Stadt niederlassen und nicht im Nachbarort.

    "Auch da haben wir lange drum gekämpft, dass der nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist. Also auch das war ja mal schwierig. In Pritzwalk fällt der Kinderarzt weg, dann darf auch nur in Pritzwalk wieder einer anfangen, also das sind alles Regelungen aus dem Mittelalter, und da müssen wir dringend flexibler werden."

    Meyenburgs Amtsdirektorin Lange kämpft gemeinsam mit dem Pritzwalker Unternehmer Mike Blechschmidt in einem Verein für innovative Lösungen der Probleme, die sich durch den demografischen Schock nach der Wende auftürmen.

    Der Verein hat bei der Finanzierung einer privaten Berufsschule genauso geholfen wie bei der Ansiedlung einer Außenstelle der Fachhochschule Brandenburg. Wir haben viele Ideen, sagt Unternehmer Blechschmidt, aber wir können sie nur umsetzen, wenn zuvor die hohen bundesdeutschen Standards abgesenkt werden.

    "Da stellen wir uns gerne immer zur Verfügung als Pilotregion, um, ich sage mal, gesetzesfreie Zone zu werden, Sonderzone, um die Dinge dann mal hier zu zeigen und zu beobachten. Wenn man dann nach einem Zeitpunkt evaluiert, dann ist das in Ordnung."

    Unterstützung bekommt die Prignitzer Initiative aus der Wissenschaft. Der Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Reiner Klingholz, sieht in einer größeren Autonomie die einzige Chance für geschrumpfte Regionen, nicht vollends auszubluten.

    "Diese Regelungen, diese Gesetze, diese Normen für die Infrastruktur sind einmal entstanden für große Zentren, für wachsende Gebiete, sie ergeben in schrumpfenden Gebieten wenig Sinn und sie sind tödlich, weil sie nur die Kosten nach oben treiben. Deshalb braucht es für diese Gebiete Ausnahmetatbestände, das heißt, sie müssten aus dem Regelwerk von Bund, Ländern, EU raus."

    Diese Idee hat bislang keinen Widerhall in der Bundespolitik gefunden. Der Abbau von Normen und Standards in stark schrumpfenden Regionen wird in der Demografiestrategie der Bundesregierung nicht erwähnt.