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Alternative für Deutschland
Garantin ohne Garantie

Die AfD positioniert sich eindeutig gegen den Islam - das Verhältnis zum Judentum ist widersprüchlich: Die Partei umwirbt im Wahlkampf jüdische Bürger, will aber auch Antisemiten nicht verprellen. Ein Paradox mit System?

Von Rainer Brandes | 11.04.2017
    Ein AfD-Fähnchen in Kremmen (Brandenburg) beim Landesparteitag der Brandenburger AfD.
    "Die AfD ist auf die Unterstützung rechtsradikaler Kreise, der sogenannten Neuen Rechten, angewiesen", sagt Antisemitismusforscher Marcus Funck im DLF (picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert)
    Wenn es um die Haltung der AfD zum Islam geht, fackelt die Partei nicht lange: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." So steht es im Leitantrag des Bundesvorstandes für ein Wahlprogramm zur Bundestagswahl, das der Parteitag Ende April in Köln beschließen soll. Weiter heißt es dort:
    "In der Ausbreitung des Islam und der Präsenz von über 5 Millionen Muslimen, deren Zahl ständig wächst, sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung."
    Damit macht die Partei keinen Unterschied zwischen radikalen Strömungen im Islam und einem toleranten Islam. Die Religion als Ganzes ist demnach unvereinbar mit unserer Gesellschaftsordnung. Zwar bekennt sich die AfD im selben Kapitel uneingeschränkt zur Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Das aber nimmt ihr der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler vom Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus und Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf nicht ab.
    Transformation "klassisch völkisch-rassistischer Stereotype"
    "Das Bekenntnis zur Religionsfreiheit ist eigentlich Makulatur, weil inhaltlich genau das Gegenteil da drinsteht", sagt Häusler. "In Wirklichkeit nutzt die AfD die allgemeine Muslimfeindlichkeit, die vorherrscht, auch im Kontext eines grassierenden islamistischen Fundamentalismus, um pauschal allen Muslimen negative Eigenschaften zuzuschreiben. Und damit transformiert sie klassisch völkisch-rassistische Stereotype auf die Religions- und die Kulturfrage."
    AfD-Chefin Frauke Petry mit dem Programm der Partei und der Überschrift "Der Islam gehört nicht zu Deutschland"
    AfD-Chefin Frauke Petry mit dem Programm der Partei und der Überschrift "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" (dpa / picture-alliance / Marijan Murat)
    Die pauschale Ablehnung des Islam zeigt sich auch darin, dass die AfD Minarette und Muezzin-Rufe genauso verbieten will wie den islamischen Religionsunterricht an Schulen. Die Lehrstühle für islamische Theologie an deutschen Universitäten sollen abgeschafft und an die bekenntnisfreie Islamwissenschaft übertragen werden. Das alles gipfelt in einer Konstruktion, die im Islam einen äußeren Feind des angeblich homogenen christlichen Abendlandes sieht. Unmissverständlich heißt es im Entwurf für das Bundestagswahlprogramm:
    "Der in Europa bereits stattfindende Kulturkampf zwischen Abendland und dem Islam als Heilslehre und Träger von nicht integrierbaren kulturellen Traditionen und Rechtsgeboten kann nur abgewendet werden durch ein Bündel von defensiven und restriktiven Maßnahmen, die eine weitere Zerstörung der europäischen Werte des Zusammenlebens aufgeklärter Bürger verhindern."
    Feinde von innen und außen
    Damit nimmt die AfD Anleihen bei einem ihrer umstrittensten Mitglieder: Wolfgang Gedeon. Gedeon - von Haus aus Arzt - hat in den vergangenen Jahren mehrere krude geschichtsphilosophische Bücher geschrieben. Niemand in der Partei hinderte ihn daran, diese Bücher bei Parteiveranstaltungen anzupreisen. Eines trägt den Titel "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten". Darin versucht er islamfeindliche und antisemitische Positionen unter einen Hut zu bekommen.
    Er macht das, indem er behauptet, das Judentum sei jahrhundertelang der innere und der Islam der äußere Feind des christlichen Abendlandes gewesen. Inzwischen stelle das Judentum einen "dominierenden Machtfaktor" im Westen dar. Und der Islam habe "via Massenzuwanderung die trennenden Grenzen überrannt." Dieses Denkmuster ist nicht neu, sagt Marcus Funck vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin:
    "Das ist eine Denkfigur, die ihre historischen Vorläufer hat und durchaus auch im 19. Jahrhundert schon zu finden ist. Also, dass das christliche Abendland, das christliche Europa von innen her bedroht wird durch ein assimiliertes Judentum in der Diaspora einerseits und einem aggressiven Islam, der von außen auf Europa zuzugreifen versucht."
    "Keine antisemitische Partei"
    Der Umgang der Partei mit Wolfgang Gedeon ist bezeichnend. Einerseits wurde er gedrängt, die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag zu verlassen. Andererseits wurde Gedeon bis heute nicht aus der Partei ausgeschlossen.
    Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon (AfD) am Rednerpult.
