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Amoklauf von München
"Einsatz der Bundeswehr hätte nicht weitergeholfen"

Nach dem Amoklauf von München hat die Grünen-Politikerin Irene Mihalic im DLF klargestellt, dass sie wenig davon hält, die Bundeswehr einzubeziehen. Die Polizei habe hervorragende Arbeit geleistet, auch in der Öffentlichkeitsarbeit.

Irene Mihalic im Gespräch mit Sarah Zerback | 23.07.2016
    Sie sehen die Grünen-Politikerin Irene Mihalic
    Die Grünen-Politikerin Mihalic hält nicht viel davon, nach dem Amoklauf in München nun nach der Bundeswehr zu rufen. (dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini)
    Mihalic ist innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sie betonte, mit Forderungen nach einem Bundeswehr-Einsatz im Inneren müsse man sich jetzt zurückhalten. "Wenn man sich anschaut, mit was für einem hohen Engagement und mit welch guter Koordination der Polizeieinsatz abgelaufen ist, dann weiß ich nicht, was die Bundeswehr anders oder besser hätte machen können."
    Als problematisch bezeichnete sie dagegen die Rolle der sozialen Medien während der Gefahrensituation. Es seien Gerüchte gestreut und verbreitet worden, etwa über mehrere Täter und Tatorte. Auch habe man bei manchen Bildern nicht wissen können, ob sie echt oder gefälscht seien - und wie man sie bewerten müsse. Hervorragend sei dagegen die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei gewesen: sachgerecht und unaufgeregt zugleich.

