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Leipziger Uni ohne "Marx"

Der Campus der Uni Leipzig soll umgestaltet werden. Dann muss auch Karl Marx umziehen, der auf einem von mehreren DDR-Künstlern gestalteten Relief das Hauptgebäude ziert. Doch wohin mit der sozialistischen Kunst?

Von Stephan Witschas | 29.05.2006
    Frank Ruddigkeit: "Wenn zum Beispiel das Studium und die Orientierung auf eine Philosophie hin - nämlich die des Herrn Marx - eine Ideologie ist… Ich mein, das war eine materialistische Ideologie, wie wir sie jetzt viel deutlicher zu spüren kriegen… Sollten wir damals Herrn Blüm da rein setzen? "

    Norbert Blüm, damals Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, hätte sicher nichts gegen ein Denkmal mit seinem Konterfei vor der Leipziger Uni gehabt. Aber heute sieht man eben nicht ihn vor dem Hauptgebäude am Augustusplatz, sondern Karl Marx. 16 Jahre lang bis zum Mauerfall war das so. Genau wie in den mehr als 16 Jahren danach auf dem Boden der wiedervereinigten Bundesrepublik. Leipziger Studenten über sozialistische Kunst auf dem Präsentierteller der Stadt.

    " Ich denke es könnte eher weg, weil es ganz einfach ein Zeichen aus der kommunistischen Zeit hier war. Und es sieht einfach auch nicht so schön aus.

    Es ist schon da, seit ich lebe und seit ich denken kann. Aber, ich weiß nicht, so viel verbinden tue ich jetzt nicht damit.

    Also verbinden tue ich damit auf jeden Fall die Uni in Leipzig, aber so richtig mit Verstand und Muße habe ich das noch nicht betrachtet. "

    Mit dem DDR-Erbe müssen sich Stadt und Uni nun aber intensiv auseinandersetzen. Der Campus-Neubau rückt näher. Aber ein neuer Standort für das Relief ist noch nicht gefunden. An Ort und Stelle hat es jedenfalls bald keinen Platz mehr. Zweifel am Standort des Marx-Reliefs hat Uni-Rektor Franz Häuser aber schon seit seinem ersten Leipzig-Besuch Anfang der Neunziger.

    " Ich bin zum Hochhaus gegangen. Und da ist natürlich mein Blick auf dieses Werk gefallen und es hat mich etwas bedrückt. Es ist recht monumental und ich hatte so nicht das Gefühl, dass es irgendwie ne verbindende Aussage trifft. "

    Auf der Suche nach einer verbindenden Aussage müssen sich Universität und Stadt einig werden. Das Marx-Relief habe zwar zeithistorisch-dokumentarische Funktion, dürfe aber nicht mehr an der Spitze der Uni stehen, ist man sich einig. Die sozialistische Phase der Leipziger Alma Mater wolle man dennoch nicht verbannen. Die notwendige Auseinandersetzung mit der Geschichte unterstreicht Leipzigs Kulturdezernent Georg Girardet:

    " Natürlich ist das ein Relief, das auch propagandistischen Zwecken gedient hat, aber andererseits ist es auch ein Kunstwerk. Und insoweit, denke ich, muss man damit auch respektvoll umgehen. Und ein Kunstwerk ist auch zu betrachten, etwas unabhängig von dem historischen Zusammenhang, in dem es entstanden ist. "

    Das Denkmal solle nun seine Geschichte in der Nähe des heutigen Standorts fortsetzen. Das kann sich zumindest der Leipziger Rektor vorstellen. Im Gespräch ist eine Grünfläche in der Nähe von Deutschlands größtem Studentenclub - der Moritzbastei. Doch einen Konsens darüber gibt es zwischen Stadt und Uni noch nicht. In der Verbannung verschwinden dürfe der bronzene Kapitalismus-Kritiker und das ihm gewidmete Relief jedenfalls nicht. Und deshalb hat Künstler Frank Ruddigkeit seinen ganz eigenwilligen Standpunkt zur Diskussion um den neuen Standort.

    " Es ist eine der wichtigsten Figuren der Zeitgeschichte des vorletzten Jahrhunderts. Und da geht keiner dran vorbei. "