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Andorra
Vorbild für die Separatisten in Katalonien?

Zu den Regionalwahlen in Katalonien am 27. September tritt ein Parteienbündnis an, das die Unabhängigkeit von Spanien zum Ziel hat. Einen eigenständigen Staat mit katalanischer Sprache und Kultur - den gibt es schon gleich nebenan: Er heißt Andorra. Als Blaupause für eine Unabhängigkeit kann das Fürstentum aber nicht herhalten.

Von Oliver Neuroth | 02.09.2015
    Die Nationalflagge von Andorra, im Hintergrund sind die Pyrenäen zu erkennen.
    Die Nationalflagge von Andorra, im Hintergrund sind die Pyrenäen zu erkennen. (dpa / picture-alliance / Lehtikuva Oy Tor Wennstrom)
    Sortida, supermercat, estació. Wer durch die Hauptstadt des Fürstenstums geht, durch Andorra de la Vella, kommt sich vor wie in Katalonien. Sämtliche Schilder sind auf Katalanisch. Es ist die Amtssprache in Andorra. Andreu ist stolz darauf. Der 30-Jährige antwortet konsequent auf Katalanisch, wenn man ihn auf Spanisch anspricht.
    "Mit Katalonien verbinden uns die Kultur, die Sprache, wir haben viele Gemeinsamkeiten. Ich denke, Andorra hätte ein besseres Verhältnis zu einem Staat Katalonien als zu Spanien."
    Deshalb unterstützt Andreu die Separatisten in Katalonien. Genauso wie Marta. Sie glaubt, dass ein eigenständiges Katalonien Vorteile für Andorra bringen würde.
    "Ein Staat Katalonien wäre ein guter Nachbar für uns. Die Menschen dort lieben ihre Kultur, ihre eigenen Institutionen. Wir bekämen etwas von diesem positiven Gefühl mit. Wir hätten Nachbarn, die für ihre Identität gekämpft und gewonnen haben."
    Die Andorraner sind eine Minderheit in ihrem eigenen Land. Von den 80.000 Einwohnern stammt nur knapp die Hälfte aus dem Fürstentum selbst – die meisten sind zugewandert. Vor allem aus Katalonien. Die mehreren tausend Katalanen in Andorra dürfen bei der Wahl zu einem neuen katalanischen Parlament Ende des Monats ihre Stimme abgeben. Deshalb läuft auch eine Art Wahlkampf in Andorra.
    Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ist gekommen, um zu erklären, warum ihrer Ansicht nach eine Abspaltung von Spanien gut wäre. Der Autor David Vila i Ros hat dazu ein Buch geschrieben. Für ihn ist Andorra ein Stück weit ein Vorbild.
    "Andorra ist ein gutes Beispiel für ein Land mit der katalanischen Sprache und Kultur, das auch noch unabhängig ist. Das Ganze ist also machbar. Warum soll es in Katalonien nicht funktionieren? Die Region ist schließlich so groß wie ganze Staaten anderswo in Europa."
    Unabhängig schon seit 700 Jahren
    Andorraner, die gegen ein unabhängiges Katalonien sind, lassen diesen Vergleich nicht durchgehen. Sie verweisen darauf, dass das Fürstentum Andorra in seiner jetzigen Form schon über 700 Jahre existiert und unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden ist als Katalonien. Mateo findet:
    "Die Geschichte Andorras ist nicht mit der Kataloniens kompatibel. Katalonien gehört zu Spanien und das wird immer so bleiben. Die Region ist ein Wirtschaftsmotor und wichtig für Spanien. Wie die Regierung in Madrid sagt: Eine Abspaltung ist unmöglich."
    Einige Andorraner befürchten, dass ein unabhängiges Katalonien Nachteile für ihr Fürstentum hätte. Der neue Staat wäre wohl kein EU-Mitglied, wie es der Chef der Unabhängigkeitsbewegung vergangene Woche angekündigt hat. Das könnte ebenfalls heißen, dass neue Grenzen entstehen – und zwar solche mit regelmäßigen Kontrollen und Zoll, im Vergleich zu heute.
    "Andorra muss sich mit Spanien und Frankreich gutstellen, allein schon wegen des Tourismus. Wenn sich Andorra weiter in Richtung Katalonien bewegt, könnten Spanien und Frankreich verärgert sein – und Andorra meiden."
    Im Moment sieht es so aus, als könnten die Kritiker eines eigenständigen Kataloniens einigermaßen entspannt sein. Das Bündnis der Separatisten, das im Falle eines Wahlsieges die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen will, steht in Umfragen schlecht da. Es kommt nur noch auf rund 36 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch bis zu 50 Prozent. Dazu kommt, dass die Regierungspartei von Ministerpräsident Mas offenbar in einen neuen Korruptionsfall verwickelt ist. Keine gute Wahlwerbung. Ein Staat Katalonien wird damit immer unwahrscheinlicher.