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Altmaier: Eurobonds verringern den Spardruck

Eurobonds seien nicht der richtige Weg, um der Schuldenkrise zu begegnen, so der CDU-Politiker Peter Altmaier. Allerdings müsse man mit kategorischen Festlegungen vorsichtig sein, denn man habe in der Vergangenheit immer wieder vor Situationen gestanden, für die es kein Drehbuch gegeben habe.

Peter Altmaier im Gespräch mit Peter Kapern | 15.08.2011
    Peter Kapern: Peter Altmaier, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Morgen, Herr Altmaier!

    Peter Altmaier: Morgen, Herr Kapern!

    Kapern: Herr Altmaier, bleibt’s beim Nein der Bundesregierung zu Eurobonds?

    Altmaier: Wir haben ja in den letzten zwölf Monaten immer von Fall zu Fall entscheiden müssen, was richtig ist, und wir haben in der Vergangenheit immer gesagt, dass wir Eurobonds deshalb für keine gute Lösung halten, weil sie den Spardruck von den betreffenden Ländern nimmt. Und da ist eine Argumentation, die ist richtig. Es geht um eine gemeinsame Stabilitätskultur in Europa und es geht um Solidarität mit denen, die in Schwierigkeiten sind. Das sind die beiden Seiten der Medaille und bislang ist es gelungen, diesen schwierigen Balanceakt eigentlich sehr überzeugend zu machen. Wir haben den Druck von Griechenland nehmen können mit den Entscheidungen, die vor der Sommerpause gefallen sind, und es gab ja vor einer Woche ganz erhebliche Turbulenzen an den Aktienmärkten, ganz erheblichen Druck auf Italien, Spanien und andere. Und das ist durch ein gemeinsames Vorgehen von Deutschland, Frankreich, aber auch der Europäischen Zentralbank und den USA sehr gut pariert worden mit dem Ergebnis, dass die Märkte sich beruhigt haben. Und auch heute Morgen haben wir ja positive Meldungen von den Börsen.

    Kapern: Noch mal zurück zum Thema Eurobonds: Als Journalist hört man da ein Hintertürchen aufstehen, Herr Altmaier, wenn Sie sagen, Eurobonds kommen deswegen so lange nicht infrage, wie sie den Spardruck von den Krisenländern nehmen. – Wenn sie das nicht mehr tun, wenn also parallel laufende Beschlüsse dafür sorgen, dass der Spardruck aufrechterhalten wird, dann sind Eurobonds doch ein Mittel?

    Altmaier: Ich halte das Wort Hintertürchen für völlig ungeeignet in dem Zusammenhang, weil die Position nicht nur der Bundesregierung, auch des Deutschen Bundestages ganz klar und deutlich ist, dass wir sagen, wir halten Eurobonds nicht für geeignet, Punkt. Allerdings bin ich auch der Auffassung, dass es wenig Sinn macht, immer auf Prinzipien und absoluten Positionen herumzureiten, sondern es kommt darauf an, dass man sich um die Lösung konkreter Probleme kümmert. Und im Augenblick ist es so, dass wir weitreichende Veränderungen der europäischen Verträge zu verabschieden haben, dass wir das Griechenland zu verabschieden haben und dass wir gut daran tun, dies parlamentarisch so zu organisieren, dass davon Glaubwürdigkeit ausgeht auch nach außen. Die Diskussion zum Thema Eurobonds, die muss im Augenblick nicht weitergeführt werden und die werden wir auch nicht weiterführen.

    Kapern: Ich möchte nicht unangenehm auffallen, wenn ich jetzt beharre, Herr Altmaier, aber noch mal nachgefragt: dieses klare Nein zu Eurobonds, von dem Sie eben gesprochen haben, das klingt, wenn man die Worte von Wolfgang Schäuble im "Spiegel" nachliest, durchaus etwas anders: Schäuble sagt, Eurobonds kommen nicht infrage, solange Länder noch eine eigene Finanzpolitik betreiben in der EU. Das heißt also, unter bestimmten Bedingungen kommen sie dann doch infrage?

