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Anbauverbot für Gen-Planzen
"Krummer Deal mit den Mitgliedsstaaten"

Die geplanten nationalen Anbauverbote für Gen-Pflanzen seien ein "vergiftetes Geschenk", kritisiert Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz im DLF. Die Anbauverbote würden sogar zu mehr Gentechnik auf den EU-Äckern führen, da sie die nötigen Zulassungsverfahren beschleunigen.

Heike Moldenhauer im Gespräch mit Stefan Römermann | 05.06.2014
    Symbolisch steht ein Schild mit der Aufschrift "Genfood" vor einem gentechnisch veränderten Maiskolben auf einem Feld nahe Ramin im Landkreis Uecker-Randow.
    Die EU streitet um die Anbau-Zulassung der Genmais-Sorte 1507. Die Bundesregierung setzt sich inzwischen für eine Ausstiegsklausel ein. (picture-alliance / ZB)
    Stefan Römermann: Gesundheitlich soll er angeblich völlig harmlos sein und doch möchte ihn hierzulande kaum jemand auf heimischen Äckern sehen: den Gen-Mais 1507, der wohl demnächst in der EU offiziell zugelassen wird. Die Bundesregierung setzt sich inzwischen für eine Ausstiegsklausel ein. Jedes EU-Land soll selbst entscheiden dürfen, ob es gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem eigenen Staatsgebiet möchte oder nicht. Ein entsprechender Vorschlag der griechischen EU-Ratspräsidentschaft liegt auf dem Tisch und nun laufen ausgerechnet die Umweltverbände dagegen Sturm. –
    Ich bin jetzt verbunden mit Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Frau Moldenhauer, haben Sie sich das denn jetzt noch mal überlegt und sind plötzlich für Gentechnik, oder was haben Sie gegen den Vorschlag?
    Heike Moldenhauer: Nein, wir sind natürlich überhaupt nicht für Gentechnik. Wir finden nur, dass diese nationalen Anbauverbote, wie sie gerade geplant sind, ein vergiftetes Geschenk sind und im Endeffekt dazu führen werden, dass wir mehr Gentechnik auf dem Acker in der EU bekommen, weil diese nationalen Anbauverbote die Zulassungsverfahren beschleunigen werden.
    Römermann: Was heißt das konkret? Warum beschleunigen die die?
    Moldenhauer: Damit ein Nationalstaat gentechnisch veränderte Pflanzen auf seinem Territorium verbieten kann, geht er einen Deal ein. Er muss nämlich dafür, dass er sich freikauft im eigenen Land, für die EU-Zulassung von einer gentechnisch veränderten Pflanze stimmen, und das heißt dann am Ende, dass vielleicht acht oder neun gentechnik-kritische Staaten ein nationales Anbauverbot erlassen können, aber in den anderen Staaten von 28 Mitgliedsstaaten diese gentechnisch veränderten Pflanzen wachsen können.
    Und dieses Angebot, national verbieten zu können, bedeutet dann am Ende auch, dass wir im Moment gerade 13 Pflanzen in der Anbau-Pipeline haben, aber das Ganze auch schon mal auf 30 angewachsen war, dass dann damit, weil die EU-Kommission mit Widerstand der gentechnik-kritischen Staaten nicht mehr rechnet, dann eine nach der anderen gentechnisch veränderten Pflanze für den Anbau in der EU zugelassen wird.
    Nationalstaat muss für Anbauverbot Deal eingehen
    Römermann: Aber wenn es keine Mehrheit für ein komplettes Anbauverbot gibt, ist das denn nicht, ich sage mal, die zweitbeste Wahl?
    Moldenhauer: Nein! Wir hatten ja bisher die sehr gute Situation in der EU, dass es natürlich nie Mehrheiten für eine gentechnisch veränderte Pflanze gab, und die Mehrheiten, die es gebraucht hätte für ein Verbot, derartig hoch waren, dass das auch nie zustande gekommen ist. Aber wir haben jetzt, wenn die Mitgliedsstaaten sich individuell dann rauskaufen können, die Blockade der gentechnik-kritischen Mitgliedsstaaten gebrochen, die bisher immer noch alles aufgehalten haben.
    Wir haben ja die sehr gute Situation, dass wir zwar gentechnisch veränderte Pflanzen seit 1996 auf dem EU-Markt haben, aber in der ganzen Zeit gerade vier Pflanzen zum Anbau auf dem Acker zugelassen worden sind. Drei haben überhaupt keine Rolle gespielt und der MON810 wird in nennenswertem Ausmaß auf ungefähr 150.000 Hektar nur in Spanien angebaut. Das wird sich sehr stark ändern, wenn sozusagen die gentechnik-kritischen Staaten rausgekauft sind aus ihrem Widerstand, mit dem sie ja wirklich immer die Zulassung verhindert haben.
    Römermann: Probleme gibt es ja anscheinend auch bei der Rechtssicherheit. Zumindest habe ich das in einem Papier von den Umweltverbänden gelesen. Was ist da das Problem?
    Moldenhauer: Es gibt noch ein zweites Problem, nicht nur, dass es ein krummer Deal ist mit den Mitgliedsstaaten, sondern auch, dass der Weg zum Anbauverbot sehr problematisch ist. Es muss dann ein Nationalstaat, der auf seinem Territorium ein Anbauverbot verfügen möchte, mit dem Konzern, der die Pflanze auf den Markt bringen will, Kontakt aufnehmen und sich ein Okay für ein Anbauverbot holen.
    Sagt der Konzern ja, geht das Ganze durch; sagt der Konzern nein, wird das Ganze problematisch, weil dann der Mitgliedsstaat argumentieren muss und Verbotsgründe anführen muss. Und diese Verbotsgründe, die ein Mitgliedsstaat anführen darf, sind sehr wage formuliert und wir wissen nicht, ob die Verbotsgründe dann wirklich rechtssicher sind.
    Römermann: Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.