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Amazons vernetzter Lautsprecher
Privatsphäre? Fehlanzeige!

Alexa ist möglicherweise Zeugin eines Mordes im US-Bundesstaat Arkansas geworden. Die Ermittler können sie aber nicht befragen - denn Alexa ist ein digitaler Assistent von Amazon, der am Ort des Verbrechens installiert war. Und das US-Unternehmen weigert sich bislang, die Nutzerdaten an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Von Marcus Schuler | 07.01.2017
    Der Amazon Echo Dot ist ein Lautsprecher, der auf den Namen "Alexa" hört und als Sprach-Schnittstelle zu Amazon-Produkten fungiert. Über den Amazon Echo Dot lassen sich Waren bestellen und Geräte im Haushalt steuern.
    Mit diesem Lautsprecher, der auf den Namen Alexa hört, lassen sich Waren bestellen und Geräte steuern. (picture alliance/dpa/Markus C. Hurek)
    So bizarr sich die ganze Geschichte anhört, so prekär könnte die Situation für den noch jungen Industriezweig "Internet of Things" werden. Es geht um die Nacht des 22. Novembers 2015. Im Verdacht: James B. Während er angeblich schlief, ist im Whirlpool seines Haus ein anderer Mann zu Tode gekommen, und zwar durch Strangulation. Der Tathergang ist noch unklar - doch es könnte einen Zeugen geben: Alexa - der digitale Assistent der Amazon Echo-Box war im Wellnessbereich mit dabei. Doch sowohl der unter Verdacht stehende James B. als auch Amazon haben sich in den vergangenen Monaten geweigert, den Behörden Zugang zu den Daten von Alexa zu geben, die Amazon speichert. Für die New Yorker Juristin und Datenschutz-Expertin Midwel Charles ist der Fall klar, über kurz oder lang wird das Unternehmen aus Seattle die Daten zur Verfügung stellen müssen, spätestens, wenn es einen richterlichen Beschluss gibt. Dem Fernsehsender MSNBC sagte sie:
    "Der große Unterschied ist doch: Hier sind Mikrofone installiert, und deren Aufnahmen werden zu einem Dritt-Anbieter geschickt, um von dort eine Antwort zu erhalten. Und das heißt genau genommen: Die Anforderungen an eine Art von Privatsphäre sind hier nicht mehr gegeben."
    Die Box ist ständig eingeschaltet
    In Deutschland ist Amazon Echo erst vor wenigen Wochen auf den Markt gekommen. In den USA kam der mit 23 Zentimetern hohe und mit sieben Mikrofonen ausgestattete digitale Assistent bereits vor anderthalb Jahren heraus. Auch wenn keine genauen Verkaufszahlen vorliegen, die Echo-Box dürfte in den USA sicherlich hunderttausendfach verkauft worden sein. Wer in seiner Gegenwart das Signalwort Alexa ausspricht, kann dem Gerät Befehle geben. Beispiele:
    "Alexa, wie ist das Wetter heute in New York?
    "Alexa, welchen Tag haben wir heute?"
    Alle Sprachbefehle, die man Alexa gibt, schickt der Assistent über das Internet verschlüsselt in die Cloud von Amazon, wertet sie aus und sendet die entsprechende Antwort zurück. Das Besondere: Die Box ist ständig eingeschaltet, damit es sein Signalwort nicht verpasst. Amazon sagt: Echo lausche, die Box nehme aber nichts auf. Das passiere erst, wenn man das Signalwort sagt.
    "Alexa, wie spät ist es gerade?"
    Wie ein Versuchskaninchen
    Die Audiodateien, die dann in die Amazon Cloud geschickt werden, sind am Anfang jeweils um rund eine halbe Sekunde länger. Damit will man sicherstellen, dass wirklich alle relevanten Informationen zur Auswertung an Amazon übertragen werden. Wer Nutzer von Echo ist, kann auf seinem Smartphone alle übermittelten Daten ansehen, nochmals anhören oder von den Amazon Servern löschen. Amazon lernt aus den Fragen seiner Nutzer. Es wertet sie nach eigenen Angaben anonymisiert aus, um die Fähigkeiten des Assistenten ständig zu verbessern. Und genau hier setzen die US-Behörden an: Sie erhoffen sich aus eventuellen Hintergrundgeräuschen Hinweise zum Tathergang. Der Tech-Blogger Scott Stein des Tech-Portals Cnet wirft vor allem der US-Regierung Versäumnisse vor. Denn die habe es bislang nicht geschafft, endlich Gesetze auf den Weg zu bringen. Er komme sich mit den digitalen Assistenten, egal ob von Amazon und Google, häufig wie ein Versuchskaninchen vor, so Stein gegenüber dem Radiosender NPR.
    "Die Frage lautet: Wird es Regierungen oder Behörden erlaubt sein, auf diese Dritt-Daten zuzugreifen? Werden Unternehmen Zugriff gewähren? Wie ist das in einem Kriminalfall? Dieses Verfahren ist nach wie vor ungeklärt."
    In den nächsten Wochen hat nun ein Richter zu entscheiden, ob Amazon tatsächlich Zugang zu den Daten des Verdächtigen gewähren muss. Den Nutzern von digitalen Assistenten sollte spätestens dann klar sein, dass es auch bei Alexa und Co. selbst in den eigenen vier Wänden keinen absoluten Schutz der Privatsphäre gibt.