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American Football
Kalifornische Träume

Umzugspoker ist ein für den US-amerikanischen Ligasport typisches Glücksspiel. Man wandert von einer Stadt in die andere und nimmt Sack und Pack mit. Am meisten steht dabei in der reichsten Liga, der NFL, auf dem Spiel.

Von Jürgen Kalwa | 27.12.2014
    Jeden Sonntag im Herbst und Winter verfolgen Millionen von Amerikanern in Südkalifornien ihre Lieblingssportart aus einer fremdelnden Distanz.
    Sie leben in Los Angeles, dem zweitgrößten Ballungsraum des Landes. Doch für sie hat Football gezwungenermaßen nicht die gleiche Bedeutung wie für Fans in anderen Regionen. Nur 150 Kilometer südlich in San Diego haben sie die Chargers. 500 Kilometer weiter nördlich in San Francisco und Oakland die 49ers und die Raiders.
    In LA haben sie nichts – außer einem Vakuum. Und das schon seit genau 20 Jahren. Damals packten beide Clubs – die Rams und die Raiders – zur gleichen Zeit ihre Sachen und wanderten ab.
    Woanders hätte der Lokalstolz unter solch einem Verlust schwer gelitten. In Los Angeles kam man auch ohne ein NFL-Team klar, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Victor Matheson von der Universität Holy Cross in Worcester, einer der angesehenen Experten in Sachen Sportökonomie in den USA.
    "In LA braucht man die NFL nicht. Es gibt Profi-Eishockey, zwei Basketballmannschaften, zwei Major-League Baseball-Clubs, mehrere sehr starke College-Footballteams, die samstags spielen anstatt sonntags. Es ist eine Stadt, in der viel los ist. Da braucht man keinen Profi-Football."
    Umzugsstreit
    Man braucht auch nicht jenen Zoff, den Al Davis entfachte – ein notorischer Querkopf. Um nach Los Angeles umziehen zu können, hatte der Besitzer des Raiders sich einst mit einer bahnabrechenden Klage gegen die NFL durchgesetzt. Die war gegen den Ortswechsel. Kaum zurück in Oakland, nervte er dort die Stadtväter und Steuerzahler. Er wollte Subventionen, weil sein Millionenbetrieb nicht genug einspielte.
    Davis starb 2011. Aber die Raiders blieben so etwas wie Kandidat Nummer eins für einen erneuten Umzug. Nach, man mag es kaum sagen, Los Angeles. Dorthin, wo Finanziers und Stadtverwaltung im Prinzip nur noch auf das grüne Licht von der Liga warten, um im Zentrum der Stadt ein neues Footballstadion zu errichten. Übrigens zur Abwechslung mal komplett mit privaten Mitteln finanziert. Bürgermeister Eric Garcetti:
    "Die NFL sieht den finanziellen Wert ist, nachdem die Clippers zu einem solch hohen Preis verkauft wurden."
    Zwei Milliarden Dollar waren das übrigens für die Clippers.
    Wie ein Gold-Rausch
    Hinter den Kulissen hat ein regelrechtes Wettrennen unter gierigen Team-Besitzern begonnen. So etwas wie ein Gold-Rausch.
    Weshalb die Ligaführung neulich auf die Bremse trat und erklärte: 2015 werden gar keine Anträge auf einen Umzug nach LA angenommen und bearbeitet. Und wer herumtricksen will, der riskiert einiges. Leigh Steinberg, ein profilierter Spielerberater, verriet neulich dem Radiosender "95.7 'The Game'", wie hoch die Geldstrafe wäre.
    "The NFL wants to control what the movement is into Los Angeles. Reportedly they put 460 million dollar fine on a team that would unilaterally try to enter Los Angeles."
    "460 Millionen Dollar Buße", sagte er. Dieser Betrag soll Clubs von eigenmächtigen Verhandlungen abhalten. Dass so viel an diesen modernen Glas- und Betonbauten hängt, ist nicht mal unbedingt eine Frage der Größe. Das zeigt das Beispiel der amerikanischen Fußballliga MLS. Und der Fall eines anderen Vakuums – in Miami, wo der örtliche Club nicht abwanderte, sondern 2001 so hohe Verluste aufgetürmt hatte, dass man ihn nach nur vier Jahren einfach einstampfte.
    Zugpferd Beckham
    Theoretisch hat man nun ein Zugpferd, um neu anzufangen – den Engländer David Beckham, der in den USA als Ex-Profi der Los Angeles Galaxy einen klangvollen Namen hat. Doch das Projekt stockt: Beckhams Pläne für ein fußballgerechtes Stadion mit einem Fassungsvermögen von nur 20.000 Zuschauern stoßen auf Widerstand.
    Professor Matheson sagt, die Neugründung steht oder fällt mit der Arena:
    "Die MLS will nicht, dass ein Club in einem Stadion spielt, das ihm nicht gehört. Wenn man nicht alle Einnahmemöglichkeiten selbst kontrolliert, kann man in dieser Liga so gut wie kein Geld verdienen."
    Und um Geld geht es schließlich auch hier. Um viel Geld. Beckham hatte sich bei seinem Vertragsabschluss 2007 garantieren lassen, sich für die geringe Summe von 25 Millionen Dollar in die Liga einkaufen zu können. Inzwischen liegt der Preis für Major-League-Soccer-Clubs beim Vierfachen. Beckham hätte also im Erfolgsfall auf einen Schlag 75 Millionen Dollar verdient. Dafür müssen gewöhnliche Fußballer ziemlich lange kicken.