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"American Sniper"
Held oder kaltblütiger Killer?

Bei den Oskars hat Clint Eastwoods "American Sniper" eine Auszeichnung für den besten Tonschnitt erhalten. Mehr aber nicht. Das Scharfschützen-Epos hat eine fulminante Kontroverse ausgelöst: Für die einen ist er ein amerikanischer Held, für die anderen ein pathologischer Killer.

Von Hartwig Tegeler | 25.02.2015
    Clint Eastwoods Scharfschützendrama "American Sniper" wurde für sechs Oscars nominiert.
    Clint Eastwoods Scharfschützendrama "American Sniper" wurde für sechs Oscars nominiert. (Imago)
    Die letzte Sequenz von "American Sniper" zeigt einen US-Soldaten in einem Irak-Ambiente an einer amerikanischen Flagge im Gegenlicht. Dann sind TV-Aufnahmen - bei dieser Musik hier - zu sehen, wo die Menschen, viele von ihnen mit den Star Spangled Banner in der Hand, den Weg zum Begräbnis von des realen Chris Kyle säumen. Das ist patriotischer Kitsch pur.
    Chris Kyle, im Film ein All-American-Boy, ist brillanter Schütze. Der vom 11. September ist sein Motiv, in den Krieg zu ziehen, um Amerikas Feinde zu bekämpfen. Chris - aufgepumpt, fast aufgedunsen gespielt von Bradley Cooper - wird Scharfschütze, Sniper. Und für seine Kameraden zur Legende. Nach vier Einsätzen im Irak kehrt er körperlich unversehrt zurück.
    "Würde es Sie überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass die Navy Ihnen etwas über 160 tödliche Treffer anrechnet."
    Nein, auch wenn Chris im Irak nicht mitgezählt hat. Er hat immer nur Böse getötet, voller Überzeugung.
    "Ich bin bereit, vor meinen Schöpfer zu treten und mir für jeden Schuss zu verantworten."
    Dann gibt ihm ein Psychologe den Tipp, anderen Veteranen zu helfen. Chris wird wieder normal. Seine angedeutete posttraumatische Belastungsstörung PTBS? Erledigt. Schließlich bringt ihn ein anderer Veteran auf dem Schießplatz um.
    Solide, spannend, gradlinig, ohne Schnörkel erzählt Clint Eastwood seine Geschichte und bietet damit Selbstvergewisserung für den US-Kinogänger.
    "Denken Sie manchmal, dass Sie Dinge gesehen haben, die Sie lieber rückgängig machen würden? - Oh, so bin ich nicht, nein."
    Clint Eastwoods Legendenbildung
    "American Sniper" ist Legendenbildung nach dem Motto des alten Großen des Western-Kinos, John Ford, der meinte, wenn die Wahrheit nicht ausreicht, erzähle die Legende. In "American Sniper" wird weder der Irak-Krieg noch seine Legitimierung als Teil des "war on terrorism" infrage gestellt werden. Dass die Bush-Administration den Einmarsch in den Irak mit vorgegaukelten Massenvernichtungswaffen legitimierte, pah, was soll´s, wir sind halt im Kino, und da sind die Iraker die gesichtslosen Bösen.
    "Ich habe einen verdächtigen Mann mit einem Handy, der den Konvoi beobachtet. Over. - Wenn Sie glauben, dass er Truppenbewegungen beobachtet, haben Sie grünes Licht. Ihre Entscheidung, over. - Womöglich ruft er nur seine Alte an. - Er ist aus dem Blickfeld."
    Natürlich weiß auch Clint Eastwood, dass es heute nicht mehr möglich ist, einen John-Wayne-Typ durch die Geschichte zu jagen. Ein zeitgenössischer Kriegsheld ...
    "Ich komme jetzt nach Hause."
    ... hat sein Quäntchen posttraumatische Belastungsstörung aus dem Einsatz mitzubringen.
    "Wo bist du? - Ich bin zu Hause, ich habe wohl etwas Zeit gebraucht."
    Kontroverse wurde losgetreten
    Und so hat nun der alte konservative Haudegen Clint Eastwood in den USA eine Kontroverse zwischen rechts und links losgetreten. Der Linke Noam Chomsky, seit Jahren heftiger Kritiker der US-Politik, stellt die rhetorische Frage, was die Verehrung eines kaltblütigen Killers in einem Film über das amerikanische Volk aussagt. Regisseur Clint Eastwood seinerseits nimmt für sich in Anspruch, nur gezeigt zu haben, was der Krieg aus einem Menschen mache.
    Doch die Frage, wer recht hat, ist genauso naiv, als wolle man fragen, ob der Brad-Pitt-Kriegsfilm "Herz aus Stahl" oder die Kathryn-Bigelow-Filme "The Hurt Locker" und "Zero Dark Thirty" gegen den Krieg oder gegen die Folter sind. So "geht" Hollywood eben nicht. Wäre diese Frage nämlich eindeutig zu beantworten, dann hätten die Regisseure wie jetzt auch Clint Eastwood etwas falsch gemacht. "American Sniper" lockte, weil er bemüht ist, jenseits aller Ideologie zu erzählen, in den USA sowohl linke Kritiker wie rechte Befürworter ins Kino. Damit hat "American Sniper" seine vornehmliche Aufgabe erfüllt. Man kann alles hineinlesen in diesen Film. Und das ist Absicht, weil das Voraussetzung ist, damit er weltweit an den Kassen funktioniert. Dieser ökomische Plan ist bei "American Sniper" schon aufgegangen. Nie hat Eastwood einen erfolgreicheren Film gedreht.