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Alzheimerforschung
Vergesslichkeit aus dem Darm

Bei einer Alzheimer-Demenz verlieren Betroffene immer mehr das Gedächtnis, die Erinnerung und auch ihre ganze Persönlichkeit. Die Krankheit führt unweigerlich zum Tod. Nun hat ein internationales Forscherteam bei Mäusen Hinweise darauf gefunden, dass auch die Darmbakterien an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sein könnten.

Von Christine Westerhaus | 10.04.2017
    Der Hinterkopf einer alten weißhaarigen Frau, die ihren Kopf auf die linke Hand stützt.
    Alzheimer ist eine folgenreiche Diagnose. (dpa/Patrick Pleul)
    Warum sich bei der Alzheimer-Krankheit sogenannte Plaques im Gehirn ablagern, haben Forscher noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Klar ist aber, dass diese Ablagerungen fatale Folgen haben: Was mit leichter Vergesslichkeit beginnt, endet später unweigerlich mit dem Tod der Betroffenen. Ein Gegenmittel gibt es nicht. Doch Frida Fåk von der Lund Universität und ihre Kollegen sind einer Möglichkeit auf der Spur, das Fortschreiten der Krankheit bremsen zu können: Sie haben bei Mäusen nachgewiesen, dass die körpereigenen Mikroben der Tiere die Bildung der Alzheimer-Plaques im Gehirn beeinflussen.
    "Meine Kollegen hatten bei Mäusen mit Alzheimer beobachtet, dass sich die Krankheit bei keimfreien Tieren, die also ganz ohne Bakterien lebten, langsamer entwickelte. Daraufhin baten sie mich, die Bakteriengemeinschaften im Darm von kranken und gesunden Mäusen miteinander zu vergleichen. Und dabei sahen wir, dass Tiere mit Alzheimer andere Mikroben im Darm beherbergten, als gesunde."
    Darmbakterien sorgen für mehr Alzheimer-Plaques
    Im nächsten Schritt verpflanzten die Forscher die Bakterien kranker Tiere in gesunde Artgenossen, die zuvor keimfrei gehalten worden waren. Dieser Mikrobentransfer führte dazu, dass die gesunden Tiere vermehrt typische Alzheimer-Plaques im Gehirn bildeten. Wie die Bakterien die Produktion dieser schädlichen Ablagerungen ankurbeln und welche Keime dafür verantwortlich sind, ist bisher unklar. Frida Fåk vermutet aber, dass die Stoffwechselprodukte der Mikroben das Immunsystem im Darm beeinflussen und dadurch Entzündungsprozesse im Gehirn hervorrufen könnten.
    "90 Prozent aller Abwehrzellen des Immunsystems sitzen im Darm. Daher beeinflussen die Vorgänge im Darm immunologische Prozesse im ganzen Körper, auch im Gehirn. Wenn man also die Darmbakterien positiv oder negativ beeinflusst, wirkt sich das eventuell sogar auf die Funktionsweise des Gehirns aus."
    Auch andere Forscher haben bereits nachgewiesen, dass Darmbakterien Vorgänge im Gehirn beeinflussen können. So wirken sie sich beispielsweise auf die sogenannte Blut-Hirn-Schranke aus – eine Barriere, die normalerweise verhindert, dass schädliche Substanzen eindringen können. Eine weitere Studie hat zudem gezeigt, dass diese Barriere bei Alzheimer-Patienten durchlässiger ist, als bei Gesunden. Das Besondere an dieser Form der Demenz ist, dass sie in den meisten Fällen ältere Menschen betrifft. Frida Fåk vermutet hier einen interessanten Zusammenhang.
    "Es ist bekannt, dass sich die Darmflora im Laufe eines Lebens radikal verändert. Wenn man älter wird, stellt sich die Verdauung um: Sie wird langsamer und kann die Nahrung nicht mehr so effektiv abbauen wie in jungen Jahren. Dadurch verändert sich auch die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm."
    Ältere Menschen sollten auf gesunde Ernährung achten
    Zwar haben die Forscher bisher nur bei Mäusen gezeigt, dass die Darmbakterien die Entwicklung der Alzheimer-Plaques im Gehirn beeinflussen. Doch menschliche Bakterien können in Mäusen ähnliche Effekte hervorrufen, wie bei uns. Das haben Transplantationsexperimente bereits gezeigt.
    "Wir hoffen, dass sich die Alzheimer-Krankheit vorbeugen lässt, indem wir versuchen, unsere Darmflora das ganze Leben über gesund zu halten. Alzheimer ist eine Krankheit, die sich über viele Jahre hinweg entwickelt, bis sie die ersten Symptome zeigt. Wenn es uns gelingt, ihren Verlauf zu verlangsamen, indem wir die Bakteriengemeinschaft im Darm positiv beeinflussen, bekommen die Betroffenen vielleicht erst mit 90 Jahren die ersten Symptome."
    Deshalb sollten insbesondere ältere Menschen auf eine gesunde Ernährung achten, meint Frida Fåk. Denn weil Ältere oft weniger zu sich nehmen, sei es umso wichtiger, dass sie das Richtige essen.