Ein Jahr nach dem Anschlag in Halle

Was sich verändert hat und was nicht

05:53 Minuten
Die Synagoge von Halle an der Saale, die am 9. Oktober 2019 Ziel eines antisemitischen Anschlags wurde.
Vor allem direkt nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle habe es zahlreiche Solidaritätsaktionen gegeben, so Korrespondent Niklas Ottersbach. © dpa/picture alliance/Geisler-Fotopress/Rolf-Peter Stoffels
Niklas Ottersbach im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 09.10.2020
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Vor genau einem Jahr ereignete sich der antisemitische Anschlag auf die Synagoge in Halle. Unser Korrespondent hat beobachtet, was sich in der Stadt seither gewandelt hat und was auf erschreckende Weise gleichgeblieben ist.
Am 9. Oktober 2019 gegen Mittag fielen die ersten Schüsse. Ein Rechtsextremer versuchte, die Tür der Synagoge in Halle zu demolieren. Sein Ziel war es, die in dem Gebäude versammelten Menschen zu töten. Der Plan schlug fehl, weil die Tür standhielt. Auf der Flucht erschoss der Täter auf offener Straße und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen. Der antisemitisch und rechtsextrem motivierte Anschlag sorgt weltweit für Entsetzen. Wie hat sich Halle seitdem verändert?
Die sichtbarste Veränderung sei der nun vor der Synagoge ständig präsente Polizeischutz, berichtet Korrespondent Niklas Ottersbach: Ein weißer Polizeicontainer und ein Polizeiauto stünden dort, Polizisten hielten Tag und Nacht Wache. Im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen müsse man unterscheiden zwischen der Zeit vor und der Zeit seit Corona.

Viel Solidarität direkt nach der Tat

"Direkt nach dem Anschlag gab es Lichterketten, Mahnwachen, Demos", berichtet Ottersbach. Auch ungewöhnliche Formen von Solidarität habe er beobachtet. So seien etwa Fußballfans des Halleschen FC wochenlang zu dem kurdischen "Kiez-Döner" gepilgert, in dem die tödlichen Schüsse auf Kevin S. fielen. Denn das Mordopfer sei Fan des Clubs gewesen.
"Ich hatte den Eindruck, da sind sich Menschen begegnet, die sonst vielleicht nicht so viel miteinander zu tun hatten." Durch die Corona-Pandemie sei vieles davon jedoch wieder eingeschlafen. "Da war dann jeder mit sich beschäftigt." Auch in der jüdischen Gemeinde sei Corona das bestimmende Thema, denn viele ihrer Mitglieder sind älter. Zugleich sei es schwer, das Gemeindeleben zu organisieren.

Weitere antisemitische Straftaten

Antisemitismus existiere in Halle trotz allem weiter, berichtet Ottersbach. "Das ist leider traurige Realität". So habe es einen Hitlergruß auf dem Marktplatz sowie mehrere Hakenkreuz-Schmierereien gegeben. Außerdem sei es auf Seiten der Polizei zum Versuch einer Vertuschung gekommen, als Beamte vor der Synagoge ein Hakenkreuz aus Zellstoff entfernten sollten - und es zum Versuch kam, es heimlich zu vernichten.
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