    Noch AfD-Mitglied: Der umstrittene baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon (dpa / picture alliance / Marijan Murat)
    Antisemitismusforscher Funck: "Man muss zunächst mal vorausschicken, dass es sich bei der AfD nicht um eine antisemitische Partei handelt, aber dass sie natürlich ein Antisemitismus-Problem hat, weil sich dort eben ein sehr heterogenes Spektrum an Libertären, Rechtskonservativen, aber eben auch Rechtsradikalen sammelt, und die Partei, die sich ja rechts von der CDU etablieren möchte, nach rechts hin offen zu sein scheint. Wenn man dann in diese rechten Netzwerke hinein schaut, interne Redebeiträge verfolgt, Diskussionen auf sozialen Netzwerken, dann sieht man schon, dass es sich hier um ein breiteres Phänomen handelt, als es generell im Sinne von Einzelfällen abgetan wird. Aber wirklich quantifizieren kann man das nicht."
    Das stellt die Parteiführung vor ein Dilemma. Als offen antisemitische Partei wäre die AfD in Deutschland im bürgerlichen Lager nicht wählbar. Andererseits denkt ein nicht unerheblicher Teil ihrer Wähler und der Parteibasis in antisemitischen Strukturen. Das äußert sich in der Kritik am Gedenken an die Schoah, wie sie beim thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke zum Ausdruck kommt. Oder in einer überzogenen Kritik am Staat Israel, wie sie in den Schriften von Wolfgang Gedeon zu finden ist, der den Zionismus für alle möglichen Übel in der Welt verantwortlich macht. Die Parteiführung scheint daraus zwei Schlüsse gezogen zu haben: Zum einen distanziert sie sich öffentlich von zu offensichtlich antisemitischen Äußerungen, meist allerdings ohne die betreffenden Personen aus der Partei auszuschließen.
    Vorbilder aus Belgien
    Ansonsten konzentriert sie sich auf islamfeindliche Positionen. Denn die sind in der Partei unumstritten. In jüngster Zeit versucht die AfD sogar gezielt jüdische Wähler mit antimuslimischen Positionen zu gewinnen. Diese Strategie hat die Partei aus Belgien importiert, sagt der Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler:
    "Vorreiter für eine solche Politik in Europa war der rechtsextreme Vlaams Belang in Belgien, dessen Vordenker Filip Dewinter schon vor etlichen Jahren gesagt hat, wir müssen unsere allzu offene Judenfeindlichkeit hinten anstellen, damit wir eben auch bürgerliche Bevölkerungsschichten erreichen können mit unserer Politik. Dann gab es eine Reise, die von der FPÖ, dem Vlaams Belang und auch anderen Rechtsaußen-Parteien vor einigen Jahren nach Israel veranstaltet worden ist, wo diese Politiker sogar die Gedenkstätte Yad Vashem besucht haben, um sich dann zu Hause darzustellen als Parteien, die angeblich geläutert seien und sich vom Rassismus freisprechen wollen."
    In der vergangenen Woche setzte die AfD-Co-Vorsitzende Frauke Petry noch eins drauf. Nachdem der Präsident des jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, die AfD als "Schande für Deutschland" bezeichnet hatte, reagierte Petry per Interview in der Zeitung "Die Welt":
    "Als jüdischer Repräsentant sollte er darüber hinaus erkennen, dass die AfD einer der wenigen politischen Garanten jüdischen Lebens auch in Zeiten illegaler antisemitischer Migration nach Deutschland ist."
    Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry redet und gestikuliert dabei, im Hintergrund der Schriftzug der Partei.
    Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry (picture-alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Die AfD als Garantin jüdischen Lebens? Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, reagierte darauf im Deutschlandfunk entsetzt:
    "Hier wird das Thema, sich besonders angeblich für Juden zu engagieren, einfach eingesetzt, um massiv erneut gegen Muslime zu hetzen, und dafür die jüdische Gemeinschaft heranzunehmen, das ist mehr als dreist."
    Angewiesen auf die Neue Rechte
    In der Tat ist es fraglich, wie ernst gemeint diese Annäherungsversuche der AfD an die jüdische Gemeinschaft sind. Im Entwurf für ein Wahlprogramm findet sich kein Wort zu Israel oder dem Nahost-Konflikt. Offenbar sollen antisemitisch eingestellte Wählerschichten nicht verschreckt werden. Für den Berliner Antisemitismusforscher Marcus Funck steckt dahinter ein einfaches Kalkül:
    "Wenn sich die Partei - und das tut sie ja nun auch - als eine neue politische Kraft rechts von der CDU etablieren möchte, ist sie auf die Unterstützung dieser rechtsradikalen Kreise - der sogenannten Neuen Rechten - angewiesen. Ansonsten würde sie zusammenschrumpfen auf ein Häuflein von libertären und nationalkonservativen Abtrünnigen aus anderen Parteien. Ich denke schon, dass es ein gezielter Versuch ist, Unterstützung aus diesem Spektrum an sich zu ziehen, um dadurch die Wahlchancen zu verbessern."