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Alternative zur Babyklappe

Knapp 100 Babyklappen gibt es mittlerweile in ganz Deutschland. Schätzungen zufolge wurden seit dem Jahr 2000 mehrere hundert Babys anonym abgegeben. Ein neues Gesetz soll die Klappen künftig überflüssig machen.

Von Monika Dittrich | 07.02.2013
    Eine schmucklose Straße im Kölner Norden: Hier betreibt der Sozialdienst katholischer Frauen das Haus Adelheid, eine rund um die Uhr besetzte Mutter-Kind-Einrichtung. An der Nebenseite des Gebäudes führt ein von Stahlwänden abgeschirmter Weg zum sogenannten Moses-Baby-Fenster.

    "Da können die Frauen, die Mütter, dann hier in das Fenster das Baby reinlegen. Die Klappe aufmachen, ich kann das ja mal vorführen, so, dann hier reinlegen, und dann kriege ich sofort eine Nachricht, ich mach das Fenster dann mal zu wieder."

    Hinter der Scheibe kann das Kind auf ein flaches, mit Lammfell ausgefüttertes Holzbettchen gelegt werden. Eine Heizung wärmt von unten. Auch Katrin Lambrecht hat hier schon ein Baby gefunden, ein kleines Mädchen, das war im vergangenen Frühjahr.

    "Der Alarm geht los und das Herz steht still. Herzklopfen. Das ist Emotion pur."

    In zwölf Jahren wurden in der Kölner Babyklappe 19 Kinder abgelegt. Manche der Mütter meldeten sich später, doch die meisten Moses-Kinder werden nie erfahren, wer ihre Eltern sind.

    Das bleibt eine Leerstelle in ihrem Leben, weiß Monika Kleine, Geschäftsführerin beim Sozialdienst Katholischer Frauen in Köln. Deshalb sei es so wichtig, die Kinder und ihre aufnehmenden Familien zu betreuen und ihnen beispielsweise anzubieten, das Moses-Fenster zu besuchen:

    "Und die ersten Kinder waren schon da, und es sind sehr anrührende Momente. Es gibt Kinder, die wollen es nur sehen, es gibt Kinder, die legen sich rein, wollen das fühlen. Das ist schon für das Kind ein wichtiges Moment, dass es eine Idee hat, wo es für sich seinen Anfang definieren kann."

    Über die eigene Herkunft nichts zu wissen, das kann eine große seelische Last sein. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1989 bestätigt, dass jeder Mensch ein Recht hat, die eigene Abstammung zu kennen. Vor drei Jahren kritisierte der Deutsche Ethikrat die Praxis der anonymen Kindesabgabe und forderte die Bundesregierung auf, nach einer gesetzlichen Lösung für Schwangere in Notsituationen zu suchen. Sowohl die Babyklappen als auch die anonyme Geburt, die in 130 Krankenhäusern in Deutschland möglich ist, sind nicht geregelt - beide Angebote werden rechtlich nur geduldet.

    "Wenn man sich diese Angebote anschaut, dann ist die Babyklappe das schlechteste Angebot, das man Mutter und Kind machen kann."

    Sagt Monika Bradna vom Deutschen Jugendinstitut in München. Sie hat eine große Studie über anonyme Kindesabgabe betreut, mit dem Ergebnis: Es gibt keine einheitlichen Standards für Babyklappen in Deutschland, etwa wann ein gefundenes Kind den Behörden gemeldet werden muss.

    Teilweise wissen die Träger der Babyklappen heute nicht mehr, was aus den Kindern geworden ist. Und es wird auch nicht zentral erfasst, wie viele Kinder überhaupt anonym abgegeben werden. Problematisch ist außerdem, dass die Mütter normalerweise keinerlei medizinische Hilfe bekommen - nicht einmal während der Geburt.

    "Das sind alles Punkte, die nicht für Babyklappen sprechen."

    Bundesfamilienministerin Kristina Schröder von der CDU will die Babyklappen zwar vorerst nicht verbieten - aber möglichst überflüssig machen. Mit einem Gesetz zur sogenannten "vertraulichen Geburt", das noch im Februar vom Kabinett beraten werden soll. Danach können Frauen ihr Kind im Krankenhaus anonym zur Welt bringen. Ihre persönlichen Daten werden 16 Jahre lang in einem verschlossenen Umschlag bei einer Kölner Behörde aufbewahrt. Dann soll das Kind die Möglichkeit bekommen, den Namen der Mutter zu erfahren.

    "Ich denke auf jeden Fall, dass die vertrauliche Geburt viele Vorteile hat für alle Beteiligten. Von der medizinischen Versorgung über klare Verfahrensregelungen, also auch, was passiert mit dem Kind, nachdem es anonym geboren wurde."

    Kritiker bemängeln allerdings, dass den Frauen ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden soll. Die Kinder erfahren den Namen der Mutter nur dann, wenn sie zustimmt. Aus Sicht der Kinder sei das eine unbefriedigende Lösung, bemängelt Monika Kleine vom Sozialdienst Katholischer Frauen. Rechtssicherheit gebe es damit nur für die Frauen, nicht aber für die Kinder:

    "Wir sind ein bisschen in Sorge, dass über den Weg der vertraulichen Geburt eigentlich die Tür öffnet zu anonymer Geburt. Wir haben ja jetzt schon den Fall, dass Frauen aus Osteuropa kommen und hier ihre Kinder entbinden und dann wieder verschwinden oder auch zur Entbindung kommen und das Kind zur Adoption freigeben. Wir haben Elendstourismus, das muss man einfach klar sehen."

    Positiv sei allerdings, dass das geplante Gesetz auch vorsieht, den Nutzen der Babyklappen zu überprüfen. Dafür plädiert auch Monika Bradna vom Deutschen Jugend-Institut. Sie kritisiert:

    "Dass man diese anonymen Angebote von Anfang an geduldet hat und die Argumentation sehr stark verfängt, dass damit ja Leben gerettet wird. Wir wissen nicht, ob mit diesen Angeboten Leben gerettet werden."

    Möglich ist also auch, dass die Angebote der anonymen Kindesabgabe die Nachfrage erst wecken.