Freitag, 19. April 2024

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Althaus beklagt schlechtes Erscheinungsbild der Union

Dirk Müller: Es mag einigen so vorkommen, als hätten manche in der Union nur auf die erste Schlappe des Jahres gewartet. Kaum waren die massiven Verluste bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg eingefahren, da stand auch schon die Führungsqualität von CDU-Chefin Angela Merkel im Mittelpunkt der Kritik. Eine Kritik war verbunden mit der Frage, welchen politischen Kurs die Unionsparteien derzeit fahren, zum Zweiten schwingt dabei wieder die K-Frage mit. Auch in den Internetforen der Partei rumort es heftig, von Pro-Stoiber über Kontra-Merkel bis zu Pro-Koch, das Ganze aber auch freilich umgekehrt. Die Meinungsforschungsinstitute signalisieren inzwischen, das Rennen um 2006, das ist wieder offen und der Kanzler ist definitiv noch nicht geschlagen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein bringt das Ganze so auf den Punkt, im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht. Am Telefon sind wir nun verbunden mit Dieter Althaus, christdemokratischer Ministerpräsident von Thüringen. Guten Morgen.

Moderation: Dirk Müller | 23.09.2004
    Dieter Althaus: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Althaus, wer hat denn alles geschlafen in der Union?

    Althaus: Ich glaube, wir haben etwas unterschätzt, dass wir nicht nur durch die Schwäche der SPD stark sein können. Wir müssen darauf achten, dass die inhaltlichen Konzepte, die wir uns erarbeitet haben, auch mit Geschlossenheit vertreten werden.

    Müller: Frau Merkel hat ja am Sonntag, am Wahlabend selbst, noch davon gesprochen, wir müssen Kurs halten. Da haben sich dann viele gefragt, auch die Kommentatoren in den Zeitungen am nächsten Tag, welchen Kurs meint sie denn da. Wissen Sie es?

    Althaus: Das ist genau der Punkt. Wir haben im letzten Jahr in Leipzig zum Beispiel zur Sozialstaatsreform umfassend Beschlüsse gefasst, die sind in allen wichtigen Fragen eindeutig, natürlich gibt es noch Streit mit der Schwesterpartei, aber für die CDU liegt die Linie fest. Trotzdem gibt es dann auch wieder aus der Führung Querschüsse. Das kann nicht sein. Wir müssen deshalb bis zum Parteitag in Düsseldorf die Zeit nutzen, um die offenen Fragen auch mit der CSU zu klären und an diesem Parteitag muss klar werden, dass wir ein Gesamtkonzept für Deutschland haben, dass wir ein Zukunftsgesetz für Deutschland umsetzen für den Fall, dass wir die Regierung in Deutschland übernehmen. Denn die Alternative wird nur wirklich wahrgenommen, wenn wir sie auch als Alternative formulieren. Das heißt, wenn sie die Führung formuliert und auch die Führung insgesamt zu dieser Alternative steht.

    Müller: Herr Althaus, was sind das für Querschüsse?

    Althaus: Ich kann es letztlich natürlich nur individuell bewerten. Ich glaube, das liegt zum Einen daran, dass es sicher auch kritische Nachfrage gibt zu den Inhalten, die wir festlegen, aber wenn wir uns mehrheitlich geeinigt haben, finde ich, gilt das für die Partei. Zum Zweiten gibt es immer wieder Vorstöße zu noch umfassenderen Reformen. Ich denke nur an den Arbeitsmarkt, dass der Kündigungsschutz vollkommen abgeschafft werden soll. Das sind unsinnige Weiterungen, die mit Recht die Menschen nur verunsichern und deutlich machen, dass wir möglicherweise mehr über soziale Zumutungen statt über den Kurs auf Wachstum zu mehr Arbeitsplätzen kommen. Dann gibt es Drittens möglicherweise auch machtpolitische Querschüsse. All das ist unsäglich, denn wir wollen 2006 für Deutschland die Verantwortung wieder übernehmen und wenn das das oberste Ziel ist, dann müssen sich auch alle in der Partei, die in Verantwortung stehen, diesem obersten Ziel unterordnen.

    Müller: Man mag es ja kaum glauben, muss man da wieder sagen, die Öffentlichkeit hat ja offenbar zunächst einmal genug vom Personalstreit, von den Personalquerelen um die potentielle Führung der Union. Aber Sie sagen ganz klar, dass ist immer noch nicht ausgetragen, das schwelt immer noch im Hintergrund?

    Althaus: Nun ist sicher klar, wenn die Kanzlerkandidatur erst 2006 entschieden wird, dass es auch da unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber auf dem Weg dahin, finde ich, müssen diejenigen, die die Parteien führen, also CDU Angela Merkel, CSU Edmund Stoiber, mit ihrer Verantwortung auch die Inhalte vertreten, auf die wir uns geeinigt haben. Jeder, der dann in der nächstfolgenden Reihe versucht, an diesen vorbei, andere Inhalte zu popularisieren, schadet dem Gesamtbild, schadet der klaren Alternative und bringt ganz eindeutig auch damit Rot-Grün wieder in die Vorhand.

    Müller: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Bayern das offenbar noch nicht begriffen haben?