    Das Interview in voller Läge:
    Sarah Zerback: Am Telefon ist jetzt Irene Mihalic. Sie sitzt für die Grünen im Bundestag, ist deren innenpolitische Sprecherin, und sie war selbst 20 Jahre lang im Polizeidienst tätig. Frau Mihalic, das ist nach Würzburg nun der zweite Vorfall innerhalb weniger Tage – was kann die Politik denn in dieser Situation leisten, also um so was wie Vertrauen und auch ein Gefühl von Sicherheit wiederherzustellen?
    Irene Mihalic: Es ist natürlich sehr schwerwiegend, was in den letzten Tagen passiert ist, also wenn wir an die Ereignisse in Nizza denken oder auch der Angriff mit einer Axt in einem Regionalzug in Würzburg, und ich kann sehr, sehr gut verstehen, dass jetzt große Teile der Bevölkerung extrem verunsichert sind, insbesondere wenn man jetzt auch noch mal sich die Lage in München vergegenwärtigt.
    "Wachsam sein, aber auch nicht in Panik verfallen"
    Es ist natürlich alles sehr, sehr schwierig einzuordnen, mit was für Ereignissen wir es hier zu tun haben, und man kann den Menschen im Grunde genommen nur raten, halt eben wachsam zu sein, aber auch nicht in Panik zu verfallen, also das ist mir auch noch mal ganz, ganz wichtig, sondern wirklich Besonnenheit an den Tag zu legen und sich davon nicht in Angst und Schrecken versetzen zu lassen, denn ich bin mir sicher, dass die Sicherheitsbehörden ihr Möglichstes tun.
    Und das haben wir gestern Abend ja auch in München erleben können, dass die Polizei da mit großem Engagement und hoher Einsatzbereitschaft vorgegangen ist, um wirklich alles zu tun, um die Bevölkerung vor solchen Anschlägen oder vor solchen Taten auch effektiv schützen zu können.
    Zerback: Auch wenn es ja sicherlich noch viele Fragezeichen gibt, vor allem in München, aber auch in Würzburg, so ist doch schon klar, dass die beiden Fälle gemein haben, dass die Täter den Behörden unbekannt waren. Wie kann das denn sein?
    Mihalic: Das Problem, was wir in der Bekämpfung des Terrorismus haben, ist ja eben genau die Frage des Informationsflusses, ob Sicherheitsbehörden rechtzeitig Kenntnis von solchen Planungen erlangen. Wenn es sich um ganz spontane Taten handelt oder halt eben Taten, die eben nicht aus einer größeren Gruppe heraus begangen sind, dann, befürchte ich, wird man da mit allen Reaktionsmöglichkeiten, die es so gibt, auch nicht wirklich weiterkommen, und da ist den Sicherheitsbehörden aber in dem Sinne auch kein Vorwurf zu machen.
    "Die Polizei ist sehr abgestimmt und sehr koordiniert vorgegangen"
    Zerback: Forderungen gibt es da immer wieder, vor allem aus der CSU, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zuzulassen. Wäre das Ihrer Meinung nach der richtige Weg in so einer Situation?
    Mihalic: Ich finde, wir sollten uns alle mit Forderungen so gut es geht irgendwie zurückhalten. Wenn man sich mal die Lage anschaut, wie sie gestern in München stattgefunden hat, mit was für einem hohen Engagement und einer sehr, sehr guten Koordination der Polizeieinsatz dort abgelaufen ist, dann weiß ich nicht, was da die Bundeswehr hätte besser oder anders machen können oder wo da ein Bundeswehreinsatz hätte helfen können.
    Ganz im Gegenteil: Die Polizei ist hier sehr abgestimmt und sehr koordiniert und mit einer Ruhe und Besonnenheit vorgegangen, es ist gelungen, binnen kürzester Zeit mehr als 2.300 Einsatzkräfte der Polizei nach München zu holen, um die Lage dort angemessen bearbeiten zu können. Also ich glaube, Forderungen nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren hätten in dieser Situation auch nicht weitergeholfen.
    Diskussion in den sozialen Medien war "hoch problematisch"
    Zerback: Sie haben den Einsatz der Polizei gerade schon gelobt, die Polizei in München hat die Menschen ja über die sozialen Medien auf dem Laufenden gehalten. Gleichzeitig haben Augenzeugen und andere Nutzer aber auch Bilder des Tatorts über Twitter, über Facebook verbreitet, und davor hat die Polizei wiederholt gewarnt. Sie haben selbst 20 Jahre Polizeierfahrung, was ist denn da das Problem für deren Arbeit und wird uns das in Zukunft noch häufiger passieren?
    Mihalic: Das, was wir in der vergangenen Nacht erlebt haben, das war also nicht gerade vorbildlich, was die Diskussion in den sozialen Medien betrifft, man kann das vielleicht zum Teil sogar schon als hoch problematisch bezeichnen. Wenn wir zum Beispiel über die Gerüchte nachdenken, die in der letzten Nacht die Runde gemacht haben – zunächst war von mehreren Tätern die Rede, es war sogar von mehreren Tatorten die Rede, zum Teil ist gesagt worden, dass die Täter Langwaffen benutzt haben.
    Das alles hat sich in Windeseile über die sozialen Medien verbreitet, es sind Gerüchte gestreut worden, es sind teilweise Bilder veröffentlicht worden, von denen man auch nicht weiß, sind sie echt oder sind sie vielleicht sogar gefälscht, wie sind diese Bilder überhaupt zu bewerten oder diese Videos. Und deswegen ist es völlig richtig, wenn die Polizei hier an alle appelliert, auch möglichst besonnen zu bleiben und nicht irgendwelche Gerüchte weiterzuverbreiten, auch nicht irgendwelche Videos zu posten oder Fotos, sondern die halt eben tatsächlich auch der Polizei zur Verfügung zu stellen, damit die diese Aufnahmen auch bewerten kann, in ihre Arbeit einfließen kann, um dann die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen.
    "Hervorragende Öffentlichkeitsarbeit" der Polizei in München
    Ich finde, die Polizei in München hat hier eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit gemacht, das möchte ich noch mal ganz ausdrücklich betonen und wirklich auch noch mal sehr loben, dass sie stets sachgerecht und mit einer Ruhe und Besonnenheit und in einer unaufgeregten Art und Weise über die Ereignisse informiert hat, um halt eben nicht noch zusätzlich unnötige Angst und Panik in der Bevölkerung zu verbreiten, denn auch das ist ein Ergebnis der Diskussion in den sozialen Medien: Wenn zu viele Gerüchte gestreut werden, die die Menschen nur noch mehr in Angst und Schrecken versetzen, dann ist das für die Bewältigung einer solchen Lage auf jeden Fall von großem Nachteil.
    Zerback: Sagt Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, und das Gespräch haben wir kurz vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.