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Altmaiers Maßnahmenbündel "kann für stabilere Preise sorgen"

Bei den Strompreisen müsse es "eine Art Deckel" geben, damit die Verbraucher kalkulieren könnten, sagt der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband. Dass durch die Vorschläge des Bundesumweltministers die Energiewende gestoppt werde, glaubt Gerd Billen nicht.

Gerd Billen im Gespräch mit Martin Zagatta | 29.01.2013
    Jasper Barenberg: Überrascht hat Peter Altmeier gestern alle, Gegner und Anhänger, die Opposition wie den liberalen Kabinettskollegen Philipp Rösler im Wirtschaftsministerium. Ein ganzes Bündel von Schritten schlägt der Umweltminister vor, um den Anstieg der Strompreise zu bremsen und damit die Zustimmung zum Großprojekt Energiewende ein wenig jedenfalls zu verbessern. Dafür will der CDU-Politiker die Umlage für Ökostrom einfrieren, aber auch die Industrie stärker belasten als bisher.

    Mein Kollege Martin Zagatta hatte Gelegenheit, über den Vorstoß von Umweltminister Altmaier mit dem Verbraucherschützer Gerd Billen zu sprechen. Er hat den Mann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen gefragt, was er von Altmaiers Plänen hält, ob er damit rechnet, dass damit der Anstieg der Strompreise tatsächlich gebremst werden kann.

    Gerd Billen: Ich glaube, das Maßnahmenbündel, das Herr Altmaier vorgeschlagen hat, kann für stabilere Preise sorgen. Wichtig ist es, dass es eine Art Deckel gibt, dass die Verbraucher kalkulieren können, dass die Beträge, die sie jetzt auch gerne für die Finanzierung von erneuerbaren Energien im Strombereich ausgeben, aber eben auf Dauer auch auf dem Niveau verbleiben.

    Martin Zagatta: Sie sagen, einen Deckel für die Verbraucher. Wie ist das jetzt mit möglichen Investoren? Da lautet die Kritik ja jetzt, die werden verunsichert.

    Billen: Mich überzeugt das Argument nicht. Wir haben ja die Diskussion über die notwendige Reform des EEG, die Überprüfung von Vergütungssätzen schon seit einem Jahr, und es ist völlig offensichtlich, dass wir hier zu Veränderungen kommen müssen. Die knappen Mittel, auch die knappen Mittel der Verbraucher sollten möglichst effizient eingesetzt werden. Wir brauchen eine bessere Koordination. Ich glaube nicht, dass hier Investoren verunsichert werden. Von daher, meine ich, sind die Vorschläge gut und ich hoffe darauf, dass auch die Opposition zu einem sachlichen Dialog zu den Themen bereit ist.

    Zagatta: Wenn die Verbraucher, wovon Sie ausgehen, jetzt da Geld sparen, wer zahlt denn dann die Zeche oder wer legt da in Zukunft drauf?

    Billen: Noch geht es ja nicht ums Sparen, sondern jetzt geht es darum, dass die derzeitigen wie die kommenden finanziellen Aufwendungen für die Energiewende anders verteilt werden, und da gibt es mehrere Dinge, die zu tun sind. Wir haben eine sehr umfangreiche Liste vorgelegt, wie die Unternehmen, die jetzt sowohl beim Netzausbau als auch bei der Förderung der Erneuerbaren ausgenommen sind, wie man die an der Finanzierung der Energiewende beteiligen kann. Die Industrie beispielsweise ist für fast 20 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland verantwortlich, zahlt aber unter zwei Prozent nur bei der Förderung der Erneuerbaren ein. Hier müssen Ungerechtigkeiten beseitigt werden und es muss mehr Effizienz bei der Förderung der Erneuerbaren geben.

    Zagatta: Beim Stichwort energieintensive Unternehmen, die Sie stärker belasten wollen, nach welchen Regeln muss das geschehen? Was läuft da im Moment falsch?

    Billen: Im Moment ist es so, dass Unternehmen anmelden können, dass sie ab einem bestimmten Prozentsatz durch die erneuerbaren Energien zu hohe Strompreise zahlen. Das ist ein allgemeiner Satz. Es findet keine Prüfung im Detail statt, ob die Preise wirklich zu hoch sind. Es wird auch nicht geguckt, ob Unternehmen im Export tätig sind. Und ich meine, man muss es hier sehr restriktiv fassen. Es ist ohnehin nicht die Aufgabe der Verbraucher, über unsere Strompreise Industriepolitik zu betreiben, und deswegen müssen diese vielen und zunehmenden Ausnahmen beendet werden. Hier hat Herr Rösler und Herr Altmaier in den letzten zwei Jahren viel zu wenig getan, denn unter der gegenwärtigen Koalition ist die Zahl der Betriebe, die Ausnahmen haben wollen, nach oben geschossen.

    Zagatta: Welche Auswirkungen werden denn diese Maßnahmen, wenn man sie jetzt umsetzt, welche Auswirkungen werden die für die Ökobranche haben?

    Billen: Ich glaube, die wichtigste Auswirkung wird sein, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und überlegen müssen, welche erneuerbare Energie baue ich an welchem Standort in welchem Tempo aus. Wir haben ja das große Problem: Wir brauchen zunächst mal Netze, damit der erneuerbare Strom aufgenommen werden kann. Von daher, glaube ich, muss es jetzt vor allem um mehr Koordination gehen.

    Das Zweite ist: Schon jetzt ist für viele Verbraucherinnen und Verbraucher es lohnend, sich eine Fotovoltaik-Anlage aufs Dach zu stellen, und das wird in Kürze auch ohne Förderung für Verbraucher interessant werden. Insofern ist die große Sorge, da findet ein Stoppbau statt, etwas, was ich nicht teilen kann.

    Zagatta: Also die Energiewende wird nicht torpediert? Die Grünen sagen das ja, mit diesen Maßnahmen würde die Energiewende torpediert. Aus Ihrer Sicht stimmt das nicht?

    Billen: Nein, ich kann das nicht nachvollziehen. Die Energiewende muss eben auch kosteneffizient sein und ich würde mich freuen, wenn sich Grüne und SPD mit Herrn Altmaier an einen Tisch setzen würden, um zu überlegen, was sind die nötigen Schritte und in welcher Reihenfolge finden sie statt. Das Flügelschlagen hat etwas mit der Bundestagswahl zu tun und hat damit zu tun, dass sich die Parteien – und das ist ja auch ihre Aufgabe – jetzt besonders profilieren wollen und auch müssen. Aber wenn man sich die Dinge von der Sache her anguckt, dann wird hier der Ausbau der Erneuerbaren nicht gestoppt, gebremst oder zurückgefahren, sondern es wird dafür gesorgt, dass er effizienter erfolgt. Und eines müssen auch SPD und Grüne sehen: Es kann keine Förderung ohne Deckel geben, nach dem Motto, egal wie viel Strom produziert wird, am Ende sollen ihn immer die Verbraucher zahlen. Das kann politisch nicht sein.

    Barenberg: Gerd Billen, der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, im Gespräch mit Martin Zagatta.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.