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Altpapiertag 2005

Altpapiersammeln und Mülltrennen ist für viele Bürger ihr Beitrag zum Umweltschutz. Und es scheint sich zu lohnen, zumindest, was das Sammeln von Altpapier angeht. Mehr als 14 Millionen Tonnen Papier sind 2004 in Deutschland wiederverwertet worden, sagt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. In Bad Neuenahr tagt die Altpapierbranche zur Zeit. Mit mehr als 500 Teilnehmern wird dort über Politik, Markt, Wettbewerb und Zukunft geredet. Mit der richtigen Idee am Markt orientiert hat sich der Kleinunternehmer Fritz Bethke aus Schönermark in Brandenburg, nahe der polnischen Grenze. Er nämlich macht Müll zu Geld. Müll aus der Papierindustrie, der früher auf die Deponie gekippt wurde.

Von Andrea Kalbe | 25.02.2005
    Eine alte Fabrikhalle direkt an der Landstraße. Auf dem Hof hinter dem Gebäude dröhnt und scheppert es. Ein Bagger gräbt seinen Greifarm in einen drei Meter hohen Müllberg und schaufelt den Abfall in eine Häckselmaschine. Hier im östlichsten Teil Brandenburgs betreibt der Kleinunternehmer Fritz Bethke seine so genannte Sekundärbrennstoffkonditionierungsanlage. Hinter dem sperrigen Wort verbirgt sich eine clevere Geschäftsidee. Der 52-Jährige recycelt Abfälle aus einer Papierfabrik in Schwedt. In den Altpapierballen, aus denen die Fabrik wieder das reine Papier herstellt, befinden sich nämlich auch andere Materialien. Sie haben sich zu schlangenförmigen Wülsten verheddert:

    Das hier ist der Zopf aus der Papiergewinnung, als Restmaterial, also als Abfall, was bis jetzt immer auf der Deponie gelandet ist bei uns. So, und jetzt haben wir uns Gedanken gemacht, wie kriegen wir diesen Zopf wieder wirtschaftlich zu Nutze gebracht. Sie sehen hier in dem Zopf Metall, Folie, Textilien, alles kreuz und quer. Um daraus wieder einen Wertstoff zu machen, brauchen wir verschiedene mechanische Vorgänge.

    Bedeutet: Die Materialien müssen voneinander getrennt werden, um die Rohstoffe zurück zu gewinnen. Dazu werden die bis zu 20 Meter langen Abfallwülste in der Schredderanlage erst grob zerteilt und dann fein gehäckselt - alle Stoffe sind nun lose und voneinander getrennt. Ein halbes Jahr hat Fritz Bethke nach einer geeigneten Maschine dafür gesucht:

    Wir hatten irgendwo Ideen oder Vorstellungen, wie so was aussehen könnte, sind dann über die Lande gefahren, haben versucht, irgendein Modell zu finden. Haben dann letztendlich eine skandinavische Maschine entdeckt im Kabelrecycling, mussten die dann noch ein bisschen umbauen, dass wir einen größeren Durchlass hatten und es hat funktioniert.

    Der geschredderte Abfall gelangt über ein Förderband in die Halle, wo ein Magnet die Metallreste herauszieht. Pro Woche landen mehrere Tonnen in den riesigen Containern neben dem Förderband. Die Stahlfirmen zahlen für solchen Schrott derzeit hohe Preise. Übrig bleiben die Kunststoff- und Textilreste, die vom Band auf den Boden fallen und sich zu großen Haufen türmen. Sie werden in einer anderen Schwedter Papierfabrik als Brennstoff eingesetzt, sparen dort teures Heizöl oder Gas. Auch dafür bekommt Fritz Bethke wieder Geld. Die Recycling-Idee kam dem Unternehmer, der auch im Landschaftsbau und Holzgeschäft tätig ist, aus einem ganz praktischen Grund:

    Wir haben mehrere Schredderanlagen, in denen wir Holzspäne herstellen und das auch der Papierfabrik zufügen als Verbrennungsmaterial. Eine Alternative dafür wurde dann praktisch gesehen, als wir hörten, die Deponie im Nachbarort Pinnow würde schließen. Und als wir das Material gesehen haben, haben wir gesagt: Mensch, wo kommt das Material danach wohl hin.

    Ab diesem Sommer dürfen in ganz Deutschland keine unbehandelten Abfälle mehr auf Müllhalden landen - sie müssen vorher verbrannt oder kompostiert werden. Bis zum Jahr 2020 will die Bundesregierung auf die Deponien sogar komplett verzichten. Fritz Bethke hat also eine echte Marktlücke entdeckt. Sein Konzept nutzt dabei nicht nur der Wirtschaft, sondern schont auch die Umwelt, meint Vera Susanne Rotter vom Institut für Technischen Umweltschutz an der TU Berlin:

    Bei der Deponierung würden ja zum einen die Wertstoffe quasi ungenutzt im Boden verbleiben und aus dem organischen Material würde sich auf lange Sicht Deponiegas bilden - also methanhaltiges, brennbares Gas, was dann emittiert und dann auch deutlich stärker als beispielsweise CO2 zum Treibhauseffekt beiträgt.

    So wie von dem Abfall, den die Schwedter Papierfabrik noch vor kurzem auf die Deponie gekippt hat. Bis zu 20.000 Tonnen kamen da pro Jahr zusammen. Dank Fritz Bethkes Recycling-Konzept belastet dieser Müll jetzt nicht mehr die Umwelt. Das Ganze bringt ihm noch dazu Geld und hat in der strukturschwachen Region ein Dutzend Arbeitsplätze geschaffen.