    Altmaier: Herr Kapern, es ist ja sehr ehrenhaft, dass Sie versuchen, immer wieder an diesem Punkt nachzubohren …

    Kapern: … danke! …

    Altmaier: Es ist nur so, dass wir in den letzten zwölf Monaten immer wieder vor Situationen standen, für die es kein Drehbuch gegeben hat, die exzeptionell waren und wo es der Politik gelungen ist, Lösungen zu finden, die den deutschen Steuerzahler bis jetzt nicht erheblich belastet haben und die dazu geführt haben, dass der deutsche Aufschwung weitergehen konnte. Diese Lösungen, die wir gefunden haben, sind im Übrigen auch im Einklang mit unseren eigenen stabilitätspolitischen Prinzipien, das heißt nämlich, dass wir gesagt haben, es müssen die Defizite reduziert werden, es müssen die betroffenen Länder Sparanstrengungen unternehmen. Und nur, weil wir so hart waren auch in der Frage der Eurobonds, ist es gelungen, diesen Paradigmenwechsel zustande zu bringen. Und deshalb sage ich Ihnen: Wir haben keinen Grund, die bisherige Situation zu verändern, das hat auch Wolfgang Schäuble nicht getan. Trotzdem sage ich auch: In dieser ganzen Debatte wusste niemand zu Beginn, wie sich die Entwicklung vollziehen wird, und deshalb war es richtig, dass wir mit kategorischen Festlegungen für alle Zukunft vorsichtig waren. Wir können immer nur für die überschaubare Zukunft reden, und da sagen wir: Eurobonds zum jetzigen Zeitpunkt – nicht die richtige Lösung!

    Kapern: Gut. Es könnte aber, das bleibt festzuhalten, ein anderer Zeitpunkt kommen. Sie haben eben, Herr Altmaier, darauf hingewiesen, dass es jetzt erst mal darauf ankommt, die jüngsten Beschlüsse der EU zur Eurorettung im Bundestag dann auch umzusetzen. Da hat ja Bundestagspräsident Norbert Lammert am Wochenende der Bundesregierung einen derben Schuss vor den Bug gegeben und klargemacht, dass diese Beschlüsse nicht innerhalb weniger Tage durch das Parlament gepeitscht werden können. Wie bewerten Sie das?

    Altmaier: Ich habe das eigentlich eher als Ermahnung an das Parlament selbst aufgefasst, denn wir entscheiden ja über unseren Beratungsrhythmus. Wenn Sie sich die Beratungen der letzten Monate ansehen, dann werden Sie feststellen, dass das Parlament noch nie so viel Einfluss in europapolitischen Fragen hatte. Wir haben in insgesamt vier Stellungnahmen der Bundesregierung vor entsprechenden europäischen Gipfelkonferenzen unsere Politik mit auf den Weg gegeben, und die Bundesregierung hat dies zu einem ganz großen Teil auch durchsetzen können. Jetzt kommt es darauf an, die Beratungen zu den Euro-Beschlüssen so zu strukturieren, dass sie einem parlamentarischen Verfahren würdig sind. Da sind wir in Gesprächen auch mit anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag, und ich gehe davon aus, dass wir eine Beratungsfrist haben werden, die ausreichend ist, nämlich insgesamt fast vier Wochen, dass wir ein ganz normales Verfahren haben werden ohne unziemliche Fristverkürzungen, und dass es deshalb möglich sein wird, auch unter Einbeziehung der Öffentlichkeit ein Verfahren darzustellen, was einen zügigen Abschluss bis Ende September möglich macht, und gleichzeitig aber alle Rechte des Parlamentes zur Geltung kommen.

    Kapern: Das ist eine interessante Interpretation der Intervention des Bundestagspräsidenten, Herr Altmaier, die Sie da liefern, denn wenn ich das richtig sehe, gibt es ja bislang nichts, worüber der Bundestag überhaupt nur beraten könnte, die Bundesregierung hat noch gar nichts schriftlich vorgelegt. Warum also sollte dann diese Ermahnung des Bundestagspräsidenten an den Bundestag gerichtet sein?

