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Alzheimer auf der Spur

Neurologie. - Bis heute gibt es keine effektive Behandlungsmethode gegen die Alzheimersche Krankheit. Einen wichtigen Schritt hin zum genaueren Verständnis der Krankheit haben jetzt Osnabrücker Neurobiologen gemacht.

Von Christoph Kersting | 22.01.2010
    Verantwortlich für die typischen Verhaltensänderungen von Alzheimer-Patienten sind zwei bestimmte Proteingruppen im menschlichen Gehirn: die Gruppe der so genannten A-Beta- sowie die der Tau-Proteine. Sind die A-Beta-Proteine fehlerhaft gefaltet, entstehen im Hirn die charakteristischen Verklumpungen, auch "Plaques" genannt. Hinzu kommen Bündel der Tau-Proteine, die sich an Nervenzellen anlagern. Betroffen von diesen Veränderungen ist vor allem der älteste Teil des menschlichen Gehirns, der Hippocampus, erklärt Neurobiologe Roland Brandt von der Uni Osnabrück:

    "Und die Aufgabe der Forschung besteht darin, zu versuchen, diese beiden Veränderungen nachzuahmen, Modelle zu schaffen, Tiermodelle zu schaffen, bei denen es zu diesen Änderungen kommt und zu den Konsequenzen, eben zu dem Verlust der synaptischen Kontakte auf der einen Seite und zum Absterben der Nervenzellen auf der anderen Seite."

    Und genau das ist Roland Brandt und seinem Forscherteam am Mausmodell gelungen. Für ihre Versuche bauten die Forscher im ersten Schritt ein menschliches Gen in das Erbgut der Mäuse ein, das die Produktion von A-Beta-Protein auslöst. Ein zusätzlich injiziertes Virus nun führt zur Produktion der Tau-Proteine, die an ein weiteres grün leuchtendes Protein gekoppelt sind. Nur so - anhand des grünen Leuchtens - konnten die Biologen anschließend unter einem speziellen Mikroskop erkennen, welche Zellen im Maushirn tatsächlich Tau-Proteine enthalten.

    "Und auf diese Weise bringen wir beides zusammen: über den transgenen Hintergrund die A-Beta-Pathologie, über die Virus-Infektion die Tau-Pathologie. Und wir können dann genau schauen: Was passiert eigentlich mit den Nervenzellen, die grün aufleuchten, die Tau exprimieren, wenn A-Beta da ist, wenn A-Beta nicht da ist? Führt das dazu, dass die Nervenzellen verstärkt absterben, dass sie das weniger tun, dass sie die synaptischen Kontakte verlieren? Also wir können hier auch die zeitliche Abfolge der Krankheitsveränderungen in einem Modell präzise verfolgen."

    Und das quasi im Zeitraffer, denn Veränderungen, die beim Alzheimer-Patienten über Jahre vonstatten gehen, brauchen im Mausmodell nur wenige Tage. Dabei hat sich laut Roland Brandt ganz klar gezeigt, dass die Plaques, ausgelöst durch A-Beta-Protein, zum Verlust der synaptischen Verbindungen führen, die Nervenzellen jedoch nur dann absterben, wenn das Tau-Protein hinzukommt. Unter dem Laserscanning-Mikroskop zeigt Roland Brandt, wie der Verfall der Zellen sichtbar wird:

    "Sie sehen hier zum Beispiel zwei Tage nach Infektion einzelne Nervenzellen, die gesund aussehen, leuchten hier grün auf, sehen aber völlig gesund aus. Wenn wir einen Tag später schauen, sehen wir, dass diese Zellen deutlich dicker geworden sind. Im Englischen wird das als "ballooning" bezeichnet, sie bilden einen Ballon aus, und das ist eine Art, wie Nervenzellen absterben können, eine andere Art ist, dass die Nervenzellen einfach verloren gehen. Sie sehen nach zwei Tagen völlig unauffällig aus, nach drei Tagen sind sie nicht mehr da."

    Diese neuen Erkenntnisse sind laut Roland Brandt ein wichtiger Schritt hin zu ersten Therapieansätzen bei Alzheimerpatienten:

    "Das Neue dabei ist, dass wir auf diese Weise komplett die Alzheimer-Pathologie nachbilden können und dann zum Beispiel in Kooperation mit Pharmaunternehmen Substanzen testen können, bei denen wir dann in Echtzeit sehen können, ob sie wirksam sind, ob sie einen Einfluss haben auf synaptische Kontakte, oder ob sie verhindern, dass die Nervenzellen absterben, wie ich Ihnen das gezeigt habe."