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EU-Parlament
EU stärkt Militärs in Afrika - umstrittener Kompromiss

Kritiker halten es für einen Tabubruch, doch für einige EU-Mitgliedstaaten geht der Kompromiss nicht weit genug: Künftig können für die Friedenssicherung und zivile Hilfsprojekte vorgesehene Gelder auch den Streitkräften in Drittstaaten zugutekommen gelassen werden.

Von Kai Küstner | 30.11.2017
    Äthiopische Soldaten der Ostafrikanischen Eingreiftruppe (EASF) auf der Militärbasis Gebeit
    Äthiopische Soldaten der ostafrikanischen Eingreiftruppe (Imago / Mohamed Khidir)
    Der EU-Geldtopf, um den es geht, trägt einen irgendwie beruhigend klingenden Namen: Instrument für Stabilität und Frieden nennt er sich. Bislang nutzte die Europäische Union ihn, um in Entwicklungsländern zum Beispiel Projekte zur Trinkwassergewinnung, Geschlechtergleichstellung oder Entradikalisierung von Jugendlichen zu fördern. Künftig wird die EU diesen Hilfstopf aber auch anzapfen können, um Sicherheitskräfte – sprich: das Militär – gerade in afrikanischen Staaten zu unterstützen:
    Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte dieser Tage:
    "Afrika braucht professionelle, gut ausgebildete und ausgerüstete Sicherheitskräfte, wenn wir sicherstellen wollen, dass unsere Entwicklungspolitik auch wirksam ist und unsere Hilfe bei den Bedürftigen auch wirklich ankommt."
    Sicherheit und Entwicklung müssten Hand in Hand gehen – sonst werde es mit beidem nichts, so Mogherinis Argument. Und auch aus den EU-Mitgliedsstaaten ist seit Langem die Klage zu hören, dass man mit viel Aufwand Soldaten zum Beispiel in Somalia ausbilde – dann aber das Geld fehle, um die Kämpfer auch nur mit dem Nötigsten auszurüsten. Und die folglich mit Flip-Flops als Schuhwerk Terror-Milizen gegenübertreten müssten. Kritiker allerdings lassen sich mit solchen Argumenten nicht überzeugen:
    "Es ist in keiner Weise verantwortbar, dass die zivile Krisenprävention geschrumpft wird", sagt der Grüne Außenpolitikexperte Reinhard Bütikofer.
    "Nach jahrelangem, erbitterten Ringen haben wir lediglich eine Maus geboren"
    Während Kritiker also in dem EU-Vorgehen einen Tabubruch sehen und fürchten, dass in Zukunft Hilfsgelder zunehmend umgewidmet werden, geht mehreren Mitgliedsstaaten die neue Regelung nicht weit genug:
    "Nach jahrelangem, erbitterten Ringen haben wir lediglich eine Maus geboren", macht ein EU-Diplomat, der ungenannt bleiben möchte, gegenüber dem ARD-Studio Brüssel aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis. Was die Mitgliedsstaaten stört: Es bleiben mit dem ausgehandelten Kompromiss Geld-Töpfe verschont, an die sie unbedingt heranwollten.
    "Ursprünglich sollten von den 100 Millionen Euro, die für die Pilotphase vorgesehen sind, 25 Millionen aus der Entwicklungszusammenarbeit genommen werden."
    Erklärt der SPD-Abgeordnete im EU-Parlament Arne Lietz. Es war der Sozialdemokrat, der federführend bei den Verhandlungen mit dafür sorgte, dass nun also kein Geld direkt aus einem EU-Entwicklungshilfetopf für militärische Zwecke genutzt wird. Wobei "militärische Zwecke" heißt: Waffen und Munition dürfen mit den EU-Mitteln ohnehin nicht beschafft, auch darf keine reine Kampfausbildung für Soldaten finanziert werden.
    Trotz der erzielten Einigung scheinen die wenigsten gänzlich überzeugt
    Obwohl es entschärft wurde, halten nicht wenige das ganze EU-Projekt nach wie vor für heikel – und zwar politisch wie rechtlich. Wie das ARD-Studio Brüssel bereits im Mai berichtet hatte, gelangten der juristische Dienst von Rat und Parlament unabhängig voneinander zu der Auffassung, die Pläne seien mit den Verträgen nicht vereinbar. Und auch SPD-Mann Arne Lietz schließt nicht aus, obwohl er die Sache im Grundsatz nun mitträgt, dass sich eines Tages der Europäische Gerichtshof mit der Frage wird beschäftigen müssen:
    "Klar. Es gab ja auch intensive Debatten im Europaparlament, ob das juristisch überhaupt geht."
    Für die einen hat der erzielte Kompromiss zu wenig Durchschlagskraft, die anderen hingegen halten die Verwendung von Friedensgeldern für Militärs ganz grundsätzlich für falsch. Trotz der erzielten Einigung scheinen die wenigsten gänzlich überzeugt von dem neuen Instrument, das die EU in Sachen Krisenabwehr nun in den Händen hält.