    Altmaier: Zum einen muss man fairerweise sagen, dass die Bundesregierung deshalb noch nichts vorgelegt hat, weil die entsprechenden europäischen Texte noch nicht fertig geworden sind, das entzieht sich aber zu wesentlichen Teilen dem Einfluss der Bundesregierung. Sobald diese Texte fertig sind, wird es eine Kabinettsbefassung geben. Ich gehe im Augenblick davon aus, dass dies zeitnah in den nächsten Wochen der Fall sein wird, und dann werden wir ab dieser Kabinettsbefassung etwa vier Wochen insgesamt benötigen, um zu einem vernünftigen parlamentarischen Prozess zu kommen. Und das hat, glaube ich, Norbert Lammert auch gemeint. Die Bundesregierung kann nichts durchs Parlament peitschen, weil das Parlament selbst darüber entscheidet, und zwar sehr selbstbewusst entscheidet, wie es seine Beratungsprozesse strukturiert. Und ich kann nur sagen, in meiner Verantwortung als Parlamentarischer Geschäftsführer haben wir beim Atomausstieg vor einigen Wochen bei den Beratungen über die bisherigen Euro-Beschlüsse immer wieder gezeigt, dass es möglich ist, solche Verfahren nicht nur korrekt, sondern auch so zu organisieren, dass sie öffentlich Legitimation vermitteln.

    Kapern: Sind Sie sicher, dass der angepeilte Termin für die Schlussabstimmung, 23. September, gehalten werden kann?

    Altmaier: Unter der Voraussetzung, dass die europäischen Texte rechtzeitig fertig werden, dass wir vor Beginn der Sitzungswochen eine Vorlage der Bundesregierung bekommen, bin ich überzeugt, dass wir bis Ende September diese Beratungen in einer gründlichen und angemessenen Weise zu Ende führen werden.

    Kapern: Sind Sie denn auch überzeugt, dass die Koalition eine eigene Mehrheit für die Beschlüsse bekommen wird?

    Altmaier: Wir haben bei den letzten vier Abstimmungen im Deutschen Bundestag, die wir ja zu sehr schwierigen Themen – Griechenlandhilfe, großer Rettungsschirm. Portugal, Irland – immer wieder durchgeführt haben, ganz klare Mehrheiten aufseiten der Koalition gehabt. Ich füge aber hinzu: Es geht mir nicht nur um Mehrheiten der Koalition, sondern es geht mir darum, dass wir einen breiten Konsens im Bundestag deutlich machen. Und da sind die Äußerungen, die es vonseiten der Opposition gegeben hat, durchaus auch ermutigend. Ich glaube, dass inzwischen alle verstanden haben, dass wir eine gemeinsame parlamentarische Verantwortung haben für Europa, eine gemeinsame Verantwortung auch für den Euro. Und wenn sich dies in den Abstimmungen niederschlägt, dann wäre das ein sehr starkes Signal nicht nur für die europäischen Partner, sondern auch für die Märkte.

    Kapern: Klingt ein wenig so, als wollten Sie dem Fall vorbauen, dass die Koalition keine eigene Mehrheit bekommt?

    Altmaier: Nein, wir haben in den letzten beiden Jahren bei allen Problemen, die es im Übrigen gegeben haben mag, immer wieder unsere Mehrheit als Koalition deutlich gemacht und bei allen Abstimmungen solche Mehrheiten gehabt. Ich bin sehr überzeugt und sehr zuversichtlich, dass dies auch bei künftigen Abstimmungen im Deutschen Bundestag der Fall sein wird. Alles andere wäre übrigens politisch nicht einfach zu begründen. Und deshalb tut die Koalition gut daran, dass sie sich auf ihre eigene Mehrheit verlässt. Aber – und das füge ich hinzu – bei bestimmten, grundlegenden europäischen Fragen ist es gut, wenn es darüber hinaus parteiübergreifend und fraktionsübergreifend Mehrheiten gibt, und eine solche streben wir in diesem Fall an.

    Kapern: Peter Altmaier war das, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Altmaier, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Altmaier: Ich danke Ihnen!


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