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An der Grenze zur Volksverhetzung

Im Wahlkampf begibt sich die NPD wieder einmal an den Rand der Volksverhetzung. In Berlin liegen bereits Anzeigen gegen die aktuellen Slogans der Partei vor und auf Facebook werden die NPD-Seiten regelmäßig wegen rassistischer Äußerungen gesperrt.

Von Claudia van Laak | 22.08.2013
    "Nazis raus, Nazis raus"

    Letzten Samstag in der Innenstadt von Erfurt. Die NPD hat in Thüringens Landeshauptstadt eine Kundgebung zur Bundestagswahl angemeldet. Die Rechtsextremen geben sich als Tierschutzpartei, wollen vor einer Metzgerei demonstrieren, die sogenanntes Halal-Fleisch verkauft, das nach islamischem Recht zubereitet ist. Die Polizei genehmigt diesen Ort nicht, schickt die Rechtsextremen eine Straße weiter. Die Rede von Thüringens NPD-Landeschef Patrick Wieschke geht in den Sprechchören der Gegendemonstranten unter.

    "Wir sind heute hier, und werden immer wieder kommen bis barbarische Einrichtungen wie diese Halal-Fleischerei und auch die Almadinah-Moschee und die andere Moschee in der Leipziger Straße ihre Pforten geschlossen haben. Wir wollen das in unserer Landeshauptstadt Erfurt nicht. Erfurt muss deutsch bleiben, Thüringen muss deutsch bleiben."

    Patrick Wieschke ist kein unbeschriebenes Blatt. Er saß wegen Anstiftung zu einem Sprengstoffanschlag auf einen türkischen Imbiss in Eisenach im Gefängnis und ist ein guter Bekannter von Ralf Wohlleben, Angeklagter im NSU-Prozess. Der 32-Jährige ist Mitglied des NPD-Parteipräsidiums und Bundesorganisationsleiter der rechtsextremen Partei. Spricht man NPD-Chef Holger Apfel auf einschlägig vorbestrafte Funktionäre wie Patrick Wieschke an, entgegnet er:


    "Also wir haben, das sage ich auch ganz offen, natürlich das Resozialisierungsprinzip, das meines Erachtens gerechtfertigt ist."
    Das von Holger Apfel beschworene Resozialisierungsprinzip gilt offensichtlich auch für Bundestagskandidaten der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei. Einer ist zuvor aus dem Trierer Stadtrat wegen Körperverletzung ausgeschlossen worden, ein anderer bei der Rockerbande Bandidos aktiv. Im nordrhein-westfälischen Hochsauerlandkreis tritt erneut die parteilose Daniela Wegener für die NPD an. Sie war zuvor Vorsitzende der Hilfsorganisation für nationale Gefangene HNG, ein 600 Mitglieder umfassender Verein, der rechtsextreme Häftlinge betreute und diese auf ihren politischen Kampf nach der Entlassung vorbereitete. Bundesinnenminister Friedrich hat diese Organisation vor zwei Jahren verboten.

    "Nein zum Heim/Nazis raus"

    "Nein zum Heim", skandieren die einen, "Nazis raus" die anderen. "Das Heim" ist eine neue Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf. Überall, wo Unmut laut wird über neue Asylbewerberheime, ist die NPD vor Ort, besonders jetzt in der Vorwahlzeit. Die Parteifunktionäre organisieren Demonstrationen, mischen sich in Informationsveranstaltungen unter die Einwohner, wie Berlins NPD-Landesvorsitzender Sebastian Schmidke in Hellersdorf.

    "Schönen guten Abend, wir sind natürlich gegen das Asylantenheim."

    Wahlziel der vom Verbot bedrohten Partei: 1,5 Prozent. Dieses Ergebnis erzielte die NPD auch 2009. Kommt sie über ein halbes Prozent, erhält sie für jede Wählerstimme 85 Cent. Dieses Geld vom Staat dürfte die Funktionäre derzeit am meisten motivieren, denn die Zahl der Mitglieder sinkt, die Kassen sind leer. Deshalb setzen die Rechtsextremen auch auf einen vergleichsweise preiswerten Wahlkampf in den sozialen Medien. Parteichef Holger Apfel verpackt das lieber positiv:

    "Ich denke, dass Facebook natürlich noch eine der wenigen Möglichkeiten ist, wo die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ungefiltert die Meinungen von Parteien einholen können."

    Doch auch mit ungefilterter menschenverachtender Wahlwerbung in den sozialen Medien ist es mittlerweile vorbei. Immer wieder blockiert Facebook stunden- und tageweise die Seiten der NPD und die geposteten Beiträge ihrer Funktionäre und Anhänger, das Profil der Jugendorganisation JN ist dauerhaft gesperrt. Zu den Gegendemonstranten auf der Straße gesellen sich die Gegendemonstranten im Netz, die immer wieder rassistische und menschenverachtende Beiträge bei Facebook melden. Bleiben die Wahlplakate. Mit perfiden Slogans wie "Maria statt Scharia" oder "Geld für die Oma statt für Sinti und Roma" wirbt die NPD um Wählerstimmen. Wegen dieser Plakate sind bei der Berliner Staatsanwaltschaft bereits mehrere Strafanzeigen wegen Volksverhetzung eingegangen. Der frühere NPD-Chef Udo Voigt ist wegen eines Werbespots für die Abgeordnetenhauswahl 2011 zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hat jetzt bestätigt: Das war Volksverhetzung.