    Althaus: Wir haben einen offenen Punkt, wir haben einen wichtigen Punkt, das ist die Gesundheitsversicherung, wie wir hier in die Zukunft gehen. Das darf nicht zu einer Personalfrage werden, hier geht es um einen Sachstreit und diesen Sachstreit müssen wir sehr zügig ausräumen. Wenn dahinter noch andere Argumente eine Rolle spielen, halte ich das für nicht zielführend. Wir müssen, wie gesagt, auf 2006 hin ab spätestens dem Parteitag in Düsseldorf in dieser Geschlossenheit auch als Gesamtformation erkennbar sein. Nur dann können wir unsere Alternative zur Regierungspolitik auch darstellen.

    Müller: Herr Althaus, reden wir noch mal ganz kurz über Stichworte im inhaltlichen Bereich. Gesundheitspolitik, das haben Sie angesprochen, Sozialpolitik im weiteren Feld, dann Arbeitsmarktpolitik, natürlich in diesem Zusammenhang auch Hartz IV. Kann das sein, warum die Partei sich jetzt so schwer tut, im Grunde haben es die Wahlen ja erst gezeigt, das haben Sie selbst gesagt, ist das im Grunde verdeckt worden ein wenig auch durch die Schwäche der Bundesregierung. Kann das sein, dass diese Punkte, die wir ja gerade genannt haben, in der Partei tatsächlich nicht ausreichend genug und lang genug diskutiert worden sind?

    Althaus: Mag sein, dass sich nicht jeder mit der Reform wirklich befasst hat. Wir haben das getan und wir haben uns nach Diskussionen zu dem Weg entschlossen, diese Hartz-IV-Reform zu unterstützen. Nicht weil wir alle Details zu 100 Prozent unterstützen, aber weil wir von dem Gesamtweg überzeugt sind. Wir haben vorgeschlagen, die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe zusammenzulegen, wenn also ein solcher Entschluss gefasst wird, gilt auch dort, muss die Partei stehen. Das heißt nicht, dass wir die Fehler, die die Bundesregierung bei der Umsetzung macht, tolerieren. Ganz im Gegenteil. Aber zum Inhalt muss man stehen und ihn auch vermitteln, denn es geht auch bei dieser Reform darum, den Arbeitsmarkt zu öffnen und zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung zu kommen.

    Müller: Hat das die CDU-Führung in Gänze getan?

    Althaus: Na ja, es hat von der Führung, wenn man die Spitze der Führung anschaut, eine klare Position gegeben, aber dahinter ist schon zum Teil ein vielstimmiger Chor sichtbar geworden und der Eindruck vermittelt worden, als wenn wir uns, nachdem die Entscheidung gefällt worden ist, zum Teil in die Büsche schlagen. Das geht nicht, das ist unglaubwürdig, denn diese Reform ist wichtig, um letztlich auch für den Arbeitsmarkt mehr Flexibilität zu bekommen. Wir müssen die Fehler der Bundesregierung kritisieren, nicht aber den Inhalt der Reform.

    Müller: Die Reformen sind radikal, es sind radikale Einschnitte, für die SPD-Klientel so wie auch natürlich auch für die Unions-Klientel. Gibt es einen tatsächlichen Richtungsstreit innerhalb der Christdemokraten?

    Althaus: Nein, den gibt es nicht. Ich glaube auch mit der CDA, Hermann-Josef Arentz hat das auch deutlich gemacht, ist der Weg vollkommen klar beschrieben. Wir müssen in Deutschland endlich wieder Wachstum bekommen. Diese ganze Rhetorik, dass wir angeblich schon wieder auf einem aufstrebenden Ast sind, ist ja vollkommen an der Realität vorbei. Wir hinken in Europa hinterher, die Arbeitslosigkeit nimmt faktisch zu, ob Ost oder West und es beginnen Neiddebatten. Das heißt, wir müssen in Deutschland den Menschen und uns selbst klarmachen: Nur über eine vernünftige Wachstumsstrategie werden wir auch sowohl Arbeit wieder schaffen als auch den Sozialstaat sichern. Das muss man vermitteln und muss dazu auch dann die entsprechenden Reformen begründen und darf nicht immer so in Schubkastenform denken, sondern muss das gesamte Konzept auch in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.

    Müller: Aber der Kündigungsschutz soll außen vor bleiben nach Ihrer Sicht?

    Althaus: Genau da meine ich, dürfen wir uns nicht selbst in Frage stellen. Wir wollen, dass ein differenzierter Kündigungsschutz genauso wie bei anderen Fragen des Arbeitsmarktes, die Flexibilität im Unternehmen zunimmt, damit für den Arbeitsmarkt entschieden werden kann und nicht gegen den Arbeitsmarkt, weil Kündigungsschutz da noch mehr Arbeitsplätze kostet und dann muss man ihn flexibilisieren. Dann darf man ihn aber nicht grundsätzlich in Frage stellen, das ist ganz wichtig. Ich glaube, diese Art von Übertreibung führt immer wieder dazu, dass die Union vielstimmig wahrgenommen wird und ich kann nur dazu raten, dass wir bei unserem Gesamtkonzept bleiben. Arbeitsmarkt, Sozialstaat und Steuern müssen verändert werden in Deutschland und so, dass wir mehr individuelle Freiheit im Unternehmen bekommen und dass wir Anreize für mehr Wirtschaftsentwicklung bekommen.

    Müller: Dieter Althaus war das, Ministerpräsident von Thüringen, CDU.